Kahlschlag und Zwangsarbeit: Wie sauber ist Ikeas Möbelproduktion?

Ob der einsame Förster, der durch schwedische Wälder spaziert, oder die sympathische Familie im gemütlich eingerichteten Wohnzimmer - In ihren Werbespots verspricht die Möbelkette Ikea Harmonie, Nachhaltigkeit und skandinavisches Design für jedermann. Doch dieses idyllische Image bröckelte in der Vergangenheit immer wieder.
Seit der Eröffnung der ersten Ikea-Filiale 1958 in Schweden setzt Ikea auf ein einfaches Erfolgsrezept: Große Mengen an Produkten und niedrige Preise.
Fast 2.000 neue Artikel bringt die Kette jährlich neu auf den Markt. Und diese kann sie günstig anbieten - etwa weil Kunden ihre Möbel selbst aufbauen, was Personal- und Lagerkosten einspart.
Möbel werden immer mehr zu Wegwerfartikeln
Was Design-Experten eine "Demokratisierung des Designs" nennen - also gutaussehende Einrichtungsstücke auch für kleines Budget - bezeichnen Umweltorganisationen als "Fast Furniture" (zu Deutsch etwa "schnelllebige Möbel").
Die Kritik: Eine zu geringe Lebensdauer der Ikea-Produkte, kurzlebige Einrichtungstrends und niedrige Preise würden dazu führen, dass Möbel immer mehr zu Wegwerfartikeln verkommen.
Die Möbelhauskette Ikea wurde 1943 in Schweden gegründet, 1958 eröffnete das erste Einrichtungshaus in Älmhult. Heute betreibt der Konzern fast 483 Filialen in 63 verschiedenen Ländern.
2024 erwirtschaftete die multinationale Unternehmensgruppe 45,1 Milliarden Euro Umsatz und eröffnete 56 neue Standorte. Weltweit zählt Ikea 216.000 Mitarbeiter.
In Österreich betrug der Umsatz des Unternehmens 2023/24 964,3 Millionen Euro und damit um fünf Prozent weniger als im Jahr zuvor.
In seinen acht Einrichtungshäusern, sieben Planungsstudios und neun Abholstationen beschäftigt Ikea hierzulande rund 3.000 Mitarbeiter.
Dass das Angebot des Unternehmens nicht-nachhaltigen Konsum fördere, weist Ikea zurück. "Wir bieten kostengünstige Produkte an und sind stolz darauf. Niedrige Preise bedeuten jedoch nicht zwingend 'nicht nachhaltig' zu sein. Wir erreichen Nachhaltigkeit durch Bemühungen in jedem Schritt entlang unserer Wertschöpfungskette", heißt es vom Unternehmen auf KURIER-Anfrage.
Wiederverwenden, reparieren, recyceln
Ikea setze etwa auf Produkte, die wiederverwendet, repariert oder recycelt werden können. Durch Ersatzteile oder etwa Pflege- und Reparaturprodukte soll die Lebenserwartung der Möbelstücke gesteigert werden.
Und auch bei der Auswahl der Materialien will Ikea auf Nachhaltigkeit setzen. Laut Angaben des Unternehmens sind 56 Prozent der verwendeten Materialien erneuerbar, 17 Prozent sind recycelt. Gerade wegen seinen erneuerbaren Rohstoffen geriet das Unternehmen in jüngerer Vergangenheit in Kritik.
Urwälder für Möbel abgeholzt
Im April 2024 äußerte die Umweltorganisation Greenpeace schwere Vorwürfe gegen den schwedischen Konzern, weil dessen Zulieferer in Rumänien für ihre Möbel Holz aus alten, besonders artenreichen Urwäldern nutzen würden. Laut Greenpeace-Recherche wurden 30 Produkte dieser Lieferanten in Möbelhäusern in 13 Ländern gefunden.
Ikea hat seine rumänischen Zulieferer in Folge überprüft. Dabei wurden laut dem Unternehmen keine Verstöße festgestellt: "Die in dem Greenpeace-Bericht beschriebenen Beschaffungspraktiken sind legal und entsprechen sowohl den lokalen als auch den EU-Vorschriften und sind zusätzlich vom Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert."

Eine Drohnenaufnahme von Greenpeace zeigt die Abholzung in rumänischen Urwäldern.
Greenpeace wirft Ikea Greenwashing vor
Für Greenpeace war die Überprüfung der Sub-Unternehmer nicht ausreichend. Greenpeace-Waldexpertin Dorothea Epperlein wirft dem Konzern Greenwashing vor. "Ikea schmückt sich mit einer angeblichen Nachhaltigkeit, während gleichzeitig wichtige Waldgebiete einfach zerstört werden. Diese Wälder sind für den Planeten viel zu wertvoll, um zuerst zu kurzlebigen Möbel und dann weggeworfen zu werden", sagt Epperlein dem KURIER.
Zwar würden Ikea und seine Zulieferer nicht gegen Gesetze verstoßen, doch seien die Schutzbestimmungen für Wälder unzureichend und Schutzgebiete insgesamt zu klein. Auch die Regelungen des FSC-Siegels empfindet Epperlein als "nicht streng genug".
Kritik wegen Zwangsarbeit in der DDR
Doch nicht nur wegen der Abholzung stand Ikea in der Vergangenheit in der Kritik. Vor mehreren Jahren wurde etwa bekannt, dass Ikea - wie andere Möbelhersteller auch - von Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen profitiert hatte.
Der Konzern kündigte im vergangenen Oktober an, aufgrund dessen sechs Millionen Euro zum geplanten bundesweiten Härtefonds für Opfer der SED-Diktatur in Deutschland beizusteuern.
Nazivorwürfe gegen Ikea-Gründer
Auch die politische Einstellung von Ingvar Kamprad, der Ikea 1943 mit nur 17 Jahren gegründet hat, sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen.
In den 90er Jahren wurde in schwedischen Medien berichtet, dass Kamprad in seiner Jugend aktives Mitglied einer nationalsozialistischen Gruppierung gewesen sein soll. Zudem soll er die Organisation finanziell unterstützt haben.
Der mittlerweile verstorbene Ikea-Gründer entschuldigte sich damals in einem mehrseitigen Brief bei seinen Mitarbeitern und Kunden. Die Zahlungen nannte er dabei die "größte Dummheit" seines Lebens.
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