Die Hintergründe zur Ostsee-Pipeline Nord Stream 2
Die Erdgaspipeline Nord Stream 2 verbindet das russische Ust-Luga durch die Ostsee mit dem ostdeutschen Lubmin. Es ist die zweite direkte Verbindung zwischen den beiden Staaten nach der 2011 in Betrieb genommenen Pipeline Nord Stream (siehe Grafik).
Die maximale Kapazität soll wie schon bei der ersten Nord Stream 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr betragen. Zur Relation: Vergangenes Jahr hat Gazprom insgesamt 515 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert, etwa 180 Milliarden Kubikmeter wurden nach Europa und die Türkei exportiert.
Mit dem Bau von Nord Stream 2 wurde im Frühjahr 2018 begonnen, fertiggestellt wurde sie im September 2021. Die Kosten betragen etwa elf Milliarden Euro. Die Pipeline gehört zur Gänze dem staatlich kontrollierten russischen Gazprom-Konzern.
Ursprünglich waren an der Projektgesellschaft mit Sitz in der Schweiz mit E.ON (heute Uniper), Wintershall Dea, Shell, Engie und der österreichischen OMV auch fünf europäische Energieunternehmen beteiligt. Sie zogen sich aber 2016 aufgrund politischen Drucks zurück und beteiligen sich stattdessen nur mit jeweils zehn Prozent an der Finanzierung der Baukosten.
Keine Genehmigung
Die Gazprom-Tochter mit Sitz in der Schweiz hat jetzt aber ein Problem, denn um eine Betriebsgenehmigung von der deutschen Bundesnetzagentur zu bekommen, muss ein Unternehmen nach deutschem Recht organisiert sein. Gazprom gründet derzeit also eine Deutschland-Tochter, dann kann die Bundesnetzagentur das Prüfverfahren wieder aufnehmen. Das Ergebnis wird danach der EU-Kommission vorgelegt. Mit einer Entscheidung ist deswegen erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu rechnen.
Moskau drängte am Mittwoch erneut darauf, die Pipeline möglichst bald in Betrieb zu nehmen, und stellte dabei wie schon in der Vergangenheit eine Entspannung der Preise am europäischen Gasmarkt in Aussicht. Mehrere europäische Länder und die Internationale Energieagentur kritisieren immer wieder, dass Russland Europa auch über andere, bereits bestehende Pipelines mehr Gas liefern sollte. Moskaus Zögern wird dabei als Druck auf die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 verstanden.
Der Vorwurf, Russland liefere zu wenig Gas, ist allerdings nur bedingt stimmig: Gazprom liefert so viel, wie vertraglich vereinbart wurde, aber nicht so viel, wie die Europäer gerne hätten. In der Vergangenheit hat der staatlich kontrollierte Konzern die Lieferungen nach Bedarf auch erhöht, heuer nur um sehr wenig.
Politisches Druckmittel
Dass die Ukraine gegen die Inbetriebnahme der Pipeline opponiert, hat neben der geostrategischen auch eine wirtschaftliche Komponente: Wie auch Polen bei der Pipeline Jamal, kassiert Kiew für den Gastransit nach Europa Gebühren. Wenn Gazprom Europa vermehrt über die Ostsee beliefert, würden diese sinken.
Die neue deutsche Regierung ist in der Frage gespalten. Die Grünen waren schon als Oppositionspartei gegen die Pipeline und sprechen sich offen dafür aus, sie als politisches Druckmittel einzusetzen. SPD-Kanzler Olaf Scholz gilt als Befürworter, hat am Dienstag aber erklärt, „dass alles zu diskutieren ist, wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt“. Für Österreichs Kanzler Karl Nehammer ist Nord Stream 2 „ein geostrategisches Projekt für die ganze EU“, das „nicht als Druckmittel gegen Moskau benutzt“ werden sollte.
Kommentare