Heimische Start-ups sammelten 881 Millionen Euro bei Investoren ein
Die heimische Start-up-Szene muss sich auf wirtschaftlich schwierigere Zeiten einstellen. Drohende Rezession, steigende Zinsen und Inflationsängste lassen die Geldflüsse aus dem Ausland versiegen. Das trifft vor allem stark wachstumsgetriebene Gründungen.
Ungeachtet dessen flossen im ersten Halbjahr 2022 die Investorengelder noch in Strömen, geht aus dem von der Beratungsgesellschaft EY erstellten „Start-up Investment Barometer“ hervor. Mit insgesamt 881 Millionen Euro wurde das Rekordfinanzierungsvolumen des Vorjahreszeitraumes sogar noch einmal um 67 Prozent übertroffen.
Für die Rekordsumme waren zwei Ausreißer verantwortlich. 62 Prozent der gesamten Investments entfielen auf die Finanzierungsrunden von GoStudent (300 Millionen Euro) und TTTech mit 250 Millionen Euro. Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 um 13 Prozent auf 76.
Dunkle Wolken
Die Rekordbilanz dürfe nicht zu dem Trugschluss führen, dass der Boom des Rekordjahres 2021 in Österreich ungebremst weitergehe, relativiert Florian Haas, Start-up-Experte bei EY Österreich. „Viele dieser abgeschlossenen Finanzierungsrunden sind bereits vor Monaten auf den Weg gebracht, aber erst jetzt abgeschlossen worden.“ Gerade bei der von internationalen Investorengruppen getragenen Wachstumsfinanzierung werde sich die starke Zurückhaltung der Risikokapitalgeber in den nächsten Monaten niederschlagen.
Die Auswirkungen liegen auf der Hand: Die „Überflieger“ der Austro-Start-ups wie GoStudent oder Bitpanda müssen ihre Wachstumspläne anpassen und auf die Kostenbremse steigen. Das Wiener FinTech Bitpanda gab bereits einen Jobabbau bekannt.
Auch wenn die Beteiligung von heimischen Kapitalgebern im ersten Halbjahr leicht angestiegen ist: Drei Viertel der Finanzierungssumme wurde von international besetzten Investorengruppen aufgebracht. Die meisten Venture-Capital-Fonds kommen aus den USA oder Großbritannien und waren zuletzt in Europa groß auf Shoppingtour. So rasch wie sie gekommen sind, dürften sie sich wieder aus dem Staub machen, weshalb nun verstärkt inländisches Geld mobilisiert werden soll.
Das nötige Kapital wäre reichlich vorhanden, werde aktuell aber von institutionellen Investoren wie Banken, Versicherungen, Stiftungen und Pensionskassen gebunkert oder in defensive Asset-Klassen wie Immobilien angelegt, meint Nina Wöss, Vorstandschefin der Austrian Private Equity ans Venture Capital Organisation (AVCO): „Um die Leitbetriebe von morgen aufzubauen, muss Österreich endlich selbst ein nachhaltiges Finanzierungssystem aufstellen“, fordert sie. Ansonsten drohe mit den ausländischen Investoren auch das Wissen aus Österreich abzuwandern.
Eigener Dachfonds
Wöss schlägt die Einrichtung eines eigenen Dachfonds für Wagniskapital vor, wo Investorengelder gebündelt werden. Der Fond könnte in mehrere, kleinere Fonds investieren. Ein solches Modell gibt es in Deutschland mit dem staatlich geförderten Wagniskapitaltopf VTGF. Dieser ist mit 1,2 Mrd. Euro dotiert und soll gemeinsam mit privaten Kapitalgebern Start-up-Finanzierungen ermöglichen. Schnell wachsende, technologieorientierte Firmen können daraus Finanzspritzen von 1 Million bis 125 Mio. Euro lukrieren.
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