Pleitewelle in Immo-Branche: Warum es derzeit so viele Groß-Insolvenzen gibt

„Eine schlanke Organisationsstruktur ermöglicht es, Investitionsmöglichkeiten rasch wahrzunehmen und sich jederzeit an veränderte Marktbedingungen anzupassen“, wirbt der Wiener Immobilienentwickler Imfarr Beteiligungs GmbH auf seiner Homepage. Nun ist das Gegenteil der Fall. Das Immo-Unternehmen um Nemat Farrokhnia, das vor allem in Wien, München und Frankfurt tätig ist, hat sich offenbar übernommen. Er wurde von den aktuellen Marktbedingungen finanziell an die Wand gedrückt.
Mit rund 604 Millionen Euro Verbindlichkeiten musste das Familienunternehmen Insolvenz anmelden, dessen Geschäftsmodell ähnlich wie die Signa-Gruppe von Rene Benko lange von der Niedrigzinspolitik profitierte. „Das unerwartet rasch gestiegene Zinsumfeld führte zu deutlich höheren Finanzierungskosten und gleichzeitig zu einer Reduktion der käuferseitigen Nachfrage für Immobilien“, zitiert der KSV1870 die Schuldnerangaben.
„Vor diesem Hintergrund konnten Projekte nicht im geplanten Umfang bzw. im geplanten Zeitrahmen umgesetzt und fertiggestellt werden bzw. Verkaufstransaktionen nicht finalisiert werden.“
Bekanntheit erreichte der Immobilienentwickler Imfarr vor allem dadurch, weil Ex-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) von 2019 bis 2022 als Investor und Ex-Minister Josef Ostermayer (SPÖ) von 2021 bis 2023 als Manager mit an Bord waren.
Serie von Insolvenzen
„Wir sind mitten drinnen in einer Serie von Immobilienpleiten“, sagt Karl-Heinz Götze vom Kreditschutzverband von 1870. Dazu haben die hohen Zinsen ebenso beigetragen wie die damit einhergehenden strengeren Vorschriften bei der Kreditvergabe. Dazu kommen wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheiten und die geringe Nachfrage.
Auch die Baubewilligungen seien massiv zurückgegangen: „Was heute nicht bewilligt oder angesucht wird, wird morgen nicht gebaut“, sagt der Gläubigerschützer. Dazu komme, dass viele Entwickler zu Zeiten investiert haben, in denen die Preise hoch waren und jetzt die Finanzierungskosten nicht mehr stemmen könnten. Das Ende der Fahnenstange sei jedenfalls noch nicht erreicht.
Die Immobilienbranche wird seit Mitte 2022 von einer Krise erschüttert, etliche Immo-Firmen wurden dahingerafft. Allen voran rangiert die Signa-Gruppe um René Benko, die mit insgesamt 25 Milliarden Euro Verbindlichkeiten einen Europa-Rekord aufgestellt hat. Auf die Signa folgte jetzt die Imfarr Beteiligungs GmbH mit 604 Millionen Euro Schulden. Sie bietet ihren Gläubigern einen Sanierungsplan mit 20 Prozent Quote an.
„Die Finanzierung der Sanierungsplanquote soll durch die geordnete Verwertung des bestehenden Immobilienportfolios ermöglicht werden“, heißt es. Hier stellt sich die Frage, ob die Immobilien nicht mit Pfandrechten der finanzierenden Banken zugepflastert sind.
Mit rund 116 Millionen Euro Passiva rangiert laut KSV1870 die BBB Immo GmbH auf dem dritten Platz. Die vor allem in Wien aktive Entwicklerin von Altbau-Zinshäusern meldete Mitte Juli 2024 Konkurs an.
Mehr als 20 Projektgesellschaften der Immobilienentwickler VMF und VKM um Christian und Martin Voithofer mussten Insolvenz anmelden. Die Gesamtverbindlichkeiten werden auf 80 bis 100 Millionen Euro geschätzt. Auch die B&R Generalunternehmer GmbH, die von Ende 2015 bis Februar 2024, vom Wiener Entwickler Lukas Neugebauer gemanagt wurde, meldete Ende März 2024 Konkurs
Dass es noch einige Immobilienentwickler erwischen wird, glaubt auch der Immobilien-Sachverständige Thomas Malloth. Betroffen seien vor allem Firmen, denen es an zwei Dingen mangle: „Geld und Know-how.“ Viele hätten am Immobilienboom der Jahre vor 2022 mitnaschen wollen, seien aber meist „blank gewesen, wie ein Veilchen im Frühling“.
Das Geld sei nicht selten von kleinen Banken am Land gekommen, denen es ebenfalls an der notwendigen Expertise gemangelt habe. Mit dem Anstieg der Zinsen würden die stark fremdfinanzierten Immobilienentwickler in Turbulenzen geraten. Zwar hätten sich die Banken zunächst ruhig verhalten und Darlehen gestundet oder Nachlässe gegeben. Für diejenigen, denen es an Eigenkapital mangle, werde es zunehmend enger.
Geringere Bewertungen
Auch weil ab 2023 die Bewertungen der Immobilien zurückgegangen sind. Von zunächst 10 bis zuletzt bis zu 25 Prozent. Das mache alle nervös, so Malloth.
Viele Investoren würden aus Immobilien aus- und auf andere Assetklassen, etwa Gold oder Unternehmensanleihen, umsteigen, meint der Experte. Der Satz „Grundbuch statt Sparbuch“ gelte jedenfalls nicht mehr.
Mit einer Erholung rechnet Malloth frühestens in zwei Jahren: „Es könnten aber auch drei oder vier werden.“ Von größeren Zinsschritten geht er in nächster Zeit nicht aus. Es gebe kaum ein Eck auf der Welt ohne Krieg, Probleme mit Transportwegen und eine hohe Überschuldung von Immobilienentwicklern. Das sei ein multiples Organversagen, sagt Malloth: „Wenn so etwas eintritt, wissen wir, dass es übel wird.“

WIFO-Ökonom Michael Klien
„Alle versuchen durchzuhalten, bei einigen geht es sich nicht mehr aus“, sagt der Ökonom Michael Klien vom WIFO. Zwar sieht er wegen der im Juni eingeläuteten Zinswende der EZB eine Verbesserung der Situation. Bis der Leitzins, der derzeit bei 4,25 Prozent liegt, wieder auf einem Niveau ist, das die Finanzierungslast deutlich senkt, werde es aber noch dauern. „Es geht sehr langsam“, sagt Klien. Mit einem Leitzins von 2,5 Prozent rechnet das WIFO erst 2026. Mit weiteren Zinsschritten werde die Nachfrage aber Stück für Stück wieder anspringen. Verkäufer würden derzeit zuwarten. Auch die Immobilienpreise seien kaum gesunken, sagt Klien.
Bevor sich die Zinsen nicht stabilisieren, werde es auch für die Baukonjunktur kaum Impulse geben, meint der Ökonom. Erste Effekte durch das Wohnbauprogramm der Regierung erwartet er 2025. Wohnbauförderungen, die
historisch durch Zeiten hoher Finanzierungskosten geholfen haben, komme wieder eine größere Rolle zu.
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Insolvenzen halten sich aber in Grenzen. „Das Gute an Immobilienpleiten ist, dass es Sicherheiten gibt“, sagt Klien. Selbst wenn viele Immobilien überbewertet waren, komme es nicht zu kompletten Abschreibungen: „Die Stabilität des Bankensystems ist nicht gefährdet.“
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