Globalisierung: Made in A wie Asia
Wolfgang Eder wird nicht müde zu warnen: Die europäische und österreichische Industrie stehen – betont der Chef der voestalpine bei jeder Diskussion über den Industriestandort Europa – vor dem Niedergang. Vor allem Asien und in der jüngeren Vergangenheit auch die USA werden als Produktionsstandort attraktiver. Die USA vor allem wegen der im Verhältnis zu Europa niedrigen Energiepreise (Stichwort Schiefergas), aber auch wegen steigender staatlicher Förderungen für Ansiedlungen. Asien und dort in erster Linie China sind unter anderem wegen der noch immer deutlich günstigeren Lohnkosten interessant. Und in Kombination mit dem riesigen Markt ist China für Produktionen europäischer Konzerne heiß begehrt. In Europa verleiden hohe Energiepreise und zunehmende Umweltauflagen vor allem der Schwerindustrie die Lust auf Investitionen.
Abwanderung
In den meisten Fällen werden mit dem Gang nach Asien oder USA keine Produktionen in Österreich ersetzt. Mit Ausnahmen: Der steirische Leiterplatten-Hersteller AT&S hat seine Fertigung in der Steiermark aus Kostengründen drastisch zurückgefahren und dafür die Produktion im Schanghai stark ausgebaut. Mittlerweile produziert AT&S die großen Volumina bereits ausschließlich in China.
Als größter Textilmarkt der Welt ist das Reich der Mitte auch für den Faserhersteller Lenzing der wichtigste Absatzmarkt für Viskose. Bis 2020 will man zwei Drittel des Umsatzes in Asien erwirtschaften und sich „asiatischer“ ausrichten. Das Lenzing-Werk in Indonesien produziert bereits mehr Fasern als das Stammwerk in Lenzing, wo ein Kahlschlag beim Personal bevorsteht (siehe Artikel hier).
Zu Lasten der heimischen Standorte ging der Ausbau in China beim Feuerfest-Konzern RHI, der Hochöfen, Stahlschmelztiegel oder Zementöfen feuerfest auskleidet. Dafür wurden in Österreich und in den anderen europäischen Werken Fertigungslinien stillgelegt. Bei der voestalpine beginnen sich die Standort-Nachteile in nur noch bescheidenen Investitionen in Österreich und Europa auszuwirken. Von jeweils einer Milliarde Euro 2014 und 2015 fließt der Großteil in ein Eisenschwamm-Werk in den USA, in Asien werden in den nächsten zwei Jahren 15 neue Werke gebaut.
Ein schon fast asiatisches Unternehmen ist auch der Gummi-Konzern Semperit. 7500 der 10.000 Mitarbeiter arbeiten in Asien. Die Latex-Handschuh-Sparte Sempermed mit zwei Werken in Malaysia und Thailand wird von Singapur aus gesteuert. Insgesamt steht die heimische Industrie noch relativ gut da. In den Krisenjahren 2009 und 2010 schrumpfte die Beschäftigtenzahl zwar deutlich auf 420.000 Mitarbeiter. 2012 stieg sie aber wieder auf 434.000 an.
Lenzing verlagert noch mehr Produktion nach Asien, die Voest zieht es nach Texas. Fernost lockt mit billiger Produktion und boomenden Märkten, die USA mit niedrigen Steuern und günstiger Energie. Was nun? Niemand kann wollen, dass Europa Dumpinglöhne einführt, um produzierende Unternehmen zu halten. Die Erzeugung simpler Produkte wird man kaum mehr zurückholen können. Umso mehr müssen Länder wie Österreich eine Zukunftsvision entwickeln (die Regierungsbildung böte sich dazu an). Dazu gehört, etwas gegen die postmoderne Wirtschafts- und Industriefeindlichkeit zu unternehmen. Dazu müsste auch eine noch aktivere Ansiedelungspolitik zählen, anstatt Firmen mit bürokratischen Schikanen, überzogenen Umweltauflagen und endlosen Steuerdiskussionen zu vertreiben.
Auch im Bildungswesen soll ruhig einiges, das gelehrt wird, auf seinen Nutzen überprüft werden. Hierzulande ist die Gefahr ja gering, dass Schulen und Unis rein ökonomischen Interessen unterworfen werden. In Sachen Umwelttechnologie zum Beispiel könnte Österreich auf seinen guten Ruf aufbauen: Fördern wir Ausbildungen dafür, bilden wir Cluster, erleichtern wir die Gründung von Start-ups. Wenn sich die Vision aber darin erschöpft, Autos (und irgendwann auch die Autoindustrie) zu vertreiben, wird der Standort bald tatsächlich „abgesandelt“ sein.
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