Stadtpsychologin: So werden Fremde zu Nachbarn

Stadtpsychologin: So werden Fremde zu Nachbarn
Cornelia Ehmayer-Rosinak erklärt im Interview, wie Nachbarschaft funktionieren kann und Grätzel lebendig werden.

Neue Stadtviertel mit Tausenden Wohnungen, Arbeitsplätzen und Menschen, die dort leben, ihre Freizeit verbringen oder arbeiten, bergen viele Chancen, aber auch Risiken. Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak erklärt im Interview, wie Nachbarschaft funktionieren kann und Grätzel lebendig werden.

KURIER: Wie kann das Zusammenleben bzw. das Zusammenwachsen in neuen Stadtvierteln wie der Seestadt Aspern, dem Sonnwendviertel oder dem „Village im Dritten“ gelingen? 

Cornelia Ehmayer-Rosinak: Soziale Ähnlichkeit wie Alter, Bildung, Interessen fördert das Zusammenleben. Das ist in den neuen Stadtvierteln oft gegeben, weil sehr viele junge Familien dorthin ziehen. Ideal ist eine überschaubare Architektur, kleine Einheiten, Gemeinschaftsflächen. Hinderlich sind große Wohnblocks mit endlos langen Gängen sowie Zäune oder andere Barrieren.

Cornelia Ehmayer-Rosinak mit Brille

Cornelia Ehmayer-Rosinak von STADTpsychologie

Was brauchen die Menschen, wenn alle neu in ein Viertel ziehen?

Sie brauchen Treffpunkte wie ein Grätzelzentrum, Gastronomie und Kultureinrichtungen, genauso wie Begegnungszonen. Wir wissen, dass Gemeinschaftsgärten dafür besonders gut funktionieren. Junge Familien verbringen 80 Prozent ihrer Zeit Zuhause. Sie wollen ihre alltäglichen Wege zu Fuß erledigen. Nahversorgung, Ärzte, Kindergarten etc. sollten nicht weiter als 15-20 Minuten entfernt sein.

Wie werden Fremde zu Nachbarn?

Eine Nachbarschaft kann entstehen, wenn man einander begegnet. Bekannte Gesichter erzeugen weniger Angst, man ist eher bereit, diesen Personen zu helfen, mit ihnen zu kommunizieren. Wer die Möglichkeit hat, den öffentlichen Raum in seinem Viertel mitzugestalten, fühlt sich schneller angekommen, kann sich identifizieren. Das beugt Konflikten und Vandalismus vor.
Damit das neue Viertel mit den umliegenden Stadtteilen verschmilzt, braucht es Angebote wie einen Wochenmarkt, der die Anrainer in den neuen Stadtteil lockt.

Baugrund ist teuer, dementsprechend eng wird gebaut. Wie viel Privatsphäre braucht man?

Es gibt Architektur, wo die Wohnbauten tatsächlich zu nahe beieinander stehen. Denn eigentlich möchte man nicht wissen, was das Gegenüber treibt. Balkone verlieren dort an Bedeutung.

Welche Konflikte treten fast immer auf?

Hund, Lärm und Hitze verursachen die meisten Konflikte. Und die werden nicht verschwinden, weil sich auch in Zukunft viel im Freien abspielen wird. Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Kennt man seine Nachbarn, fällt es leichter, tolerant zu sein.

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