Start frei für fette Entschädigungen

Holland-Fonds: Büroturm in "verkehrsgünstiger Lage" südlich von Amsterdam
Erstmals wurde eine Prospekt-Musterklage österreichischer Anleger in Deutschland zugelassen. Laut VKI ist die Entscheidung sensationell.

An manchen Tagen scheinen die Flugzeuge zum Greifen nah. Sie donnern in einem gefühlten Drei-Minuten-Takt über das Bürogebäude "Kronenstede" in der niederländischen Gemeinde Amstelveen, wenige Kilometer südlich von Amsterdam. Im Verkaufsprospekt des Immobilienfonds Holland 47 des Hamburger Emissionshauses Münchmeyer Petersen Capital (MPC), der diesen Büroturm mit Anleger-Millionen gekauft hatte, klingen die "Vorzüge" der Verkehrsanbindung etwas anders.

"Das Fondsobjekt liegt in zentraler Lage. Dies ist ein begehrter Bürostandort, an dem sich diverse international bekannte Unternehmen niederließen", heißt es im Verkaufsfolder. Nicht nur über den Schnellbahnhof, sondern auch mit dem Auto sei die Region Amsterdam mit dem Flughafen Schiphol "schnell erreichbar".

Zusätzlich 54 Millionen Euro Kredit

Investments in geschlossene niederländische Immobilien-Fonds galten lange als sichere Bank. So auch der "Holland 47", der Ende 2003/Anfang 2004 aufgelegt wurde. Neben 47 Millionen Euro Anlegerkapital wurden auch 54 Millionen Euro Bankkredite aufgenommen. Insgesamt betrug die Investition 101 Millionen Euro. Der Fonds sollte den Investoren 7,35 Prozent Rendite pro Jahr einspielen. Doch dann kam die Krise. Der niederländische Immo-Markt wankte, die Mieter stiegen aus.

Diese Fonds sind Unternehmensbeteiligungen

Der Holland-47-Fonds wurde zum Sanierungsfall. Zwar wurden die beiden Gebäude des Fonds verkauft, doch der Erlös reichte nicht aus, um die Kredite zu tilgen. So wurden die Anleger aufgefordert, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen.

Spätestens jetzt läuteten bei vielen heimischen Anlegern die Alarmglocken. Detail am Rande: Tatsächlich handelt es sich bei den Investments in Hollandsfonds und Schiffsfonds um eine sogenannte Kommanditbeteiligung, sprich eine Unternehmensbeteiligung.

Richtungsweisende Entscheidung

Das Holland-47-Desaster ist kein Einzelfall. Alleine der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vertritt 2500 Österreicher, die in 15 Holland-Immobilien- und -Schiffsfonds (Reefer I, Reefer II) rund 170 Millionen Euro investiert haben. Nun ist dem VKI ein gewiefter rechtlicher Schachzug gelungen.

Auch Manager geklagt

Die größte österreichische Verbraucherschutzorganisation hat im Auftrag des Wiener Sozialministeriums eine Klage in Deutschland für 13 der 500 Holland-47-Opfer eingebracht: gegen MPC, die Manager Axel Schröder, Ulrich Oldehaver, Ulf Holländer und Hanno Weiss, die Treuhandfirma TVP und die Österreich-Tochter CPM.

Denn: Im Gegensatz zu Österreich gibt es in Deutschland das Kapitalanlegermusterverfahrengesetz (KapMuG). Nach diesem Gesetz können Anleger wegen mutmaßlich unrichtiger, falscher und unvollständiger Angaben in Kapitalmarkt- und auch Verkaufsprospekten klagen.

Hoher Gewinn für Zwischenhändler

Der VKI hält den achtseitigen Holland-47-Verkaufsfolder für "erheblich irreführend und fehlerhaft". So sollen die Anleger darin nicht informiert worden sein, dass die Immobilien über einen Zwischenhändler gekauft werden. Der soll dabei groß abkassiert haben. Im Fall des Holland 47 soll der Zwischenhändler 4,659 Millionen Euro Gewinn eingestreift haben. Diese Tatsache soll laut VKI "eine Veröffentlichung eines Nachtrags zum Kapitalmarktprospekt erforderlich" gemacht haben.

