Haberleitner und seine dayli-Soap

epa03491467 A photo made available 30 November 2012 shows Rudolf Haberleitner, chief of 'TAP 09', speaking during an interview with the Austrian Press Agency APA, in Vienna, Austira, 02 August 2012. The Investment company TAP 09 and investor Haberleitner are the new owners of Schlecker-Austria. EPA/HERBERT NEUBAUER
Die Handelskette soll weitergeführt werden. Wie, ist offen, so wie viele andere Fragen auch.

Rudolf Haberleitner ist meist hektisch, spricht stets sehr schnell und ist nachweislich umtriebig. Der Firmenbuchauszug zu seiner Person weist 13 aktive Funktionen aus: Vom Gesellschafter eines Jagdgeschäfts in Maria Zell über die MCS Fashion GmbH in der Wiener City bis zur Geschäftsführung der TAP dayli VertriebsGmbH im oberösterreichischen Pucking. Letztere hat bekanntlich am Donnerstag den Insolvenzantrag gestellt. Jetzt sind die Masseverwalter am Wort, Haberleitner hat offiziell nichts mehr zu sagen. Der neue Mann bei dayli ist Martin Zieger. Der Ex-Palmers-Chef war zuvor mit Haberleitner auf Investorensuche für dayli. Dem Vernehmen nach auch in Italien, wo ihnen eine Million Euro abhandengekommen ist. Die Behörden ermitteln.

Haberleitners Sicht der Dinge weicht mitunter so stark von jener anderer Beteiligter ab, dass man sich fragt, ob vom selben Thema die Rede ist. Er gibt sich stets optimistisch und sieht selbst nach der dayli-Pleite das Konzept nicht als gescheitert an. Allerdings fühlt sich der Golfspieler und Jäger oft angegriffen. Etwa von der Politik und Gewerkschaft, die ihm die Sonntagsöffnung abgedreht haben. Der Staat hätte ihm die Hand reichen müssen, fand Haberleitner diese Woche: „Hätten wir die Schlecker-Filialen nicht einen Tag vor der Insolvenz übernommen, wären dem Staat in den vergangenen elf Monaten 55 Millionen Euro an Sozialkosten angefallen, die wir ihm mit der Übernahme der 3600 Mitarbeiter erspart haben.“

Währenddessen ging diese Woche eine Anzeige gegen Haberleitner an die Staatsanwaltschaft Wien. Ein Investor fühlt sich um 100.000 Euro betrogen, die er in Haberleitners MCS Fashion GmbH investiert hat. „Substanzloser Blödsinn“, findet Haberleitner. Man wolle ihm nur schaden. Die Staatsanwaltschaft Wels ermittelt wegen dem Firmengeld, das in Udine gestohlen wurde. Die Million wurde bei der Insolvenzeröffnung als „Forderung“ gegenüber dem Dieb verbucht, schreibt das profil. Kreditschützer gehen derzeit dem Verdacht auf Konkursverschleppung nach. Und Kurzzeit-dayli-Investor Novomatic hat mit seinem Ausflug in den Handel wohl mehr Geld verspielt als bisher gedacht. Zum bekannten 10-Millionen-Euro-Darlehen kommt laut profil ein 15 Millionen schwerer, nicht rückzahlbarer Gesellschafterzuschuss. Nach dem Ausstieg erhielt Novomatic demnach einen „Besserungsschein“.

Vor seiner Zeit bei dayli war Haberleitner in der breiten Öffentlichkeit unbekannt. Meldungen, wonach er vor allem klein- und mittelständische Betriebe beraten hat, weist der 68-jährige Niederösterreicher empört zurück: „So ein Unfug.“ Er habe „die größte Sanierung aller Zeiten in Europa im Handel gemacht“. Die Frage nach dem Namen des geretteten Konzerns bleibt unbeantwortet – er dürfe das nicht sagen. Unter anderem hätte er aber auch Junghans, Joop und Frikus beraten. Ein Geheimnis macht der zweifache Vater auch um seinen Doktortitel. An welcher Uni er diesen erworben hat, will er partout nicht verraten.

