Griechenland will mehr Zeit
Griechischer Anwalt müsste man sein. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von 1558 Euro im Monat können es sich die Rechtsvertreter leisten, 1647 Euro an Kreditraten zu zahlen. Eine ähnliche Diskrepanz zwischen den Einkommen und den Kreditzahlungen gibt es bei Selbstständigen im Handel, bei Finanzdienstleistern und Ärzten. Wundersame Geldvermehrung? Nein, Steuerhinterziehung. Auf die genannten Werte kommt Adair Morse, Professorin an der Uni von Chicago (Booth School of Business), die mit zwei Kollegen für eine Studie unter die Lupe genommen hat, welche Einkommen die griechischen Freiberufler und Selbstständigen für die Steuer angeben. Sie stellten fest: In Wahrheit sind die Einkommen um fast zwei Mal höher. Absolute Steuerehrlichkeit würde dem griechischen Staat zusätzliche 11,2 Milliarden Euro pro Jahr bringen.
Die 54-Seiten-Studie zeigt, dass es Griechenland nicht und nicht schafft, der Steuerhinterziehung Herr zu werden. Für den griechischen Regierungschef Antonis Samaras kommt die Studie derzeit mehr als ungelegen. Will er doch die Geldgeber im Euroraum davon überzeugen, dass sich Griechenland an alle Auflagen hält – zu denen auch der Kampf gegen Steuerhinterziehung und rasche Privatisierungen gehören – und daher weiter mit Hilfszahlungen unterstützt werden soll.
Mehr Zeit
Klar äußerte sich Mittwochabend Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker nach dem Treffen mit Samaras in Athen: Es werde kein drittes Hilfspaket für Griechenland geben. Die Einlösung der versprochenen Reformen und Sparziele "ist die letzte Chance" Griechenlands, sagte Juncker. Ob Griechenland mehr Zeit zur Erfüllung seiner Sparziele erhalte, werde vom Ergebnis des Troika-Berichts abhängen. Die Entscheidung darüber werde laut Juncker nicht vor Oktober fallen.
Erneut betonte der Eurogruppen-Chef, dass er "rasche Privatisierungen" und "mehr Glaubwürdigkeit" von Athen erwarte, aber "absolut" dagegen sei, "dass Griechenland aus der Euro-Zone austritt".
Der Besuch des Christdemokraten Juncker beim Parteifreund Samaras war der Auftakt eine Reihe von Gesprächen, die der griechische Regierungschef mit EU-Partnern führt.
Freitag und Samstag stehen Besuche bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und beim französischen Präsidenten François Hollande auf dem Programm. Mit der Tour will Samaras vor allem eines erreichen: mehr Zeit für das Umsetzen von Reformen und Sparzielen
Griechenland: Katastrophale Daten
Bruttoinlandsprodukt Die Wirtschaftsleistung ist in den vergangenen vier Jahren um mehr als 20 Prozent geschrumpft. Heuer ging es im ersten Quartal um 6,5 Prozent, im zweiten Quartal um 6,2 Prozent nach unten. Nur Optimisten glauben, dass der Tiefpunkt bereits erreicht ist.
Arbeitslosigkeit Die Arbeitslosenrate ist zuletzt auf mehr als 23 Prozent gestiegen. Knapp 55 Prozent der Jugendlichen sind ohne Job.
Schulden Trotz Schuldenerlass durch Privatgläubiger macht die Staatsverschuldung heuer mehr als 160 Prozent des BIP aus.
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