Griechenland: Neue Hilfe oder Pleite
Die Arbeitslosenrate ist mit 20,9 Prozent so hoch wie nie. Bei den Jungen hat fast jeder Zweite keinen Job. Die Zahl der Obdachlosen nimmt erschreckend zu. Die Wirtschaftskraft schwindet wie Schnee in der Sonne. Das Land kämpft das fünfte Jahr mit einer Rezession, die Wirtschaftsleistung ist seit 2008 bereits um geschätzte 16 Prozent geschrumpft. Die Staatsschulden sind längst über den Kopf gewachsen. Griechenland liegt am Boden.
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: Der Staatsapparat ist nach wie vor ineffizient und aufgebläht. Rund 750.000 Griechen sind im öffentlichen Dienst beschäftigt, weitere 600.000 in Staatsbetrieben. Der überall präsenten Steuerhinterziehung konnte noch niemand Herr werden. Wer keine Steuern zahlt, gilt nahezu als Held. Reformen werden, wenn überhaupt, nur zögerlich angegangen. Es fällt immens schwer, lang gewohnte Strukturen zu verändern. Nicht zuletzt die Militärausgaben sind für das kleine Land viel zu hoch.
Im mittlerweile zwei Jahre währenden Griechenland-Drama gibt es viele Akte und Szenen. Der nächste Akt ist für Montag angesetzt. In Brüssel sollen die Euro-Finanzminister darüber entscheiden, ob Griechenland ein weiteres Paket an Kredithilfen in Höhe von 130 Milliarden Euro bekommt. Bis zuletzt war nicht klar, ob es tatsächlich zu einer Entscheidung kommt. Der KURIER hat die derzeit brennendsten Fragen zusammengefasst:
Das Griechen-Drama ist nicht neu. Warum drängt jetzt die Zeit so sehr?
Am 20. März muss Griechenland Staatsanleihen in Höhe von rund 14,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Das Geld dafür ist nicht da. Daher müssen zwei Dinge jetzt sehr rasch passieren: Sollten die Euro-Finanzminister am Montag grünes Licht geben, könnte das Anleihen-Umtauschprogramm Griechenlands an seine privaten Gläubiger bald starten. Diese sollen dann von 8. bis 11. März Zeit, ihre Teilnahme oder Ablehnung zu erklären. Wie berichtet, sollen die Privaten (wie Banken, Versicherungen und Hedgefonds) auf Forderungen in Höhe von 100 Milliarden Euro verzichten.
Reicht es denn nicht, Griechenland 100 Milliarden Euro zu erlassen?
Wahrscheinlich nicht. Zuerst einmal: Der Verzicht der Privaten ist freiwillig und es ist keineswegs ausgemachte Sache, dass ausreichend viele Private mitmachen. Und außerdem: Ursprünglich war man davon ausgegangen, dass durch den freiwilligen Verzicht die Staatsverschuldung Griechenlands bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung (jetzt 160 Prozent) gedrückt werden kann. Die tiefe Rezession im Land macht es nahezu unmöglich, das 120-Prozent-Ziel zu erreichen.
Werden auch die staatlichen Kreditgeber wie Österreich auf Geld verzichten müssen?
Möglicherweise. Von Eurostaaten hat Griechenland bisher 52,9 Milliarden Euro in Form von bilateralen Krediten bekommen, auf Österreich entfielen davon 1,56 Milliarden Euro. Weitere 20,1 Milliarden Euro kamen vom Internationalen Währungsfonds. Um das Land nicht komplett kaputt zu sparen, kann es durchaus sein, dass diese Kredite erstreckt oder teilweise nachgelassen werden müssen. Das Problem dabei: Eine teilweise Entschuldung Griechenlands durch die Kreditgeber aus der Eurozone widerspricht dem EU-Vertrag. Laut diesem Vertrag darf kein Land die Schulden eines anderen übernehmen. Da müssten sich die Politiker reichlich Tricks überlegen, um diese „No-Bailout“-Klausel zu umgehen.
Bei wem ist Griechenland eigentlich sonst noch verschuldet?
Der Schuldenberg des Landes ist mittlerweile 350 Milliarden Euro hoch. Rund 50 Milliarden Euro schuldet der Staat griechischen Banken, weitere 50 Milliarden griechischen Versicherungen. 50 bis 55 Milliarden Euro dieser Anleihen hat die Europäische Zentralbank (EZB) aufgekauft, um die Kurse zu stützen. Der überwiegende Rest (abgesehen von den genannten Hilfskrediten) entfällt auf ausländische Großinvestoren wie Banken, Versicherungen und Fonds.
Hat Griechenland mit einer neuerlichen Hilfe tatsächlich eine Chance, wieder auf die Beine zu kommen?
Ja, aber: Weitere Finanzhilfen machen nur Sinn, wenn sich an den Strukturen im Land etwas ändert. Liberalisierungen, Privatisierungen, der Rückbau des Staates – all das muss tatkräftig angegangen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. „Es macht keinen Sinn, Hilfe in ein Fass ohne Boden zu schütten. Ich bin sehr für Solidarität und Hilfe. Aber das Fass muss einen Boden haben. Im Fall Griechenland müssen wir noch daran arbeiten, dass der Boden hinreichend dicht ist.“ So formulierte es der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble in einem Interview.
Was ist mit dem Rest von insgesamt 37 Milliarden Euro, der noch aus dem ersten Hilfspaket von 110 Milliarden offen ist?
Sobald es grünes Licht für das jetzt diskutierte zweite Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro gibt, übernimmt der Rettungsfonds EFSF die Finanzierung Griechenlands. Die restlichen bilateralen Kredite (aus Österreich wären noch 0,7 Mrd. Euro offen), sind hinfällig.
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