Neuer Eigentümer

Mit Martin Zieger hat Haberleitner quasi einen Überflieger an Bord geholt. Der ehemalige Chef von Palmers, Charles Vögele und Hunkemöller jobbte in jungen Jahren als Privatpilot und verdiente sein Geld als Groupier, wird erzählt. Derzeit ist er „sehr beschäftigt und nicht erreichbar“, lässt seine PR-Agentur ausrichten.

Rudolf Haberleitner beschäftigt nach der Pleite seiner Schlecker-Nachfolgegesellschaft dayli nicht nur Masseverwalter. Diese Woche hat der Wiener Rechtsanwalt Helmut Krenn eine Anzeige gegen Haberleitner bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Diese liegt dem KURIER vor. Darin heißt es, Haberleitner habe den Wiener Friedrich W. dazu bewogen, ihm seine „gesamten Ersparnisse anzuvertrauen“.

100.000 Euro

Genau genommen beteiligte sich W. demnach im Mai 2005 mit 70.000 Euro an Haberleitners MCS Fashion Gmbh mit Sitz im 1. Wiener Gemeindebezirk. Dazu kam ein Darlehen in Höhe von 30.000 Euro. Für die Einlage versprach Haberleitner laut Anzeige eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 5,5 Prozent des Jahresgewinns, für das Darlehen eine Verzinsung von drei Prozent. Der Anzeige zufolge leistete Haberleitner jedoch keine Zahlungen. Er „verstand es, mich immer wieder hinzuhalten“, fühlt sich W. um sein Geld betrogen. Schließlich riss dem Wiener der Geduldsfaden. Er klagte, bekam Recht und trotzdem kein Geld.

Stattdessen wurde ihm vom Anwalt der MCS Fashion GmbH Franz Guggenberger (auch Aufsichtsratschef bei der Schlecker-Nachfolgegesellschaft dayli) erklärt, dass die MCS zahlungsunfähig sein. „Jedenfalls ergibt sich aus den vorgelegten Bilanzen der MCS Fashion GmbH, dass diese Firma in den Jahren (jedenfalls ab Abschluss des Vertrages 2005) 2004 bis 2010 Bilanzverluste schrieb, was dem Anzeiger damals nicht bekannt war bzw. dem Anzeiger vom Angezeigten verheimlicht wurde, um diesen dazu zu bewegen, die stille Einlage zu gewähren und das Darlehen zuzuzählen“, heißt es in der Anzeige. Haberleitner war am Donnerstag nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Laut Firmenbuch vertritt Haberleitner die MCS Fashion GmbH seit dem Jahr 1996 selbstständig. Zuvor lief die Firma auf den Namen MCS Unternehmensbeteiligungen GmbH und AMAF (Asphaltmischanlage Fladnitztal GmbH).

Knapp ein Jahr hat das Gastspiel des davor fast unbekannten Investors Rudolf Haberleitner bei der Drogeriekette dayli angedauert. Seine Ankündigungen waren stets groß, doch schon von Beginn an wurden die Pläne des 68-Jährigen von vielen in Zweifel gezogen. Haberleitner wollte aus dem früheren Drogerieriesen Schlecker mit ramponiertem Image einen Nahversorger bauen, ein Bauchladen-Geschäft, das vom Autoservice bis zur Zahnbürste alles anbietet. Gescheitert sind daran schon andere, Sonntagsöffnung hin oder her.

