Gewerkschafter Roman Hebenstreit: "A bisserl was geht immer"
Eisenbahn, Gastronomie und Tourismus, Bewachung, Reinigung und Ordensspitäler – die Gewerkschaft vida kämpft derzeit an vielen Fronten für Lohn- und Gehaltserhöhungen. Bei der Eisenbahn soll es am Montag zu Warnstreiks kommen, sollten die Arbeitgeber und Gewerkschafter nicht doch noch bei einer neuen Verhandlungsrunde am Samstagnachmittag zu einem Ergebnis kommen. Die vida fordert ein Gehaltsplus von 400 Euro für alle Eisenbahner. Ursprünglich waren es sogar 500 Euro. Indes bieten die Bahnbetreiber lediglich 200 Euro Erhöhung und eine Einmalzahlung von 1.000 Euro.
Böse Zungen behaupten, dass sich die eher kleine Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida und ihr Chef Roman Hebenstreit diesmal besonders profilieren wollen. Die vida vertritt etliche Niedriglohn-Branchen, deren Beschäftigte besonders unter der Inflation leiden. In vielen Kleinunternehmen gibt es aber keinen Betriebsrat. Das macht die gewerkschaftliche Arbeit nicht einfach.
Der 51-jährige Sozialdemokrat Hebenstreit ist nicht nur Vida-Chef und Konzernbetriebsratsvorsitzender der ÖBB, sondern auch Präsidiumsmitglied im ÖGB. Und seit Längerem werden ihm Ambitionen nachgesagt, ÖGB-Chef zu werden. Und Hebenstreit wird nicht müde, diesen Griff nach dem ÖGB-Chefsessel und einen angeblichen damit verbundenen internen Machtkampf zu bestreiten. Zwei Umstände sprechen gegen ihn: Erstens dürfte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian wohl für eine weitere Periode kandidieren. Zweitens dürften sich die großen Gewerkschaften GPA und Proge auch künftig den Gewerkschaftsvorsitz untereinander ausmachen.
Gelernter Lokführer
Andererseits stellt aber auch Hebenstreit das Licht seiner Teilgewerkschaft nicht unter den Scheffel: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die vida die mutigste Gewerkschaft in Österreich ist – das haben wir mehrfach bewiesen“, sagte er anlässlich seiner Wahl zum Vorsitzenden im Dezember 2016.
Hebenstreit stammt aus der Oststeiermark, ist gelernter Maschinenschlosser und ÖBB-Lokführer. Er engagiert sich früh in der Gewerkschaftsbewegung und wird 1997 Personalvertreter in der Eisenbahnergewerkschaft.
Er steigt die Karriereleiter flott hinauf. 2005 wird er Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der ÖBB Produktion GmbH. Im Dezember 2011 wird er zum Vorsitzenden der ÖBB-Konzernbetriebsrats gewählt. Bei der Nationalratswahl 2019 kandidierte er als sogenannter Zählkandidat auf dem aussichtslosen Platz 64 für die SPÖ. Er zählt nach wie vor zur „strategischen Reserve“ der SPÖ.
Hebenstreit ist verheiratet, hat einen 15-jährigen Sohn, aber derzeit null Freizeit. Er wirkt sympathisch, eloquent, geerdet und ist gut vernetzt. Einer seiner Freunde sagt über ihn, er sei „uneitel“, aber sehr zielstrebig.
Und er gilt als zäher Verhandler. In Verhandlungen soll er vor allem das Machbare sehen und auch Kompromisse eingehen, ohne das Große und Ganze aus den Augen zu verlieren, heißt es von Wegbegleitern aus dem ÖGB. Er versuche Dinge weiterzubringen, Schritt für Schritt. Als vida-Chef verhandelt er selbst aber keine Kollektivverträge.
Karriere
Seinen Gewerkschaftsjob füllt er mit viel Herzblut aus, sagen Kollegen. Dabei sind ihm Witz und Ironie aber nicht verloren gegangen. Eine seiner Lebensweisheiten lautet: „A bisserl was geht immer.“
Vor allem Gerechtigkeit ist ihm wichtig. „Ob politische Grundsätze, Sozialpartnerverhandlungen, Löhne oder die Zukunft der Arbeitswelt – die Gerechtigkeit muss immer an erster Stelle stehen“, sagte er einmal.
Doch bei der Arbeitgeberseite eckt er gern an. Hebenstreit könne schon mal den Punkt übersehen, an dem man einlenken müsse und die Dinge etwas zu sehr ausreizen. Das mache die Sache manchmal schwierig, meint eine weitere Stimme. Er verfolge beharrlich die Interessen seiner Gewerkschaft – und die seiner eigenen Karriere.
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