Hypo – Nebel des Grauens

Hypo – Nebel des Grauens
Verfassungsexperte Heinz Mayer: "Statt transparenter Aufarbeitung wird vertuscht".

KURIER: Der Verfassungsgerichtshof hat nach etlichen Beschwerden von institutionellen Investoren gegen das Hypo-Sondergesetz wegen des Schuldenschnitts bei den Anleihen das Vorverfahren eingeleitet. Auch die Opposition bringt demnächst eine Verfassungsklage ein. Wie realistisch sind die Aussichten, dass die Verfassungsrichter das Gesetz tatsächlich kippen?

Heinz Mayer: Dieses Gesetz kann nicht halten. Es ist allerdings nicht ganz auszuschließen, dass politische Erwägungen eine Rolle spielen.

Das ist starker Tobak. Sie als Verfassungsrechtler misstrauen einem Höchstgericht?

Die Richter werden ja von der Politik, derzeit also von Rot und Schwarz, bestellt. Der Verfassungsgerichtshof ist damit nicht ganz unabhängig. Eine politische Entscheidung wäre freilich für die Reputation der Republik Österreich verheerend. Weil dadurch der Eindruck entsteht, dass auch die Gerichte keine verlässliche Sicherheit bieten. Dann bliebe nur noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Sollte der Verfassungsgerichtshof den Haircut der Anleihegläubiger aber doch aushebeln, hätte das auch Folgen für die Abbau-Einheit?

Hypo – Nebel des Grauens
Wenn man ein wesentliches Stück herausbricht, ist das ganze Konstrukt tot. Auch die Abbau-Einheit. Die Hypo würde rechtlich auf den Stand von Anfang 2014 zurückgeworfen. Dann herrscht ein Trümmerfeld. Aber die ganze Hypo-Geschichte ist so und so ein Horror. Wir müssen mit einem Schaden von 19 Milliarden Euro für die Steuerzahler rechnen. Das ist die größte Vermögensverschiebung, die in Österreich in Friedenszeiten passierte. Erinnern Sie sich noch an das Debakel der verstaatlichten Industrie. Damals ging es um 30 Milliarden – Schilling, nicht Euro.

Es können aber auch "nur" 15 Milliarden Euro Schaden werden.

Wenn alles gut geht, aber daran glaubt ohnehin niemand mehr. Im schlechtesten Szenario können es 25 Milliarden werden. Man muss sich fragen, wie konnte so etwas in einem Land mit einer Bankenaufsicht passieren?

Finanzmarktaufsicht (FMA) und Notenbank weisen jede Verantwortung zurück.

Eine nationale Bankenaufsicht muss zwar nach dem Europarecht unabhängig sein. Aber woher kamen denn die ersten Vorstandsdirektoren der FMA? Heinrich Traumüller kam aus dem Kabinett des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser und Kurt Pribil aus dem Kabinett von Bundeskanzler Schüssel. Das Präsidium und das Direktorium der Nationalbank sind immer schön zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt. Und diese Leute sollen alle unabhängig sein?

Die Rolle der Wirtschaftsprüfer, die die Hypo-Bilanzen absegneten, wäre auch noch zu hinterfragen.

Deloitte zog 2006 den Bestätigungsvermerk zurück. So was kommt praktisch nie vor. Da hätten bei den Verantwortlichen alle Alarmglocken läuten müssen. Die einzige Konsequenz war, dass Wolfgang Kulterer vom Vorstand in den Aufsichtsrat wechselte. Wo er sich dann selbst kontrollierte und verteidigte. Die Deloitte-Prüfer wurden vor die FMA und den Hypo-Vorstand zitiert und mit einer Strafanzeige bedroht. Auch die Nationalbank wusste, was los war. Das wurde alles unter den Tisch gekehrt. Hier wird seit Jahren vertuscht. Ich halte das für ein demokratiepolitisches Desaster.

Aber die Griss-Kommission wird jetzt alles aufklären?

Statt eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde diese unsägliche Kommission eingesetzt. Mit der dämlichen Begründung, dass in einem Ausschuss so viel gestritten wird. No na. Die Kommission kann nur höflich bitten, aber nichts einfordern. Die Geladenen unterliegen nicht der Wahrheitspflicht und das Finanzministerium hat sich geweigert, die Beamten von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Die Kommission ist doch nichts anderes als ein privater Plauder-Klub.

