Hoerbiger-Konzern: Abseits der Bühne

Hoerbiger-Konzern: Abseits der Bühne
Die Verwandtschaft der Schauspieler-Dynastie baute einen Technologie-Weltmarktführer auf.

Die "einen" Hörbigers sind der bekannteste Schauspieler-Clan im deutschsprachigen Raum. Die "anderen" Hörbigers stehen abseits der großen Bühnen. Ihre Welt ist die Technologie. Der Hoerbiger-Konzern mit der Zentrale im schweizerischen Zug gehört zu den Hidden Champions. So nennt man Unternehmen, die in ihrem Bereich Weltmarktführer sind, ihre Produkte aber nicht an die Endkunden liefern und daher in der Öffentlichkeit kaum bis gar nicht bekannt sind.

Der Stammvater der Familie, Hanns Hörbiger, erfand 1895 ein Stahlplattenventil für Kolbenkompressoren, das zu einer der Schlüsseltechnologien für die industrielle Entwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde. Der geniale Techniker legte den Grundstein für den heute mehr als 7000 Mitarbeiter großen Konzern mit 1,1 Milliarden Umsatz weltweit und 130 Produktions- und Servicestandorten in 50 Ländern. Von Österreich über die USA und Russland bis Japan, China und Korea.

Hoerbiger-Konzern: Abseits der Bühne
Wegen der Präsenz in den USA, seit mehr als 50 Jahren, wurde das ö im Firmennamen in oe geändert. Die beiden Werke in Pompano Beach, eine knappe Fahrstunde außerhalb der Tourismusmetropole Miami, sind auf dem neuesten Stand der Fertigungstechnik. Dort werden die Ventile aus Kunststoff und Stahl hergestellt.

Die Produktionshallen liegen an einem idyllischen Kanal, umgeben von viel Grün. Die Belegschaft kann sich über eine Krankenversicherung freuen. Wer das US-Gesundheitssystem kennt, weiß um den Wert dieser freiwilligen Sozialleistung.

Im ersten Stock des Verwaltungstraktes hängt ein Gemälde von Martina Hörbiger, der Schwiegertochter des Gründers. Der hatte vier Söhne. Attila und Paul ließen sich auszahlen und schlugen erfolgreich die Schauspieler-Karriere ein. Der zweitälteste Sohn Alfred tritt in die Fußstapfen des Seniors und beginnt Anfang der 1930er-Jahre mit einer kleinen Produktion in Wien-Simmering. Bis Kriegsende hat Hoerbiger weltweit schon 171 Patente.

Der überraschende Tod von Alfred löst eine heftige Fehde unter den Brüdern aus (siehe Bericht unten). Seiner Witwe Martina gelingt es, das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Simmeringer Werk wieder aufzubauen. Sie ist die treibende Kraft bei der Expansion zum Konzern, der auf den drei Standbeinen Kompressortechnik, Antriebstechnik und Hydraulik basiert. Erzeugt werden Komponenten für Kompressoren, Industriemotoren, Turbinen, Automobil-Getriebe sowie den Maschinen- und Anlagenbau. Der breite Anwender-Kreis reicht von der Erdgasindustrie bis zu den deutschen Auto-Premiumherstellern.

Die kinderlose Witwe war nicht nur eine Technologie-affine Entrepreneurin im klassischen Sinn, sondern sicherte das Unternehmen für die Zukunft gegen feindliche Übernahmen ab. Sie gründete 1982 steuerschonend in der Schweiz die Hoerbiger Stiftung, die 75 Prozent am Konzern hält. Zweck der Stiftung ist der Erhalt der Unternehmensgruppe. Die schauspielernde Verwandtschaft gehört nicht zu den Begünstigten und bekommt bis heute keinen Franken aus Zug. Der Versuch, Pauls Sohn Thommy Hörbiger, den einzigen männlichen Nachkommen mit dem Namen Hörbiger, als Junior-Chef ins Unternehmen zu hieven, scheiterte.

25 Prozent am Konzern gehören Christiana Hörbiger, einer Adoptiv-Tochter. Die betagte Dame, die nicht gerne in der Öffentlichkeit auftritt, wurde im Vorjahr bei einem Fest im Schlosshotel Dürnstein in der Wachau als Verwaltungsrätin verabschiedet, bleibt aber Vizepräsidentin der Stiftung.

Diskret, wie Stiftungen sind, werden Auftragslage und detaillierte Ergebnisse nicht publiziert. Nur so viel wird verraten: 2014 wurde ein Ergebnis vor Steuern von knapp 115 Millionen Euro eingefahren. Die schwächelnde Öl- und Gasindustrie dürfte den Gewinn heuer drücken.

Das österreichische Stammwerk übersiedelt 2016 ins neue Wiener Stadtentwicklungsgebiet, die Seestadt Aspern. Simmering ist als industrieller Standort längst nicht mehr attraktiv.

Einen Nachteil haben Hidden Champions allerdings. "Sie sind in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt, um für junge Talente interessant zu sein", sagt Hoerbiger-Manager Hannes Hunschofsky. Die aufstrebenden jungen Techniker und Ökonomen fliegen lieber auf Red Bull oder Siemens.

Seit einer Kooperation mit der Fachhochschule Kapfenberg und der TU Wien hat sich die Nachfrage verbessert. Gesucht werden Fertigungstechniker, Wirtschaftsingenieure, Industrielogistiker sowie Kunststoff- und Erdöltechniker. Wer interessiert ist, kann ein halbes Jahr nach Pompano Beach gehen. Mehr als 70 Studenten haben dieses konzerninterne, internationale Ausbildungsgprogramm bereits absolviert. "Jede Steigerung des Popularitätswertes hilft uns", hofft Hunschofsky.

Bruderzwist im Hause Hörbiger

Diese Familienfehde hat alle Zutaten für ein Bühnen-Drama. Alfred Hörbiger, Chef der Firma Hoerbiger, starb mit 31 Jahren 1945 in Innsbruck an den Folgen einer Vergiftung. Die exakte Todesursache wurde in den Wirren der Nachkriegszeit nie geklärt. Sein Bruder, der Schauspieler Paul Hörbiger, war überzeugt davon, dass Alfred ermordet wurde. Er erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Nach 15 Prozessen und der Exhumierung der Leiche konnte ein Mord weder bestätigt noch widerlegt werden.

Im Lauf der Prozesse wurde öffentlich, dass Alfred Hörbiger ein Doppelleben führte und mit seiner Geliebten vier Kinder hatte. Weshalb Paul vermutete, Alfreds kinderlose Frau Martina habe beim Tod ihres Mannes nachgeholfen.

Während Paul immer fanatischer von der Schuld der Witwe überzeugt war, glaubte sein Bruder Attila nicht an die Mordtheorie. Zwischen beiden Brüdern kam es deswegen zu einem tiefen Zwist.

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Anwälte, Gerichtsgebühren und Gutachten verschlangen das ganze Vermögen des Volksschauspielers Paul. Nach zwölf Jahren wurden alle Verfahren eingestellt. Paul, der fast 300 Filme gedreht hatte, war so gut wie pleite.

Alfreds Geliebte, Irene Winkler, wurde von Consuela Hörbiger, der ersten Frau von Attila, adoptiert. Sie kümmerte sich auch um die vier Kinder.
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„DIE HÖRBIGERS“, Biografie einer Familie, Amalthea Verlag Wien

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