Aldo Bakker: „Wenn die Suche zu Ende ist, dann hört alles auf.“
Man könnte ihn für einen Tänzer halten. Mit eleganter Haltung und bedachten Bewegungen ist der Designer auch körperlich immer besonders präsent. Beim Gespräch über seine Arbeit, das Aufwachsen in einer Designer-Familie und seine größte Inspiration fällt auf: Auch mit Sprache geht der Niederländer sehr bewusst um.
Er lässt sich Zeit beim Beantworten und denkt über jede Frage nach. "Ich möchte mich nicht wiederholen. Jede Frage verdient es, beantwortet zu werden, als würde sie mir zum ersten Mal gestellt werden", wird er später bei einem Drink in der Loos Bar sagen. Er ist zu Gast bei J. & L. Lobmeyr, der Wiener Traditions-Glasmanufaktur, die dieser Tage zu ihrem 200-jährigen Bestehen mit einer Ausstellung im MAK geehrt wird. Auch ein Entwurf von Aldo Bakker wird zu sehen sein: Die Glasserie "Reigen".
200 Jahre Lobmeyr: Wie beeinflusst die Tradition ihre Arbeit?
Aldo Bakker: Lobmeyr hat enorme Erfahrung und Expertise im Bereich Glas. Davon kann ich lernen. Zugleich besteht eine tiefe, vertrauensvolle Verbindung zu Lobmeyr, das ich wichtig für meine Arbeit. Ich empfinde mich selbst auch als Teil einer Tradition. Es gab viele Designer vor mir und es wird viele nach mir geben. Das ist zu würdigen.
Wie beschreiben Sie Ihren Designprozess?
Es ist sehr einfach und sehr schwierig zugleich: Ich sehe Formen immer und überall. Selbst unter der Dusche, wo man auf die immer selben Dinge starrt, die Shampooflaschen, die Armaturen, langweilige Dinge. Allmählich beginnen diese Dinge an Bedeutung zu gewinnen und daraus entstehen meine Designs, mein ureigenster Weg. Wenn du an einem bestimmten Thema oder Format arbeitest, dann läuft man unmittelbar Gefahr zu imitieren. Wenn die Arbeit aber der eigenen Persönlichkeit entspringt, ist das nicht möglich. Wir sind alle einzigartig.
Wie kam es zu der Glas-Serie Reigen?
Wir trinken gerade aus den Alpha Gläsern von Hans Harald Rath, die ich sehr schön und gelungen finde. Für mich repräsentieren sie Lobmeyr: perfekte Blasen, perfekte Form, federleicht und dabei mit einer gewissen Schwere. Das war meine Inspiration, mein Ausgangspunkt: Zwei Gläser aufeinandergestapelt, ohne dabei perfekt auf- oder ineinander zu passen. Jedes Glas steht also für sich und ergibt in Kombination eine völlig neue Form. Leonid Rath hat mich aufgefordert, das immer weiter zu denken. Von ihm kam auch die Idee, die Serie „Reigen“ zu nennen, nach dem Stück von Arthur Schnitzler. Aktuell sind es sechs Gläser, die 18 Kombinationen ergeben.
Sie entwerfen zeitlose Formen und Dinge aus diversen Materialien. Welches bevorzugen Sie?
Zuerst ist immer die Form. Diese muss einer Logik folgen und in sich stimmig sein. Dann kann sie in jedem Material umgesetzt werden. Mein Anspruch ist, Objekte zu entwerfen, die auch unabhängig vom Nutzen ein Recht auf ihre Existenz haben.
Ihr Vater, Gijs Bakker, ist Schmuck- und Industriedesigner, ihre Mutter war ebenfalls kreativ tätig. Wie hat sie dieses familiäre Umfeld geprägt?
Es ist schwer für mich, das zu beantworten. Meine Mutter starb, als ich 13 war, darum habe ich nur wenig Erinnerung an sie. Zu meinem Vater Gijs habe ich eine sehr innige Beziehung, wobei das nicht immer so war. Es gab auch schwierige Momente. Früher war es nahezu unmöglich, mit ihm über Kunst und Design zu sprechen. Er war auch nicht sehr glücklich darüber, dass ich einen ähnlichen Berufsweg einschlug wie er selbst.
Warum das?
Als Vater machte er sich wohl große Sorgen. Wissend, dass das Kunstbusiness heraufordernd ist, dass es schwierig ist zu überleben und seinen Weg zu finden. Als junger Mann konnte ich ihn nicht verstehen und war sehr enttäuscht darüber, dass er mich nicht unterstützen wollte. Ich fühlte mich missverstanden und hätte ihn dringend gebraucht, vor allem als Gesprächspartner und jemanden, der meine Gedankenwelt versteht.
Warum haben Sie sich gegen eine klassische Ausbildung entschieden?
Zuerst habe ich es versucht, weil ich nicht wusste, wie ich es anders angehen hätte können. Ich war sehr verunsichert, aber gleichzeitig wusste ich auch sehr genau, was ich machen und was ich gestalten möchte. Das stand in krassem Konflikt zu dem, was an der Akademie von mir verlangt wurde. Deshalb habe ich irgendwann entschieden, mit dem Studium aufzuhören. Das war besser für mich und auch besser für die Lehrenden (lacht).
Sie wussten immer schon, was Sie später machen möchten?
Es gab für mich nie einen Zweifel an meinem kreativen Schaffen. Da gibt es diese starke innere Stimme, die zu einem spricht. Wenn man nicht darauf hört, wird man unglücklich. Ich war mir immer sicher, dass ich mich durch Objekte ausdrücken möchte.
Trotz meines kreativen Elternhauses, trotz meiner vielfachen Möglichkeiten der Ausbildung, ist es am Ende immer eine Reise, die man nur alleine antreten kann. Ich glaube, jeder Künstler empfindet das ähnlich, man muss das für sich selbst entdecken und erfahren. Das bedeutet aber auch, dass man als Künstler immer mit sich selbst beschäftigt ist.
Gibt es jemanden, mit dem sie sich über ihre Ideen austauschen?
Francesca Torzo (Anmerkung: eine italienische Architektin) war eine der ersten, mit der ich gut und tiefgehend über meine Arbeit sprechen konnte. Das war eine große Erleichterung für mich. Wir trafen uns während des Studiums, wobei nur sie studiert hat. (lacht) Inzwischen gibt es zum Glück mehr Menschen und Freunde, auch meine Lebenspartnerin und inzwischen auch mein Vater.
Sie nennen viele namhafte Künstler als Vorbilder, Musiker, Architekten, Komponisten, Maler. Wie gelangt die Musik in ihre Entwürfe?
Das alles ist der Teil der Suche nach sich selbst. Ich bin sehr glücklich, wenn ich andere Menschen entdecke, mit denen ich mich verbinden kann. Egal welche Kunstform, ich spüre dann, sie beschäftigen sich mit ähnlichen Fragen, wie ich. Sich selbst durch andere suchen, Verbindungen herstellen, das machen wir alle.
Ist die Suche nach sich selbst denn je zu Ende?
Wenn das so ist, dann hört alles auf.
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