Natur rein, Asphalt, Beton und Pflastersteine raus
Flächen werden bebaut und damit teilweise versiegelt. Doch viele Städte und Gemeinden steuern gegen. Was getan wird, zeigen Projekte im In- und Ausland.
Die Diskussionen um den Bodenverbrauch in Österreich hat Fahrt aufgenommen, doch eine Bodenschutzstrategie fehlt nach wie vor, da die Regierung sich nicht einigen kann. Beim Bodenverbrauch liegt Österreich im europäischen Mittelfeld, wie aus einer aktuellen Studie von Kreutzer, Fischer & Partner im Auftrag der Bundesinnung Bau hervorgeht. Die gute Nachricht: „Die neu in Anspruch genommene Fläche ist zuletzt um ein Drittel gesunken“, sagt Marktforscher Andreas Kreutzer. Das hat vor allem damit zu tun, dass weniger neue Wohnungen errichtet werden. In Österreich gibt es laut Studie sieben Prozent beanspruchte Flächen, wobei damit Gebäude, Gärten, Verkehrswege, nicht aber landwirtschaftliche Flächen gemeint sind.
Warum ist unverbauter Boden so wichtig?
Er speichert CO2, dient als Filter, durch den Regen ins Grundwasser sickert. Boden heizt sich nicht so auf wie Asphalt oder Beton. Die Gesundheitseffekte von Begrünung sind laut Forschungsverbund Umwelt und Klima der Uni Wien in Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum messbar. Laut EU-Taxonomie-Verordnung darf auf „Acker- und Kulturflächen mit mittlerer bis hoher Bodenfruchtbarkeit und unterirdischer biologischer Vielfalt“ nicht neu gebaut werden. Doch die Praxis sieht vielerorts anders aus, wie Pläne für neue Stadtviertel an der Peripherie zeigen. Natürlich brauchen Städte und Gemeinden neue Gebäude, daran lassen Experten keinen Zweifel. Doch der Bestand soll verstärkt genutzt werden, um mit Boden sparsam umzugehen.
Aus diesem Grund wird in den Gemeinden versucht, gegenzusteuern. „Entsiegelung ist aus zwei Gründen wichtig: wegen der Abkühlung und weil die Starkregenereignisse zunehmen, daher müssen Versickerungsmöglichkeiten geschaffen werden“, so Christa Lackner, Geschäftsführerin von Natur im Garten, die Initiative berät Gemeinden bei der Umgestaltung. „Das Bewusstsein für die Bedeutung solcher Projekte ist hoch, zahlreiche Projekte sind in der Pipeline“, erzählt sie. Bürgermeister, engagierte Bürger und das Stadtgartenamt seien häufig Impulsgeber. So werden Plätze entsiegelt und mit beschattenden Bäumen bepflanzt, Versickerungsmöglichkeiten geschaffen, Bereiche nach dem Schwammstadtprinzip gestaltet und Straßen wie etwa in Kärnten rückgebaut – bei Arnoldstein ist ein Grünstreifen samt Radweg entstanden.
Einen besonderen Zugang zum Thema haben die Niederländer, zeigt der Blick ins Ausland. Begonnen hat es 2020 mit einem Wettbewerb zwischen Amsterdam und Rotterdam. Mittlerweile wurde es ein nationales Phänomen: das „Tegelwippen“. Dabei ersetzen Gemeinden und Städte im ganzen Land, zwischen März und Oktober Pflastersteine und Steinplatten durch Grünflächen. Die Gemeinde, welche die meisten „Tegel gewippt“ hat, wird ausgezeichnet.
Im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf werden im Sommer die Entsiegelungsmaßnahmen auf dem Platz des 4. Juli starten. Das vollständig asphaltierte Areal im Umfang von 27.000 m2 wird auf einer Fläche von 12.000 m2 entsiegelt und begrünt. 40 Bäume werden angepflanzt, um Schatten zu spenden, die Temperaturen zu senken und die Bildung von Wärmeinseln zu verhindern. Wer in der Gartenstadt Tulln vom Hauptplatz zur Donau will, der muss über den Nibelungenplatz. Bisher war dieser eine Betonwüste, ein Parkplatz für mehr als 200 Autos.
Derzeit wird der Platz in einen grünen Ort des Miteinanders umgewandelt, 5.700 Quadratmeter Beton wurden weggerissen und haben Baumgruppen, Blumenbeeten, Wasserspielen, Wiesen und Bänken Platz gemacht. Kiesflächen, wassergebundene Decken und gepflasterte Bereiche mit begrünten Versickerungsfugen entstehen. Die Initiative wurde mit dem Erdreich-Bodenschutzpreis prämiert, Tulln ist eine von 13 Pionierstädten der Mission „Klimaneutrale Stadt“.
Am Wiener Naschmarkt startet in Kürze ebenfalls eine Umgestaltung. Aus dem 12.000 m2 großen Parkplatz zwischen der rechten und linken Wienzeile wird großflächig entsiegelt. Der Flohmarkt, der dort regelmäßig stattfindet, bleibt erhalten. Die Pläne zur ersten Realisierungsphase des umfangreichen Projekts liegen dem Planungsausschuss des Gemeinderats zur Beschlussfassung für die Juni-Sitzung vor. Im Herbst soll der Umbau in eine Grünfläche beginnen.
„Am Beginn stand eine breite Bürgerbeteiligung, die klare Ergebnisse brachte. Die Bürger wünschen sich einen begrünten, konsumfreien Ort zum Verweilen, Platz für Kreatives und regionale Produkte sowie den Erhalt des Flohmarkts“, so Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Julia Lessacher. Das Siegerprojekt des internationalen Realisierungswettbewerbs gewannen die Architekturbüros Mostlikely und DND.
Auch in Amstetten wird im großen Stil umgestaltet. Die Stadt und 3:0 Landschaftsarchitektur, Gewinner des Architekturwettbewerbs, entsiegeln den Hauptplatz. Dabei entsteht die bislang größte Schwammstadt Niederösterreichs, 70 Bäume werden gepflanzt. Ein Brunnen und neue Sitzgelegenheiten entstehen - im Herbst soll das Projekt abgeschlossen sein.
Tipps für Private
Wer der Bodenversiegelung entgegenwirken möchte, kann auf dem eigenen Grund und Boden beginnen. Durch das Entsiegeln der Flächen im Garten kann man sogar Geld sparen: Da das Regenwasser versickern kann, entfallen Abwasserkosten. So gehts: Gestalten Sie Wege, Zufahrten, Höfe, Abstellflächen und Parkplätze als versickerungsfähige Flächen (Schotterrasen oder Rasengittersteine), in Oberösterreich gibt es dazu sogar eine Förderung. Versickerungsfähige Flächen sind zum Beispiel ein strapazierfähiger Kräuterrasen auf Spielflächen, Schotterrasen oder bewachsene und begrünte Rasengittersteine auf Parkplätzen. Auch Wege mit einem Belag aus gehäckseltem Gehölzschnitt sind im Garten eine gute Alternative zu versiegelten Wegen. Doch auch bei bereits angelegten Wegen kann man aktiv werden: Wenn man hier Kräutersamen sät, wachsen niedrige Pflanzen zwischen den Trittsteinen. Besonders gut eignen sich zum Beispiel Thymian, Mauerpfeffer und Sternmoos. Und: Im Garten eine Ecke verwildern zu lassen, bietet Nützlingen einen Lebensraum.
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