Global Chamber Platform: Christoph Leitl goes international
Eurochambres-Chef lobbyiert ab 2022 auf globaler Ebene: Vermittlungsbemühungen im Handelskonflikt China-USA, länderübergreifende Lehre gegen die Jugendarbeitslosigkeit
Trotz seiner 72 Jahre hat Christoph Leitl nichts von der Dynamik und Leidenschaft verloren, mit der er sich seit Jahrzehnten für die heimische Wirtschaft engagiert. Zu Jahresende 2021 wird sich der Interessensvertreter, der 18 Jahre lang den Wirtschaftsbund (ÖVP) und Wirtschaftskammer Österreich steuerte, auch als Präsident der Eurochambres, des Dachverbandes der europäischen Industrie- und Handelskammern, zurückziehen. Nach zwei Funktionsperioden ist dort statutengemäß Schluss.
Wer allerdings glaubt, das war’s jetzt, der irrt. „Wir stehen immer am Anfang“, gemäß seinem Lebensmotto schlägt der oberösterreichische Unternehmer das nächste Karriere-Kapitel auf. Er wird im Präsidium der Eurochambres zuständig für die Global Chamber Platform.
Abwechslungsreiche Karriere
Leitl goes international, sozusagen. Das ist die vorläufig – man weiß ja nie, was bei Leitl noch kommt – letzte Station einer abwechslungsreichen Karriere. Die als linker, studentischer Revoluzzer beginnt, ihn ins elterliche Baustoffunternehmen führt, dann in die oberösterreichische Politik als Wirtschaftslandesrat, weiter an die Spitze der Wirtschaftskammer und zuletzt auf die europäische Ebene als Präsident einer der größten Wirtschaftsorganisationen in Brüssel – mit 20 Millionen Unternehmen als Mitglieder.
In der Global Chamber Platform sind 100 Millionen Unternehmen mit einer Milliarde Mitarbeitern vertreten. Dort funktioniert, abseits von der Politik, die internationale Kooperation. „Wenn die Wirtschaftskammer-Präsidenten von USA, Israel und Iran bei einem Meeting in Frankreich zusammen sind und sich gut verstehen, dann weiß man, welche Kraft in wirtschaftlichen Verbindungen steckt“, schwärmt Leitl. Die Wirtschaft sei „die Ruhe des Sees, die Politik macht die Wellen. Aber uns allen muss klar sein, dass sich jedes Land schadet, wenn es seiner Wirtschaft schadet“.
Vermittler
Im Fokus steht der Handelskonflikt mit China. Österreichs Importe aus China belaufen sich auf 10 Milliarden Euro, um vier Milliarden wird exportiert, 1000 heimische Unternehmen sind in China investiert oder haben dort Niederlassungen. „Wenn die USA versuchen, Europa auf ihre Seite zu ziehen, ist das aus US-Sicht verständlich, aber aus europäischer Sicht abzulehnen“. China trete „sehr fordernd“ auf und halte einige Spielregeln nicht ein, die USA „haben beinhart ihre Interessen im Auge und sehen Europa als Beiwagerl“.
Derzeit versucht Leitl, die beiden Großmächte wirtschaftlich an einen Tisch zu bringen. Konkret gehe es darum, die American Chamber of Commerce und das CCIPT, das China Council für internationalen Handel und Investitionen, zur Zusammenarbeit zu bewegen. Mit den USA hat Leitl bereits darüber gesprochen und grundsätzliche Bereitschaft geortet.
Gut vernetzt
Wer solange schon als Wirtschaftsvertreter um die Welt tourt wie Leitl, ist bestens vernetzt und bewegt sich auf dem internationalen Parkett trittsicher. Die Ehrenmitgliedschaft beim CCPIT und der Status als Ehrenbürger von New York sind sicher hilfreich. Auf der Agenda stehen drei Schwerpunkte. „Fairer Handel, faire Besteuerung und faire Umweltbedingungen. Ein Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China, der Rückzug ins Nationale, das muss unbedingt vermieden werden“.
Zum Vergleich: China wird für 2021 ein Wirtschaftswachstum von neun Prozent prognostiziert, die USA rechneten zuletzt mit sieben Prozent und die EU mit drei Prozent. 45 Prozent aller Patente weltweit werden bereits von China angemeldet, 19 Prozent von den USA und kümmerliche sechs Prozent von der EU.
Internationale Lehre
Besondere Sorgen bereitet Leitl in Europa die hohe Jugendarbeitslosigkeit, teilweise bis zu 50 Prozent. Er schlägt vor, dass Jugendliche aus besonders betroffenen Ländern einen Teil ihrer Ausbildung in Österreich absolvieren können. Im Rahmen des dualen Ausbildungssystems in Schule und Betrieb. „Die jungen Menschen können den theoretischen Teil zu Hause machen und anschließend für ein Jahr nach Österreich kommen. Auf einem europäischen Arbeitsmarkt brauchen wir auch europäische Ausbildungsprogramme“. Zu erwartender Kritik von Gewerkschaftsseite hält Leitl entgegen, dass Entlohnung und Arbeitsbedingungen genau in den Kollektivverträgen geregelt seien.
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