Hagenberg Valley: Hightech am Land
Wer morgens um halb neun in Hagenberg aus dem Auto steigt und in Richtung Kirchplatz spaziert, wird nur wenige Menschen treffen. Die Geschäfte sind noch zu und für die über 1600 Studenten an der Fachhochschule Hagenberg ist es wahrscheinlich auch noch zu früh.
Das Gemeindeamt am Kirchplatz aber ist offen, die Bürgermeisterin Kathrin Kühtreiber-Leitner schon im Büro. Es gibt Kaffee und Schokolade „zum Aufwachen“. Dann erzählt sie, wie Hagenberg sich verändert hat. Wie sehr das Dorf mit dem Bau der FH und des Forschungszentrums gewachsen ist. Von 1.500 Einwohnern im Jahr 1989 auf 2.500.
Das Ortsbild hat sich verändert, erzählt Kühtreiber-Leitner. Es gebe mehr moderne Gebäude, mehr Verkehr, mehr Menschen.
Systematischer Ausbau
Aus dem verschlafenen Ort Hagenberg, eingebettet in den Hügeln des oberösterreichischen Mühlviertels, ist ein Hightech-Hotspot geworden. Den Anstoß gab Professor Bruno Buchbergers Suche nach einer Unterkunft für sein RISC-Institut (Research Institute for Symbolik Computation), die er im Schloss Hagenberg fand, gleich neben dem Gemeindeamt.
„Damals war das Schloss eine Ruine und der Schandfleck im Dorf“, erinnert sich Kühtreiber-Leitner. Heute beherbergt der Turm des Schlosses ein Forschungszentrum der Johannes-Kepler-Universität Linz, mit gepflegtem, rot gepflasterten Hof. Aber es ist nur ein kleiner Bestandteil des weitläufigen Softwareparks Hagenberg.
Das campus-artige Gelände liegt wenige Gehminuten vom Kirchplatz entfernt und ist ein Ensemble aus mehreren Gebäuden, die elf Forschungseinrichtungen, die FH OÖ Campus Hagenberg, Wohnungen, sowie 75 Unternehmen beherbergen. 3.000 Menschen forschen, arbeiten, lehren, leben und studieren hier.
Vom Standort zum Netzwerk
Die „Keimzelle des Wissens“, nennt es Wirtschafts- und Forschungslandesrat Markus Achleitner. Eine Keimzelle, die bereits zu einem Dorf im Dorf herangewachsen ist. Auf der einen Seite Einfamilienhäuser mit großen Gärten. Auf der anderen moderne, funktionale Gebäude, mit integriertem Glas und Stahl. Die Kombination aus Forschung, Lehre und Wirtschaft mache Hagenberg attraktiv für Unternehmen, so Achleitner.
Pro Jahr würden sich über 70 Unternehmen für einen Platz in Hagenberg bewerben. Und man will noch mehr aus dem Potenzial dieser Tech-Zelle schöpfen: Hagenberg soll sich von einem Standort zu einem digitalen Netzwerk für die oberösterreichische Wirtschaft entwickeln. Dafür habe man sogar den ehemaligen IT-Security-Chef von Google, Gerhard Eschelbeck an Bord geholt. Es könnte auch zur Folge haben, dass sich die Einwohnerzahl im Ort langsam einpendelt.
Mehr Autos als Einwohner
Denn dass sich auf dem Campus mehr Menschen aufhalten, als der Ort Einwohner hat, sieht man an den Autos. Überall, zwischen den Gebäuden der FH, des IT-Centers und der Studentenheime parken Autos. Das Parkhaus ist längst zu klein geworden. Ein neues sei in Planung, zudem soll die FH erweitert werden und ein Wohnpark mit 500 Wohnungen und Einkaufsmöglichkeiten, zählt die Bürgermeisterin Kühtreiber-Leitner auf.
„Dass permanent irgendwo ein Kran steht, ist der Hagenberger gewohnt.“ Doch sie betont: “Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu schnell werden.“ Denn, dass die Hagenberger bisher relativ entspannt mit der Veränderung ihres Dorfes umgegangen sind, hat einen Grund: nach und nach, mit „Management by Accident“ zog die Technologie in die Gemeinde ein: zuerst in die Schlossruine und in die alte Meierei, erst dann wurde gebaut.
Im "Gschichtskistl" von Hagenberg
Das alte Hagenberg ist deswegen nicht verschwunden. Man findet es im „Geschichtskistl“ im ersten Stock der alten Feuerwehr an der Hauptstraße. Hans Sallaberger, 72 und ehemaliger Feuerwehrkommandant, hat hier seine private Sammlung mit alten Aufnahmen des Ortes, Zeitungsberichten, oder Kondolenzmeldungen verstorbener Hagenberger ausgestellt.
Wie findet er das neue Hagenberg? „Na ja, ich sag immer, lieber gehe ich durch den Friedhof, da kenn ich mich besser aus als auf der Straße“, scherzt er.
Skeptisch sei man anfangs schon gewesen, als mit dem Einzug der JKU in den Schlossturm mehr Menschen nach Hagenberg kamen. Man sprach von „denen da oben.“ Heute aber gehen die Dorfältesten regelmäßig in der Mensa der FH essen, auch Dorf-Veranstaltungen finden im Softwarepark statt.
Zudem sei er als Feuerwehrkommandant von Anfang an in jedes Bauprojekt miteingebunden gewesen. Mehr Menschen und mehr Gebäude bedeuten auch mehr Einsätze. „Von angebrannter Eierspeis bei Studenten bis zu stecken gebliebenen Liften.“ Es sei eben lebendiger geworden, findet Sallaberger. Die 1.600 Hagenberger Studenten machen sich stark bemerkbar.
Über Hagenberg
Einwohner: Insgesamt 3.263, davon 2.587 Hauptwohnsitze, 830 Nebenwohnsitze.
Gemeinde: Die Marktgemeinde Hagenberg im Mühlkreis liegt auf 442 m Seehöhe im Bezirk Freistadt in Oberösterreich. 23 km entfernt von Linz und
181 km von Wien.
Politik: Der Gemeinderat besteht aus 24 Mitgliedern:
ÖVP 12, Grüne 5, SPÖ 4, FPÖ 3.
Softwarepark: 1.245 Beschäftigte und 1.835 Personen in Ausbildung auf 31.615 m²
Unternehmen: u.a. Dynatrace Austria GmbH, STICHT Technologie GmbH, COUNT IT GmbH & Co KG.
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