Gigant China ist weltweit auf großer Shoppingtour

Der Exportweltmeister China will global in der Wirtschaft Fuß fassen. Von Interesse ist alles von Hightech bis billige Bodenschätze.

Europa, oh! Österreich! Ein schönes Reiseziel", schwärmen gebildete Leute in Peking von Wien, Berlin oder Paris. Die Zahl derer, die nach Abzug von Miete und den steigenden Kosten für Lebensmittel noch Geld übrig haben, wächst. Das Vertrauen, aus eigener Kraft vorwärtszukommen, ist vor allem bei den Städtern groß.

Autos sind Statussymbole. Schicke Bars sind angesagt, auch Ausflüge - in europäischer Outdoor-Markenkleidung. Und eben Reisepläne: In Sisis Heimatstadt, zum Eiffelturm und zum Brandenburger Tor.

"Going global" lautet seit zehn Jahren auch eine Strategie der kommunistischen Regierung. Doch hat Premier Wen Jiabao weniger historische Sehenswürdigkeiten, sondern die hoch technologisierten Staaten Europas als Ort für lukrative Investitionen im Visier.

Eigeninteresse

Den maroden Ländern wie Griechenland, Spanien und Ungarn stellt China bereitwillig den Kauf von Staatsanleihen in Aussicht. Im eigenen Interesse: Die EU ist der wichtigste Handelspartner des Exportweltmeisters. Das Handelsvolumen soll bis 2015 auf 800 Milliarden USD verdoppelt werden. Dazu kommt, dass die enormen Devisenreserven von rd. 2622 Milliarden USD (1861 Mrd €) breiter gestreut angelegt werden wollen. China veröffentlicht keine exakten Daten. Experten schätzen aber, dass ein Viertel davon auf Euro lauten.

Die Misere mancher EU-Staaten sowie der Streit über die Anhebung der Schuldengrenze in den USA zwangen Peking förmlich, seinen Schuldnern weiter unter die Arme zu greifen und zuletzt in den USA mehr Zuverlässigkeit einzumahnen. Weitet sich die Krise aus, verlieren Chinas Investitionen an Wert. Politische Interessen stehen bisher nicht im Vordergrund.

Peking geht in Europa sehr zielstrebig vor: "Osteuropa gilt als Einfallstor für europäische Märkte", sagt China-Experte Eberhard Sandschneider zum KURIER. In diesen "jungen Staaten mit sich erst entwickelnden Volkswirtschaften" glaubt man schneller präsent sein zu können als in etablierten Volkswirtschaften der alten EU-Mitgliedsstaaten. Dort hat es China etwa auf Autoindustrie (z. B. Volvo u. Saab in Schweden, Rover in Longbridge/GB) abgesehen, auf Häfen (Italien, Griechenland) sowie auf Hightech made in Germany.
Die USA , die mit einer Billion Dollar bei China verschuldet sind, sorgen in Peking auch politisch für Ärger: Präsident Obama hat den Dalai Lama, Chinas Staatsfeind Nummer eins, empfangen.

In Afrika ist China längst auf Einkaufstour und hat die USA als Wirtschaftspartner Nummer eins verdrängt. Der Handel zwischen Afrika und China stieg 2010 auf weit über 100 Milliarden USD an. Rund eine Million chinesische Fachkräfte arbeiten dort - oft zum Unmut der Einheimischen, die selber Geld verdienen möchten.

Ob im Sudan, in Simbabwe, Angola oder im Kongo: Die Frage nach der Einhaltung der Menschenrechte oder nach erträglichen Arbeitsbedingungen wird nicht gestellt. "Die Chinesen bieten attraktive Lösungen aus einer Hand, ohne politische Forderungen. Da können wir Europäer gar nicht mithalten", klagt ein Diplomat aus der EU. Für die Ausbeutung der Bodenschätze - Erdöl, Kupfer, Bauxit und Uran - schnürt Peking ein Paket aus Krediten und sehr konkreten Projekten. So werden Straßen und Kraftwerke gebaut, aber auch Paläste für die Diktatoren.

Wahres Eldorado für die dringend benötigten Rohstoffe ist Australien. Peking schätzt die geringe Bürokratie und die kurzen Wege beim Transport nach China. Nicht immer sind sich australische Politiker aber darüber einig, ob das Engagement Chinas mehr nützt oder schadet. Nicht zuletzt die geografische Nähe schürt die Sorge vor mehr Einflussnahme.
Lateinamerika liefert nicht nur Bodenschätze, sondern ist auf dem Weg, Chinas Kornkammer zu werden.

Ob Chinas Aufholjagd so weitergeht, hängt davon ab, wie sich die politische Lage im Land entwickelt. Der Höhenflug könnte ein jähes Ende nehmen, wenn der Aufschwung stockt oder - wie befürchtet - eine Immobilienblase platzt. Oder wenn der Zorn über Ausbeutung und Umweltzerstörung wächst und wegen eines schwachen Sozialsystems Kranke, Alte und Arbeitslose wieder in die Armut abgleiten.

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