Haberleitner und seine dayli-Soap
APA12233094 - 09042013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WI - dayli-CEO Rudolf Haberleitner am Dienstag, 09. April 2013, anl. der PK "Sonntagsöffnung - dayli-Management komplett - Neue Shops - Start in Deutschland" in Wien. In Österreich betreibt Haberleitner rund 900 ehemalige Schlecker-Filialen unter der Marke dayli. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
31. Juli 2012- Nach dem endgültigen Aus von Schlecker in Deutschland übernimmt Rudolf Haberleitner über die Restrukturierungsgesellschaft TAP 09 (TAP steht für Turnaround Platform) 1.350 Schlecker-Standorte in Österreich, Italien, Polen, Belgien und Luxemburg. Allein in Österreich können mehr als 3.000 Beschäftigte aufatmen, wenngleich die österreichische Schlecker-Tochter selbst von der Insolvenz nicht betroffen war. Die neuen Eigentümer geben der Drogeriekette den Namen daily. Aus markenrechtlichen Gründen wird der Name kurz später in dayli umbenannt, was dem neuen Investor viel Spott einbringt.

15. August 2012 - Haberleitner holt sich den langjährigen dm-Manager Peter Krammer als operativen Vorstand an Bord. Er selbst fungiert als Vorstandsvorsitzender (CEO). Erst im Mai 2013 ist das dayli-Management mit dem Einzug von Hanno Rieger, ehemaliger Österreich-Chef bei Lidl, als CMO ("Chief Marketing Officer") und Andreas Bachleitner, zuletzt Adeg-Vorstand, als Finanzvorstand (CFO) komplett.

23. November 2012 - Völlig überraschend steigt der Glücksspielkonzern Novomatic zu 50 Prozent als Finanzinvestor bei dayli ein. In der Glücksspielbranche wird der Einstieg als kluger Schachzug gewertet. Der niederösterreichische Konzern könnte sich so langfristig Standorte für Glücksspielsalons sichern, im Falle, dass dayli-Filialen zusperren, könnte Novomatic als Eigentümer laufende Mietverträge des Einzelhändlers übernehmen, wurde damals spekuliert. Später wird bekannt, dass Novomatic für seinen Anteil 1 Euro sowie ein Darlehen von 10 Mio. Euro gezahlt hat.

30. Dezember 2012 - Haberleitner kündigt an, rund 600 ehemalige Schlecker-Filialen in Deutschland reaktivieren zu wollen. Bereits im Frühjahr sollen die ersten Filialen öffnen. Der Deutschland-Start muss wegen fehlender Finanzmittel mehrmals verschoben werden. Wegen fehlender Unterstützung in Österreich stellt Haberleitner die Übersiedelung des Firmensitzes nach Deutschland in den Raum und droht mit dem kompletten Rückzug aus Österreich. Bis dato wurde noch kein einziger dayli-Standort in Deutschland eröffnet.

17. Jänner 2013 - dayli macht in Pöggstall (NÖ) und Linz-Ebelsberg die ersten Filialen mit dem neuen Nahversorgerkonzept auf. In den Regalen findet sich ein Sammelsurium aus frischem Obst und Gemüse, Mehl, Soja-Desserts, Fertiggerichten, Kochlöffel, Pfannen, Aktenordner, Kosmetik- und Hygieneartikeln, Zigaretten, Zeitschriften, Kleidung usw. Haberleitner stellt auch Dienstleistungen vom Einkaufskorb heimtragen, Fotodrucken, Scannen und Faxen bis zu Beratungen im Versicherungsbereich und Leihwägen in Aussicht. In den neuen Filialen gelten auch neue Öffnungszeiten, am Sonntag von 9.00 bis 18.00 Uhr und unter der Woche je nach Standort von 7.00 bis 20.00 Uhr. Die gesetzliche Grundlage dafür sieht das Unternehmen in einer Gastronomiekonzession geschaffen, zumal jeder Standort über ein Bistro verfügen soll. Das ist der Beginn eines monatelangen Streits um die Sonntagsöffnung.

