Der Traum vom Eigenhuhn: Wie es wirklich ist, Hühner im Garten zu halten
Es kräht. Seit einigen Wochen kräht es im 19. Wiener Gemeindebezirk, jeden Morgen zu Sonnenaufgang. Da zeigt der Hahn, was er kann. Es ist nicht genau auszumachen, aus welchem Villenhaushalt der lautstarke Weckruf kommt – wir gehen aber davon aus, dass es dort, wo der Kräher lebt, auch ein paar Hennen gibt. Landidylle in der Großstadt, Eier inklusive. Die Idee der Hühnerhaltung hat sich in den vergangenen Jahren wieder verstärkt durchgesetzt – in den Außenbezirken der Stadt und am Land sowieso. Es ist der Wunsch nach mehr Natur. Und so gibt neuerdings nicht nur Hunde- und Katzenmenschen, sondern eben auch Hühnermenschen.
Im Gackerparadies
Ob die romantische Vorstellung – kleiner Hühnerstall und Zaun und schon ist das Gackerparadies perfekt – in der Realität auch hält? Hühner gelten landläufig als relativ anspruchslos, aber sind sie wirklich keine Arbeit?
Ein Abenteuer. Aus eigener Erfahrung müssen wir das verneinen. In unserem familiären Landgarten im Weinviertel gibt es mittlerweile die dritte Generation Hühner (und Hahn Hansi). Sie brauchen die tägliche Zuwendung, ein ausgeklügeltes Heim, gutes Futter und stets frisches Wasser. Und die Sache mit den lieben Hühnern hat sich spätestens dann ausgeträumt, wenn die Gruppe beschließt, einem (schwächeren) Huhn die Freundschaft zu kündigen. Die Letzte in der Hackordnung hat wahrlich kein leichtes Leben.
Wobei das alles keine Absage an die Idee der eigenen Hühnerhaltung insgesamt sein soll. Sondern bloß eine Relativierung: die Hühnerhaltung braucht mehr Zeit, als man glaubt, sie ist Arbeit und die ist auch nicht immer schön. Und man muss wissen, wie es geht.
Der Stall
Unser Hühner-Abenteuer begann mit einem kleinen Stall, den wir im Internet bestellt haben. Der war aber so klein, dass dort gerade einmal drei Küken Platz gehabt hätten.
Es wurde also vergrößert, heute ist unser Hühnerdomizil zu einer voll ausgestatteten Villa herangewachsen, eine ehemalige, umfunktionierte Punschhütte, mit automatischen Schiebetüren, die sich nach der Sonne richten. In die Hühnervilla wurde Strom eingeleitet, im Winter steht die Tränke auf einem elektrisch beheizten Feld, damit das Wasser nicht friert. Die Hühner haben im Stall Sitzstangen und mit Stroh ausgekleidete Legenester.
Der Auslauf, insgesamt ein paar hundert Quadratmeter, gliedert sich in ein von allen Seiten eingezäuntes Innengehege, das wir Fort Knox nennen. Der Zaun ist ringsum angebracht, auch oben, und wurde auf allen Seiten mit Metallplatten in den Boden hinein verlängert, damit sich Fressfeinde nicht durchgraben können. Diese Absperrung hat uns in zehn Jahren Hühnerhaltung vor dem Fuchs-Überfall bewahrt, zum Glück.
Rund um Fort Knox ist das Außengehege angelegt, mit Schatten spendenden Bäumen, einer überdachten Sandkiste, Hügel, Gräsern und üppiger Vegetation. Zudem bekommt die Hühnerschar Auslauf in immer wieder neu abgesperrten Gartenbereichen. Spezielles Hühnerfutter und die Bio-Abfälle des Hauses bilden die Ernährung. Und: Unsere Hühner sind Familienmitglieder, die klarerweise bis zu ihrem natürlichen Lebensende schön leben dürfen. Auch, wenn sie im fortgeschrittenen Alter nur noch wenige oder gar keine Eier mehr legen.
- Dinos: Hühner sind die einzigen Nachfahren der Dinosaurier
- 60 Prozent des gesamten Tages verbringen Hühner damit, zu gehen und zu picken
- Rund drei bis fünf Eier pro Woche legt ein Huhn, im Winter eher weniger
- Das Sandbaden beugt Parasitenbefall vor – es gehört zum Sozial- und Komfortverhalten
- Hitze mögen Hühner am wenigsten. Ihre eigene Körpertemperatur liegt bei 40 – 42 Grad
- Der Hahn ist Mediator und Beschützer – nicht unbedingt notwendig, aber eigentlich Teil der Familie
- Fünf bis sieben Jahre werden Hühner alt, manche werden zehn oder sogar 15
Die Basics
Viel Aufwand und viel Detailarbeit steckt also vor allem in Stall und Auslauf. Wer ernsthaft mit der Anschaffung einer Hühnerfamilie für die eigene Familie liebäugelt, sollte die Grundregeln kennen. Vor allem aber, wie es Christian Naudain-Huet im Buch „Hühner Glück“ beschreibt: anwesend sein (oder jemanden nominieren, der sich kümmert), aufmerksam sein und die Tiere gut bekümmern (vor allem in Hitze- und Kälteperioden) sowie die gängigen Regeln einhalten (was sagt die Gemeinde dazu bzw. Nachbarn?).
