Handel mit Hindernissen

USA und EU wollen mit TTIP den Handel erleichtern und so Jobs und Wachstum schaffen. Derzeit dominieren jedoch die Ängste. Wenn es ein Ergebnis gibt, dann frühestens 2015.
Die Ängste vor den Folgen von TTIP sind groß – aber sind sie auch berechtigt?

Seit einem Jahr verhandeln EU und USA über die "Transatlantic Trade and Investment Partnership" (TTIP), diese Woche läuft die sechste Gesprächsrunde. Kein Themenbereich ist auch nur annähernd fertig – dafür ist die Anfangseuphorie längst verpufft. Dieser Tage wird eine Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP gestartet; auch viele Politiker, die zunächst die Chancen für Wachstum und Arbeitsmarkt gepriesen haben, warnen nun vor den möglichen Folgen des Abkommens. Ein Überblick über die wichtigsten Knack- und Kritikpunkte:

Transparenz Die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den US-Vertretern werden als Geheimgespräche kritisiert. Selbst EU-Abgeordnete, die später darüber abstimmen sollen, sagen, sie dürften noch nicht im Detail wissen, was besprochen wird. Die Kommission will "aus strategischen Gründen" nicht alles offenlegen, der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat aber erst gestern wieder versprochen, wichtige Dokumente künftig rasch zu veröffentlichen. Die mangelnde Transparenz schürt Ängste: So lange unklar ist, was am Ende wirklich im Abkommen stehen wird, könnte ja alles drin stehen. Das gilt zum Beispiel für ...

Lebensmittelstandards Auf beiden Seiten gibt es die Sorge, mit TTIP eigene Standards auf jene des Gegenübers absenken zu müssen – in Europa betrifft das vor allem Sozial- und Lebensmittelstandards, die man in Amerika generell als niedriger einschätzt. So wurde das Chlorhuhn hierzulande zum Symbol für TTIP – es steht für die Angst, dass die (in Europa generell, in Österreich besonders hohen) Standards bei Tierschutz und Lebensmittelproduktion aufgeweicht werden könnten.

Nicht immer sind freilich die amerikanischen Regeln lockerer: Für Bio-Rinder etwa gilt in den USA Antibiotika-Verbot, während kranke Kühe bei uns damit behandelt werden dürfen. Nationale Verbote, etwa das österreichische beim Anbau von Gen-Mais, können durch TTIP übrigens nicht aufgehoben werden.

Demokratie Ein heikler Punkt ist der sogenannte Investorenschutz. Für manche ein notwendiges Instrument, um Prozesse zwischen Konzernen und Staaten auf "neutralem Boden" abzuwickeln (Beispiel: Atom-Konzern klagt gegen Gesetz zum Atom-Ausstieg). Für andere eine "Aushebelung des Rechtsstaates", weil die normalen Gerichte umgangen werden.

Auch hier gilt, wie für TTIP generell: Es gibt viel Spielraum – aber längst noch kein Ergebnis.

Seit Juli 2013 laufen die Gespräche zu TTIP – für die EU verhandelt die Kommission, der die 28 Mitgliedsstaaten ein Mandat erteilt haben. Geplant ist, dass es Ende 2015 ein Verhandlungsergebnis gibt. Dem müssen in Europa die Regierungen und das EU-Parlament zustimmen, eventuell auch die nationalen Parlamente.

Wer wäre nicht gegen Chlorhühner (eine nicht gesundheitsgefährdende Desinfektionsmethode gegen Salmonellen) oder Wasser-Privatisierung? Beides eignet sich, um Emotionen zu schüren, kann aber in Österreich gar nicht kommen, wenn es die Regierung nicht will. Das betrifft auch andere österreichische Albträume, etwa Fracking oder Genmais.

„Geheimniskrämerei“ wirft man den Verhandlern vor, aber selbst das stimmt nur zum Teil. Brüssel hat viele aussagekräftige Unterlagen dazu veröffentlicht, allerdings mehrmals instinktlos agiert.

Hierzulande hat sich eine Allianz aus Boulevardmedium, Handelskonzernen und Grünen samt ihrer Vorfeldorganisationen gebildet. Neben dem ehrenwerten Kampf für Regionalität und Qualität wären da noch ein paar nicht ganz so edle Motive: etwa das Interesse der auf Spenden angewiesenen NGOs an Daueraufgeregtheit. Oder die Angst von Konzernen und Agrar-Lobby vor US-Billigkonkurrenz. Seltsam, dass man im Europa von heute so begeistert ist von der Idee einer Abschottung! Anti-Amerikanismus ist da auch dabei – als wäre alles Amerikanische „Substandard“. Dabei sind manche Auflagen dort sogar strenger als hier.

Ein ernst zu nehmender Kritikpunkt ist das neu zu schaffende Schiedsgericht. Konzernvertreter sollten dort nicht übermächtig sein. Umgekehrt muss man aber auch fragen, ob etwa die österreichischen Gerichte, die jahrelang für simpelste Materien brauchen, der richtige Ansprechpartner für bilaterale Firmenprobleme sind. Umgekehrt wäre für heimische Betriebe, die sich auf den US-Markt wagen, so eine Einrichtung jedenfalls erreich- und einschätzbarer als die amerikanische Justiz. Lassen wir doch endlich Argumente statt Emotion sprechen!

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