9. April 2013 - Auf der ersten Pressekonferenz seit der Übernahme kündigt das dayli-Management an, in Österreich in allen damals 885 Filialen Sonntags aufsperren zu wollen und legt sich damit mit Gewerkschaft, Kirche und Politik an. Außerdem räumt Haberleitner einen Finanzbedarf von 114 Mio. Euro allein für 2013 für den Umbau bestehender Filialen sowie für Neueröffnungen ein.

25. April 2013 - Miteigentümer Novomatic schaltet sich in den Streit um die Sonntagsöffnung ein und pfeift dayli zurück. Bis die Rechtslage eindeutig geklärt ist, lasse dayli seine Geschäft am Sonntag zu, so Novomatic damals.

Haberleitner und seine dayli-Soap
26. April 2013- Eine Gesetzesänderung vereitelt die Pläne zur Sonntagsöffnung. Nach Anzeigen und Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs schiebt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) allem einen Riegel vor und ändert die Gewerbeordnung dahingehend, dass der sonntägliche Warenverkauf mit Gastgewerbekonzession künftig nur dann erlaubt ist, wenn der Charakter des Betriebes als Gastgewerbe auch tatsächlich gegeben ist. Es reiche also nicht aus, als Drogeriemarkt "einen Getränkeautomat aufzustellen und Leberkassemmeln zu verkaufen", argumentiert Gewerkschafter Wolfgang Katzian (SPÖ).

18. Mai 2013 - dayli hat Finanzierungsprobleme und ersucht deshalb seine Lieferanten um einen Zahlungsaufschub.

22. Mai 2013 - Novomatic gibt in der Nacht bekannt, aus seiner Beteiligung an dayli wieder auszusteigen und seinen Hälfteanteil an den Firmengründer Rudolf Haberleitner zurückzugeben. Der Glücksspielkonzern stellt das gewährte Darlehen in der Höhe von 10 Mio. Euro nicht sofort fällig und bleibt damit als "Finanzinvestor" an Bord.

23. Mai 2013 - dayli-Vorstand Peter Krammer kündigt an, in den nächsten Tagen bis Wochen einen neuen Investor präsentieren zu wollen.

27. Mai 2013 - Kreditschützer äußern ernsthafte Bedenken über die Geschäftsentwicklung und werten die Bitte um Zahlungsaufschub als "Eingeständnis drohender Insolvenz".

29. Mai 2013 - dayli meldet 560 Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice (AMS) an und gibt bekannt, rund 180 der 885 Filialen in Österreich zu schließen. Außerdem wird das Aus für das Verteilerzentrum Gröbming in der Obersteiermark mit 68 Mitarbeitern vermeldet.

20. Juni 2013 - Die Drogeriemarktkette baut 336 Mitarbeiter ab und gibt bekannt, 103 Filialen zu schließen.

28. Juni 2013 - Bei dayli spitzt sich die Lage weiter zu. Ende des Monats sind Gehälter sowie Urlaubsgeld für rund 3.000 Mitarbeiter in Österreich fällig. Zusätzlich müssen gestundete Lieferantenverbindlichkeiten bedient werden.

30. Juni 2013 - Für den Firmeneigentümer wird "die Zeit extrem knapp". Es soll noch "laufende Gespräche" mit Investoren geben. Erneute Kritik übt Haberleitner an den heimischen Banken, die ihm keinen Kredit gewähren wollten.

01. Juli 2013 - Die Juni-Gehälter und Urlaubsgelder werden nicht fristgerecht ausbezahlt. dayli-Lieferanten drohen damit, den Insolvenzantrag zu stellen. Firmenchef Haberleitner wird in Italien von vermeintlichen Geschäftspartnern um eine Million Euro geprellt. Im Raum steht auch ein Verdacht auf Geldwäsche. Haberleitner könnte deswegen von der Wiener Polizei im Auftrag der italienischen Behörden befragt werden.

3. Juli 2013 - Dem Kreditschutzverband 1870 wird das Hin und Her um die Drogeriekette zu viel. Der Konkursantrag wird vorbereitet.

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