Und ganz klar gilt: Auf einem Balkon kann man keine Hühner halten. Denn sie brauchen Auslauf, eine Wiese, Platz zum Scharren. Man rechnet mit etwa 20 Quadratmetern Fläche pro Huhn, damit sich die Vegetation zwischendurch auch wieder erholen kann. Für den Stall braucht es einen Ort, an dem die Tiere vor Unwetter und Fressfeinden geschützt sind – mit trockenem Boden, ausreichender Belüftung und ohne Zugluft. Etwa einen Quadratmeter Bodenfläche pro Huhn sollte man hier einplanen. Ist auf dem Grundstück ein alter Schuppen vorhanden, der ausreichend isoliert werden kann, kann man diesen zu einem Hühnerstall verwandeln. Hühner benötigen kein Kunstlicht. Und ihr Gefieder schützt gut vor Kälte. Temperaturen von Minus 10 Grad vertragen sie problemlos.
Ich wollt, ich hätt ein Huhn
Fakten und Haltung, neuer Stand der Forschung und die Beziehung zwischen Mensch und Huhn von Biologin Astrid Drapela. Sie sagt, Hühner sind die neuen Katzen. Und hat alles Wissenswerte rund ums Huhn zusammen getragen. „Ich wollt, ich hätt ein Huhn“, Goldegg Verlag, 25 Euro
Am Anfang war das Huhn
In diesem Buch geht es um die Geschichte des Charaktertiers – warum Hühner die direkten Nachfahren der Dinosaurier sind und wie sich die jahrtausendealte Beziehung zwischen Mensch und Huhn darstellt. „Am Anfang war das Huhn“ von Sally Coulthard, Harper Collins Verlag; 24,70 Euro
Hühner Glück
Christian Naudain-Huet hat einen umfassenden Leitfaden für die artgerechte Haltung von Hühnern im eigenen Garten geschrieben. Da ist alles drin – von den Rassen bis zum Hühnerstall und kleinen Wehwehchen. „Hühner Glück“, LV Buch; 26,50 Euro
Der Tagesplan
Hühner sind Frühaufsteher – bei Sonnenaufgang wollen sie den Stall verlassen und ihrer Hauptbeschäftigung, der Futtersuche, nachgehen. Ihr Tagesablauf sieht die Eiablage, Sandbaden und die Gefiederpflege vor. Hühner spielen nicht. Für Hühnerhalter muss die tägliche Routine das Einsammeln der Eier, Ausmisten, die Kontrolle des Stalls, das Bereitstellen von Wasser und Futter und die regelmäßige Kontrolle der Hühner beinhalten.
Immer wieder wird von Anfangsfehlern in der Hühnerhaltung gesprochen. Zu diesen gehören: – Ein zu kleines Gehege und zu geringer Auslauf begünstigen Parasitenbefall und stressen die Tiere. – Falsches Futter: Hühner brauchen nährstoffreiches, abwechslungsreiches Futter. – Mangel an Hygiene: Der Hühnerstall braucht tadellose Hygiene, um Gerüchen und Krankheiten vorzubeugen. – Die Gefahr von Parasiten und Krankheiten: Hühner sind relativ anfällig auf Parasiten, man muss die Tricks und Vorbeugemaßnahmen kennen. – Fressfeinde: Füchse und Marder können verheerende Schäden verursachen.
Ein Hühnerleben
Wer sich über das eigene Hühnerglück traut, bekommt lehrreiche Freunde in den Garten. Man kann sie beobachten, eine Beziehung zu ihnen aufbauen, der Natur durch sie näher kommen. Im Gegensatz spendieren sie drei bis fünf Eier pro Woche. Wer sich einen Hahn dazu nimmt, kann das gesamte Hühner-Familienleben mit all seinen Dynamiken erkunden. Morgendliches Wecken ist dann auch dabei.
Mit oder ohne Hahn?
Ein Hahn ist für eine Gruppe von Hühnern nicht unbedingt notwendig. Jedoch erfüllt er eine wichtige Funktion innerhalb der Gruppe: er ist Beschützer und Mediator, ist Streitschlichter und setzt durch, dass die unter den Hühnern etablierte Rangordnung eingehalten wird. Damit ist er ein Garant für die Stabilität: alle Hennen sind ihm untergeordnet. Der Hahn beschützt die Hennen auch vor Feinden (sofern er stark genug ist). Klarerweise sorgt er auch für Nachkommen und kräht. Er ist jedenfalls lauter als Hennen, das sollte man sich bei der Anschaffung überlegen (und eventuell die Situation mit den Nachbarn abklären).
Alles-Esser?
Sicher nicht, Hühner fressen vor allem Getreide (Mais, Weizen, Hafer) und gekochte Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen). Ihre Mahlzeit vervollständigen sie, indem sie Insekten, Regenwürmer, frisches Gras und Gemüseabfälle verspeisen. Zur Ausbildung der Eierschalen benötigen sie außerdem Kalzium in Form von Sand sowie gemahlenen Muschel- und Eierschalen.
Und täglich auch kleine Kieselsteinchen für die Verdauung. Ein Huhn braucht etwa 120 g Futter pro Tag. Was sie lieben: gekochte, zerstampfte Kartoffeln, Salat, Kohl, Milchprodukte in sehr geringer Menge (5 Prozent), in warmes Wasser eingeweichtes Brot.
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