Handel: Kundschaft bricht weg, Hilfen bleiben aus

Start der 2G-Kontrollen im Handel
Unternehmer warnen vor einem weiteren Lockdown. Die Folgen sind fatal. Schon 2020 mussten mehr als 4.000 Händler aufgeben

Von einem Normalbetrieb kann keine Rede sein, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands. Seit in den Geschäften (mit Ausnahme der Grundversorgung) die 2-G-Regel gilt, sei die Kundenfrequenz um ein Viertel eingebrochen, gleichzeitig würde sich die Abwicklung der versprochenen finanziellen Hilfen als Farce herausstellen. Ein Eindruck, den viele Händler bestätigen.

„In anderen Ländern kommen die Förderungen viel schneller an“, sagt etwa Norbert Scheele, Geschäftsführer der Modehauskette C&A in zwölf europäischen Ländern. „In Österreich haben wir 100 Standorte, die bisher  insgesamt 800.000 Euro Umsatzersatz bekommen haben. Das war’s.“ Auf den Fixkostenzuschuss 1 würde seine Gruppe noch genauso warten, wie auf den viel propagierten Verlustersatz. Das einzige, das reibungslos funktioniert habe, sei die Abwicklung der Kurzarbeit gewesen. Geld, das freilich nicht im Unternehmen bleibt, sondern auf die Konten der Mitarbeiter fließt.

Verhaute Weihnachten

Ärger auch bei der Buchhandelskette Thalia, der ein Großteil des für die Branche wichtigen Weihnachtsgeschäfts auch heuer lockdownbedingt weggebrochen ist. „Wir hatten gegenüber 2019 um 22 Prozent weniger Umsatz und bleiben auf diesem Entgang sitzen“, sagt Thalia-Geschäftsführerin Andrea Heumann. Aus Voraussetzung für den Erhalt des Aufallbonus III gilt nämlich ein Umsatzausfall von zumindest 30 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Kalendermonat aus dem Jahr 2019. „Diese Monatsbetrachtung verfälscht das Bild, man müsste den Lockdown-Zeitraum heranziehen“, fordert Heumann „mehr Fairness“. Schließlich fiel der Lockdown halb in den November, halb in den Dezember.

Überhaupt müsse die Politik die Pandemie dort bekämpfen, wo sie geschieht, wettert Martin Wäg, Eigentümer der Kastner&Öhler-Gruppe. Er sehe nicht ein, warum der Handel die Skihüttengaudi ausbaden müsse, obwohl es die Geschäfte, laut diversen Studien, so gut wie gar nicht zum Infektionengeschehen beitragen würden.

Wäg gehört zu jenen 60 Händlern, die zum Verfassungsgerichtshof gegangen sind, um die Schließung des nicht lebensnotwendigen Handels anzufechten. Wägs Standpunkt: „Erwerbsfreiheit ist ein Grundrecht und kann nicht beliebig beeinträchtigt werden. Der vierte Lockdown war nicht verhältnismäßig.“ Seiner Gruppe habe er acht Prozent des Jahresumsatzes gekostet und wie Thalia würde er auf dem Schaden sitzen bleiben. Das sei unerträglich. „Nach 22 Monaten Pandemie muss es in der Politik doch einen Lerneffekt geben.“

In dieselbe Kerbe schlägt Karl Mayr, Chef des oberösterreichischen Familienunternehmens Fussl Modestraße. Der Handel bekomme bei der Politik ganz offensichtlich weniger Gehör als die Hotellerie oder die Landwirtschaft. Er selbst warte in Österreich auf Hilfen in Höhe von 2,7 Millionen Euro, „wobei sie davon sicher noch die Hälfte streichen werden“.  In Deutschland, wo Fussl auch Standorte hat, würden die Förderabwicklung deutlich besser funktionieren.

Auch Karin Saey vom Dorotheum hat längst kein Verständnis mehr für Zwangsschließungen. „2021 kamen auf 302 Werktage 77 Lockdown-Tage“, rechnet sie vor. Statistisch gesehen war also jeder vierte Verkaufstag geschlossen. Dazu kommt, das mit der 2-G-Regel rund 2 Millionen Menschen vom Großteil der Geschäfte ausgeschlossen bleiben. Aus ihrer Sicht werden Konsumenten so regelrecht in die Arme von Amazon & Co getrieben. Nicht nur in Lockdown-Zeiten, sondern langfristig.

Die Pandemie hat längst ihre Spuren in der Handelslandschaft hinterlassen. Laut den Aufzeichnungen der KMU Forschung Austria sind 2020 exakt 4.040 Handelsunternehmen vom Markt verschwunden. Infolge der nur schleppend bei den Firmen ankommenden Hilfen, warnt Handelsverbandspräsident Stephan Mayer-Heinisch „vor einem finanziellen Long-Covid bei Unternehmen“. Sprich, vor weiteren Pleiten.

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