Griechenland kündigt 15.000 Staatsdiener

Die Koalition bestand die Zerreißprobe und billigte das umstrittene Gesetz.

Die konservative Athener Zeitung Kathimerini schrieb im Vorfeld der Abstimmung von einem „Meilenstein-Votum“, und das wurde es dann auch: Die griechischen Parlamentarier beschlossen in der Nacht zum Donnerstag ein Sparprogramm, das auch Massenkündigungen von Staatsbediensteten ermöglicht. 15.000 sollen bis Ende kommenden Jahres gefeuert werden, beginnend bei Lehrern, Schulwarten sowie Gemeindeangestellten.

Das Votum hatte als Zerreißprobe für die konservativ-sozialdemokratische Koalition gegolten. Denn nicht nur Mandatare der Opposition kritisierten das Vorhaben, erstmals seit mehr als 100 Jahren Staatsbedienstete zu kündigen, sondern auch Abgeordnete des Regierungslagers. Dieses hat nur eine hauchdünne Mehrheit von fünf Parlamentariern.

Aber noch vor Ende der Abstimmung wurde bei der namentlichen Abstimmung die Mehrheit von 152 der 300 Abgeordneten für das Sparpaket gezählt. Das offizielle Ergebnis sollte später bekannt gegeben werden.

Das Damoklesschwert, das über den Volksvertretern gehangen war: Bei einem Scheitern des Gesetzes wäre die nächste Rate der Finanzhilfe in der Höhe von 2,5 Mrd. bis Ende Juli nicht zur Auszahlungen gelangt. Und die eben erst zusammengeschweißte Regierung wäre vor ihrem Ende gestanden.

Proteste

Begleitet wurde die Parlamentsdebatte von wütenden Protesten. Gewerkschaften hatten zu Demonstrationen vor dem Parlament aufgerufen. Am Vormittag hatten Kommunalpolizisten in der Athen mit Auto- und Motorradkorsos gegen ihre mögliche Kündigung protestiert.

Griechenland kündigt 15.000 Staatsdiener

GREECE GENERAL STRIKE
Griechenland kündigt 15.000 Staatsdiener

Parliamentarians of the anti-bailout radical lefti
Griechenland kündigt 15.000 Staatsdiener

GREECE GENERAL STRIKE
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GREECE GENERAL STRIKE

Um den scharfen Gegenwind zumindest etwas zu bremsen, hat der konservative Regierungschef Antonis Samaras eine Steuersenkung bekannt gegeben: Mit 1. August soll der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie von 23 auf 13 Prozent gesenkt werden.

Bei der Sitzung der Eurogruppe vergangene Woche hatte Finanzministerin Maria Fekter einen Wunsch: Man solle Griechenland rasch so versorgen, dass bis Herbst keine Sondersitzungen notwendig seien. „Ich würde ungern wieder im Sommer nach Brüssel kommen“, sagt Fekter. Ihr Wunsch dürfte sich zwar erfüllen. Doch von Entspannung in und um Griechenland kann keine Rede sein.

Finanzierungslücke

Die Koalition in Athen stand in der Nacht auf Donnerstag vor einer Zerreißprobe. Zuvor bestätigte die EU-Kommission am Mittwoch, dass man im Herbst eine Finanzierungslücke im Hilfsprogramm wird schließen müssen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt von einem Zehn-Milliarden-Loch – „diese Summe ist falsch“, sagt ein Sprecher der Kommission, es gehe eher um die Hälfte. In den aktuellen Berichten der Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist von 2,8 bzw. 4,6 Milliarden die Rede. „Eine genaue Einschätzung werden wir im Herbst haben“, sagte der Kommissionssprecher. Im Finanzministerium in Wien heißt es, man habe noch keine Informationen erhalten.

Es ist keinesfalls so, dass Griechenland in den nächsten Wochen das Geld ausgeht. Doch es zeichnet sich ab, dass dies im zweiten Halbjahr 2014 so weit sein wird. Weil der IWF nur bei Hilfsprogrammen mitzahlen darf, wenn die Finanzierung des Staates für zwölf Monate gesichert ist, muss die Lücke, die sich in einem Jahr auftut, jetzt geschlossen werden. Ein Ausstieg des IWF würde das gesamte Hilfsprogramm gefährden, da manche Länder ihre Zustimmung an dessen Beteiligung geknüpft haben.

Eigentlich sollten die Hilfsgelder bis Ende 2014 reichen. Doch sie wurden schneller verbraucht als geplant: Um zehn Milliarden wurden Staatsanleihen auf Ramschniveau gekauft, um den Schuldenberg abzutragen; die Privatisierung von Staatsbetrieben läuft zu langsam; es gibt kaum Fortschritte bei der Steuereintreibung.

Deutschland droht

Die schleppenden Reformen erklären auch die Reaktion des deutschen Finanzministeriums: Dort wollte man nichts von einer Lücke wissen. Vielmehr stelle sich die Frage, ob Griechenland die Bedingungen für die Auszahlung der nächsten schon vorhandenen Hilfsgelder erfülle, sprich: den öffentlichen Sektor rasch genug zurechtstutzt.

Woher die fehlenden Milliarden kommen sollen, wird man – so wie einen möglichen neuen Schuldenschnitt – erst nach den Wahlen in Deutschland klären können, heißt es in Brüssel. In Kommissionskreisen gibt es aber Hoffnung, dass bis dahin ein Teil des Geldes „auftaucht“: Von den 50 Milliarden, die zur Stützung und Abwicklung griechischer Banken bereitgestellt wurden, könnte etwas übrig bleiben.

Kurz vor der Wahl kommt die Unruhe aus Griechenland so zur Unzeit für Kanzlerin Merkel wie der Snowden-Verrat. Denn nun schauen nicht nur bürgerliche und Wirschaftspresse, sondern auch die bisher toleranten linken deutschen Medien genauer auf die verschleppten und gebrochenen Versprechen Athens.

Warnungen von Wirtschaftsforschern, auch den Regierungsberatern, vor Illusionen hatte es genug gegeben. Doch auch Merkel ignoriert diese offiziell: Die Illusion der Rückzahlung von Athens Giga-Schulden von 230 Milliarden Euro als solche zu benennen, irritiert vor allem ihre Wähler der Mittelschicht – und weniger die der Opposition.

Neuer Schuldenschnitt

Weil Deutschland direkt und indirekt an die 30 Prozent an den Schulden hält, ist auch jeder Gedanke an den neuen, überfälligen Schuldenschnitt verpönt. Doch alle Insider in Berlin und in der Wirtschaftsmetropole Frankfurt wissen, dass der bald nach der Wahl kommt, spätestens aber 2014. Da werden dann deutsche Steuerzahler Dutzende Milliarden Euro verlieren.

Diese bittere Wahrheit will auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Landsleuten keinesfalls zumuten. Bei seinem Kurzbesuch heute, Donnerstag, in Athen wird er stur die Einlösung der griechischen Versprechungen einmahnen.

Doch die letzte Konsequenz, das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, ist für Merkel tabu: Sie fürchtet weiter die Ansteckung im Euro-Süden. Intern hat sie daher längst Athens „Durchfüttern für zehn Jahre“ aufgetragen.

Nur sagen kann sie das nicht, wie die Opposition drängt: Weder in Athen, das sofort auch Mini-Reformen unterlassen würde, noch zu Hause.

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