Die Immobilienbranche denkt um: Warum Bestand wichtiger wird

Sie ist ein Fixpunkt der Branche und jedes Jahr im Kalender Rot angestrichen: Die Immobilienmesse Expo Real in München. Rund 40.000 Vertreter aus 75 Ländern trafen sich diese Woche bei der größten Branchenveranstaltung im deutschsprachigen Raum zum Austausch.
Vorsichtig optimistisch, so lässt sich die Stimmung zusammenfassen. Die Krise, in der sich die Immobilienbranche seit rund zwei Jahren befindet, sei zwar noch nicht überwunden. Allerdings sehen viele Marktteilnehmer die Talsohle erreicht, viele blicken mit Zuversicht in die Zukunft.
Erste Anzeichen für Aufschwung
Die österreichische Immobilienwirtschaft war wieder stark in München vertreten, vor allem an den großen Gemeinschaftsständen – dem Austria Pavillon und dem Stand Europa Mitte. Die Immobilienexperten nutzten die Messetage zum Knüpfen von Kontakten, um Geschäftspartner wiederzutreffen und Kennenlerngespräche zu führen.
Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen zeigt die Immobilienbranche erste Anzeichen eines Aufschwungs“, analysiert Roland Schmid, Geschäftsführer und Eigentümer der IMMOunited GmbH. „Die Expo Real bietet in dieser Phase eine wertvolle Plattform, um innovative Lösungen zu präsentieren, Trends zu diskutieren und Netzwerke zu stärken. Sie leistet einen wichtigen Beitrag dazu, das Vertrauen in die Branche zu fördern und den Austausch zwischen Experten voranzutreiben.“

sterreich-Treffpunkt: der Austria Pavillon mit 40 Ausstellern
Vielversprechende Kontakte
War die Stimmung bei der Expo Real 2023 eher verhalten, so zeichnet sich heuer ein anderes Bild ab. „Zugegebenermaßen sind wir heuer mit eher gedämpften Erwartungen zur Expo gekommen“, sagt Michael Ehlmaier, Geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien. „Aber ich bin von den Gesprächen positiv überrascht: Es gibt zahlreiche vielversprechende neue Kontakte und Termine.“
Generell herrsche trotz der schwierigen Ausgangslage vorsichtige Zuversicht, dass die Immobilienbranche die Schwächephase in absehbarer Zeit überwinden könne. „Tatsächlich sind auf den Märkten bereits viele negative Nachrichten eingepreist, sodass sich positive Signale wie die Zinssenkungen auch rasch in einer Erholung der Immobilienmärkte niederschlagen können“, so Ehlmaier. „Die Mehrzahl der Marktteilnehmer, mit denen wir hier sprechen, rechnet eher mit einem Aufschwung als mit weiteren Rückgängen. Das stimmt mich auch für Österreich optimistisch.“
Ganz ähnlich äußerst sich Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 aspern: „Ich orte eine wachsende Zuversicht, dass wieder mehr Dynamik in Immobilienentwicklungsprozesse und -projekte kommt und dass Finanzierungsangebote mehr und Konditionen besser werden. Wobei klar ist, dass die Wirksamkeit dieser Entwicklung immer erst mit mehrjähriger Verzögerung beim Endkunden ankommt.“ Die Expo Real bestätige diese Wahrnehmung der vergangenen Monate, und es gebe keine bessere Gelegenheit, ein Stimmungsbild der Branche im mitteleuropäischen Raum einzufangen. „Aus Sicht der Seestadt gehen wir von einem spürbaren Schub in den Bereichen leistbarer Wohnbau, Flächen für Nahversorgung und die produktive Stadt aus“, so Schuster.
Fokus auf Bestand
Laut Nadja Pröwer, im Vorstand des Frauennetzwerkes Salon Real und Head of Project Management & ESG Austria bei CBRE, seien im Vorfeld der Expo Real viele Fragen gekommen, Treffen zum Austausch wurden vereinbart. „Ich vermute, das liegt daran, dass sich viele neu erfinden müssen. Das Goldgräbergeschäft der vergangenen Jahre trennt sich vom guten, handwerklichen Geschäft.“ Für Pröwer ist dies eine Reise in die richtige Richtung, da man ja wisse, „dass wir uns auf den Bestand konzentrieren müssen. Jeder Wandel ist schwierig, es gibt viele Verlierer, die mit dem Modell gut gefahren sind“, meint sie bezogen auf den Neubau. „Wir gehen es an, Schritt für Schritt.“
Das Gespräch mit anderen Marktteilnehmer ist nun wichtig. Christine Dornaus, Geschäftsführerin der ARE Austrian Real Estate, schätzt den internationalen Austausch: „Die Messe ist eine gute Plattform, um sich über die Grenzen hinaus zu vernetzen, auszutauschen und auch voneinander zu lernen. Besonders im Fokus stehen die Themen ESG, Dekarbonisierung und damit verbunden die Herausforderungen des Datenmanagements und der Digitalisierung. Dabei geht es nicht nur um nachhaltige neue Projektentwicklungen, sondern darum, die große Zahl an Bestandsimmobilien effizient und klimafreundlich in die Zukunft zu führen.“
Andreas Holler, Geschäftsführer der Buwog Group, glaubt an den Standort Österreich und spürt einen leichten Aufschwung, „der die Branche belebt, wenngleich ich auch davon ausgehe, dass es noch etwas dauern wird, bis alles wieder in den von früher gewohnten Bahnen läuft. Als Immobilienstandort ist Österreich aus meiner Sicht weiterhin interessant, allein schon wegen des hohen Flächen- und Entwicklungspotenzials und dem hohen Bedarf an zusätzlichem Wohnraum.“
Positiv beurteilt Michael Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der 3SI, die Situation auf dem österreichischen Wohnimmobilienmarkt. „Die Zinsen sind gesunken, es geht bergauf.“ Laut dem 3SI-Chef zählt nach wie vor : Lage, Lage und Lage. „Immobilien in guten Lagen werden nachgefragt. Wir verkaufen jeden Tag eine Wohnung.“

Besucherandrang bei der größten europäischen Immobilienmesse, der Expo Real, die diese Woche in München stattfand
Branche im Wandel
Laut Karina Schunker, Geschäftsführerin der EHL Wohnen, bieten „Bestandsimmobilien aus den 2000er- und 2010er-Jahren, bei denen mit Reduktionen des Leerstands, Optimierung der Vermietungsstruktur und durch die steigenden Mieten höhere Renditen möglich sind, interessante Investmentperspektiven.“
Dass sich die Branche im Wandel befindet, zeigten auch zwei neue Formate auf der Expo Real: Der Ausstellungsbereich „Transform & Beyond“ befasste sich mit Themen wie Dekarbonisierung von Städten und Gebäuden und Smart Buildings. Im „Sustainable Construction Hub“ wurden Fragestellungen zu ressourcenschonendem Bauen und Bauen im Bestand diskutiert.
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