Die Opposition gibt die Hoffnung auf eine Insolvenz der Hypo nicht auf. Wäre eine Pleite tatsächlich die bessere Lösung als die Abbau-Einheit?

Ein Konkursrichter würde sehr unangenehme Fragen stellen. Wie zum Beispiel nach einer Insolvenzverschleppung. Und es würden Strafanträge gestellt. Mit dem Sondergesetz dagegen erlöschen alle Verbindlichkeiten und Haftungen der Bank. Das gesamte Schadenersatzrecht samt der Amtshaftung – in diesem Fall wegen möglicher unterlassener Aufsichtspflichten von FMA und Nationalbank – wird außer Kraft gesetzt. Das ist untragbar. Ich habe den Eindruck, dass alle roten, schwarzen und blauen Manager und Politiker, die bei der Hypo am Werk waren und ihren Anteil an dem Desaster haben, alles daran set-zen, dass die Wahrheit nicht ans Tageslicht kommt. Das Interesse am Vertuschen geht quer durch die Parteien.

Das Argument gegen eine Insolvenz war, dass man unter Zeitdruck Assets verschleudern müsste und Finanzhaie nur darauf warten, sich Schnäppchen herauszureißen. Bei einer Abbau-Einheit hätte man mehr Zeit.

Investoren, die interessiert sind, wissen doch über die Situation Bescheid und pokern ohnehin.

Aber der angebliche Image-Schaden durch einen Konkurs für den Finanzplatz Österreich?

Der ist doch jetzt viel größer. Die Prozesse werden Jahre dauern. Ausländische Investoren sind verunsichert und der Finanzplatz Österreich ist beschädigt wie nie zuvor. Wenn schon 19 Milliarden in den Sand gesetzt wurden, muss dieses Desaster sauber und transparent aufgearbeitet werden. Stattdessen wird alles zugedeckt. Es geht doch nicht darum, noch ein paar Leute einzusperren, sondern für die Zukunft zu verhindern, dass so etwas Ungeheuerliches noch einmal passieren kann.

Zur Person: Heinz Mayer, 68: Der Verfassungsrechtler war ab 2006 Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien und emeritierte Ende September 2014. Er ist im Beirat von Transparency International und Honorarprofessor der Nanjing Audit Universität. Seit Oktober bei Lansky, Ganzger & Partner als „Of Counsel“ (Berater) an Bord.

„Teilweise Ungeheuerlichkeiten“ kritisiert der Wirtschaftsanwalt Gabriel Lansky im Hypo-Sondergesetz. Auch er ortet einen „nicht unerheblichen Schaden“ für den Wirtschaftsstandort Österreich: „Wir werden von Klienten und ausländischen Investoren ständig auf das Hypo-Sondergesetz angesprochen und gefragt, wie riskant Investitionen in Österreich sind.“

Hypo – Nebel des Grauens
Interview mit Neos-Finanzsprecher Rainer Hable im Parlament. Wien, 25.02.2014
Der Neos-AbgeordneteRainer Hable (Bild)ist überzeugt, dass die Milliarden-Haftungen des Landes Kärnten für die Hypo teilweise EU-rechtswidrig seien und daher nicht als Argument gegen eine Insolvenz der Hypo halten würden. Zwischen 2003 und 2007 schnellten die Landeshaftungen von 10 auf 24 Milliarden. Genau diesen Zeitraum hatte die EU-Kommission Österreich als Übergangsfrist für das Verbot von Bankenhaftungen durch öffentliche Gebietskörperschaften eingeräumt.

Die Landeshaftungen waren 2009 das Hauptargument der Regierung für die Notverstaatlichtung der Pleite-Bank. „Die Bayern hatten nie damit gerechnet, dass ihnen Österreich die ganze Bank abnimmt“, sagte der grüne Finanzsprecher Werner Kogler auf einem Expertenforum der Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner zum Thema Hypo. Und ätzte: „Wir haben bei den Verhandlungen geglaubt, die Bayern haben eine Ritter-Rüstung an. Dabei war’s ein Pokerspiel mit Nackerten.“

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