Lärmbelästigung durch Flughafen-Startbahn

Außerdem soll weder im Verkaufsfolder noch im Kapitalmarktpropekt darüber informiert worden sein, dass "die Immobilie in Amstelveen in gerader Verlängerung der in West-Ost-Richtung verlaufenden Startbahn des Flughafens Amsterdam-Schiphol liegt und hierdurch einer starken Lärmbelästigung ausgesetzt ist".

Auf der Rückseite eine Feuerwache

Bei der zweiten Immobilie des 47er Fonds in Amsterdam soll nicht darüber informiert worden sein, "dass sich auf der Rückseite ein Zubau befindet, der untrennbar mit der Immobilie verbunden ist, jedoch zu einer Feuerwache gehört und hierdurch nur eine eingeschränkte Verwertung des Fondsobjektes gegeben ist".

"Das ist sensationell"

Das Landgericht Hamburg ist der Argumentation der VKI-Anwälte Kälberer & Tittel und Sebastian Schumacher gefolgt und hat die Schadenersatz-Klage des VKI in allen Punkten nun zugelassen. "Das ist sensationell. Das ist das erste Mal, dass eine solche Musterklage österreichischen Anlegern in Deutschland ermöglicht wird", sagt VKI-Jurist Peter Kolba zum KURIER. "Wir werden für die betroffenen Anleger der verschiedenen Fonds nun weitere Klagen in Hamburg einbringen." Das Ziel des VKI ist aber weiterhin eine außergerichtliche Einigung. Kolba: "Für MPC und die Geschädigten ist es gescheiter, wenn wir ernsthaft darüber reden, was MPC den Anlegern zahlt, und wir damit die Klagewelle rasch beenden."

Verkaufsfolder reicht für Klage aus

Spannend ist in dem mehrseitigen Beschluss des Landgerichts Hamburg vor allem auch, dass die MPC-Anwälte behaupteten, dass es sich bei dem achtseitigen Verkaufsfolder um keinen Kapitalmarktprospekt im Sinne des Kapitalanlegermusterverfahrengesetzes handelt. Der VKI-Anwälte hatten hingegen vorgebracht, dass den Anlegern "in keinem Fall der bei der Oesterreichischen Kontrollbank hinterlegte vollständige Kapitalmarkt-Prospekt des Holland 47-Fonds ausgehändigt worden" sei.

Das Hamburger Gericht kam zum Schluss, dass der Verkaufsfolder auf den Angaben im Kapitalmarktprospekt basiert und somit "Unklarheiten und Auslassungen in dem vorgelegten Kurzprospekt rechtlich durchschlagen". Oder anders gesagt: Eine mutmaßlich fehlerhafte Verkaufsbroschüre reicht aus, um ein Musterverfahren nach dem deutschen KapMuG führen zu können.

Hamburger Emissionshaus MPC wehrt sich

Das deutsche Fonds-Emissionshaus MPC, laut eigenen Angaben der größte bankenunabhängige Anbieter geschlossener Fonds in Deutschland und Marktführer bei Holland-Fonds, nimmt den Fehdehandschuh des VKI auf.

„Wir sehen einer gerichtlichen Überprüfung der Anschuldigungen durch das Hanseatische Oberlandesgericht gelassen entgegen“, teilt MPC-Österreich-Chef Kurt Cowling dem KURIER mit. „Es war aus formaljuristischen Gründen zu erwarten, dass das Landgericht Hamburg die Klage der 13 österreichischen Anleger zulassen würde, womit noch keine inhaltlichen Wertungen verbunden sind.“ Nachsatz: „Wir sind überzeugt, dass wir die Vorwürfe restlos entkräften können.“ Die Prospektunterlagen gaben laut MPC ein korrektes Bild über alle damals erforderlichen, für einen Anleger entscheidungsrelevanten Fakten.

5,7 Milliarden Euro

„Bisher hat jeder Prospekt einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten – sowohl in Österreich als auch in Deutschland“, erklärt Cowling. „Unsere Prospekte und Broschüren waren stets korrekt und haben den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen. Sie waren keinesfalls irreführend oder fehlerhaft.“

Mitte 2003 hatte MPC rund 168 Fonds mit einem Investmentvolumen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro in Deutschland, Österreich und in den Niederlanden unter die Leute gebracht.

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