Heimische Industrie an EU-Spitze

Zwei Drittel der österreichischen Unternehmen (im Bild das Industriegebiet Linz) gelten in Brüssel als innovativ.
Brüssel zählt Österreich zu den Top fünf Nationen – trotz Problemen im Bildungsbereich.

Von „abgesandelt“ keine Rede, im Gegenteil: Im neuesten Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in den EU-Staaten bekommt Österreich ein äußerst positives Zeugnis ausgestellt.

Die EU-Kommission zählt Österreich gemeinsam mit Deutschland, Dänemark, Schweden und Luxemburg zu den fünf führenden Nationen. Österreich ist in der Gruppe der „konstanten Leistungsträger“, die sich dadurch von den anderen Ländern abheben, „dass ihre Industrie von technologischen Vorreitern dominiert ist und die Arbeitskräfte hoch qualifiziert sind“, wie es in dem Bericht, heißt. Österreich zählt auch zu jener kleinen Gruppe an Staaten, die schon 2007 in punkto Wettbewerbsfähigkeit über dem EU-Durchschnitt lagen – und sich in der Krise im Vergleich zu den anderen weiter verbessert haben.

Innovative Industrie

Das Urteil der Brüsseler Experten: „Was die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft angeht, schneidet Österreich gut ab“. Kurzfristig sei „nicht mit größeren Engpässen zu rechnen“, es gebe ein „günstiges Umfeld für Unternehmen und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft“.

Auch beim EU-Ziel, wonach die Industrie 2020 rund 20 Prozent zum BIP beitragen soll, liegt Österreich gut: Das verarbeitende Gewerbe hat in Österreich einen Anteil von 18,7 Prozent; der EU-Schnitt liegt bei 15,3.

Zwei Drittel der heimischen Unternehmen werden als innovativ eingestuft, die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sind von 2000 bis 2011 von 1,93 auf 2,74 Prozent des BIP gestiegen – „schneller als in den meisten EU-Staaten“. 2011 lag auch die Zahl der Absolventen in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern mit 16,1 Prozent erstmals über dem EU-Durchschnitt (14,2).

Fachkräftemangel

Doch es gibt auch Kritik: Die Kommission bemängelt etwa, dass das Innovationssystem in Österreich unter der „komplexen Aufsplitterung der Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Ministerien“ und (halb-)öffentlicher Agenturen leide.

Eine große Gefahr sieht Brüssel angesichts der alternden Bevölkerung und der steigenden Ansprüche an die Qualifikationen auf Österreich zukommen. In einem Wort: Fachkräftemangel.

Heimische Industrie an EU-Spitze
„Ungeachtet der hohen Produktivität Österreichs stellt ein Mangel an Fachkräften und Forschern auf längere Sicht ein Risiko dar“, heißt es. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, „wäre eine verbesserte Leistung des Schul- und Berufsbildungssystems angezeigt“.

Ungenützte Potenziale

Die Kritikpunkte in diesem Zusammenhang sind größtenteils bekannt: Die frühe Selektion im Schulsystem mit den unterschiedlichen Schultypen trage dazu bei, „dass die Arbeitskräfte unzureichend genutzt werden“. Auch die Unis stünden vor Problemen: Einem Anstieg der Studentenzahlen stünden, so die Kommission, „finanzielle und organisatorische Einschränkungen“ gegenüber, die es zu überwinden gelte, um die „relativ niedrigen Abschlussquoten“ anzuheben.

Nicht zuletzt würden auch die Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich nicht ausgeschöpft. Die 2011 eingeführte „Rot-Weiß-Rot-Karte“ für Fachkräfte aus dem Ausland konnte zwar „Lücken schließen“, hatte aber „insgesamt begrenzte“ Wirkung. ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser teilt in diesem Punkt die Kritik der Kommission: „Wir haben so viele bestens ausgebildete Menschen im Land, die weit unter ihrer Qualifikation arbeiten. Das ist erstens menschlich nicht in Ordnung, zweitens aber auch wirtschaftlich völlig unsinnig.“

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Im Schlechtreden des eigenen Landes sind die Österreicher ja Weltmeister, vor einer Wahl steigert sich das gern ins Depressive. Daher ist es besonders erfreulich, dass uns der neue EU-Wettbewerbsbericht bescheinigt, kein „abgesandelter“ Standort zu sein, ganz im Gegenteil. Wir sind produktiver als andere, zwei Drittel der Unternehmen sind innovativ, die Forschungsausgaben steigen, die Verwaltung ist gut. Hurra!

Wir vergessen es gerne, aber wir leben Gott sei Dank in einer der reichsten, friedlichsten, schönsten Regionen der Welt. Der Standort Österreich wird aber nur so herausragend gut bleiben, wenn wir das Land nicht zu einer postmaterialistischen, mindestgesicherten Wellness-Oase verkommen lassen, in der Leistung nur etwas für Streber und Pension das Paradies ist. Erste Anzeichen dafür machen sich bereits breit. So – genug genörgelt. Noch ist (fast) alles gut.

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