Der streitbare, rote Gewerkschafter kritisiert im KURIER-Gespräch so manche Entwicklung aus der jüngeren Vergangenheit scharf: „Für Unternehmen wurde das Kumulationsprinzip abgeschafft, obwohl Wiederholungstäter normalerweise strenger bestraft werden. Und es gilt das Prinzip ,Beraten vor Strafen‘.“
In der Praxis bedeute das nicht selten: Die Beschäftigten werden nur geringfügig oder in Teilzeit angestellt, der Rest wird schwarz bezahlt. Kontrolliert werde aber zu wenig und die Strafen seien zahnlos. Hebenstreit: „Bei Arbeitslosen will man hingegen ständig die Schrauben strenger anziehen. Das ist eine bodenlose Sauerei. Ist tatsächlich jedem Arbeitnehmer jeder Arbeitgeber zumutbar? Warum sperrt das AMS nicht jene Unternehmen, die gegen das Arbeitsrecht verstoßen?“
Die Arbeitsmarkt-Debatte müsste endlich umgedreht werden, findet Hebenstreit. Es dürfe nicht darum gehen, was bekommt der Arbeitslose und wie viel könne man ihm noch wegnehmen. Die Frage müsste viel eher lauten: „Was bekomme ich für einen Vollzeit-Job? Kann ich davon eine Familie ernähren?“ Der einzelne Arbeitnehmer habe ja nichts anderes als seine Lebenszeit zu verkaufen. Das sei der „Klassenkampf, der nie aufhören wird“, ist der vida-Chef überzeugt. Damit sei man vom Geld her irgendwo bei 2500 brutto, meint Hebenstreit. Oder: „Die 1700 netto im Burgenland halte ich für einen guten Ansatz.“
Löhne müssten kräftig steigen
Einen Arbeits- oder Fachkräftemangel etwa im Tourismus sieht Hebenstreit, anders als die Arbeitgebervertreter, so übrigens gar nicht. Bei einem echten Mangel müssten die Löhne eklatant steigen. Sein Argument: „Eine Branche, in der die Löhne nicht zumindest um drei Prozent netto steigen, kann keinen Mangel an Arbeitskräften haben. Klar, im Tourismus funktioniert Angebot und Nachfrage einfach nicht, weil jahrelang nur auf die Billigarbeitskräfte aus dem Osten gesetzt wurde. Von einem Managermangel habe ich auch noch nie gehört. Dort steigen die Gehälter jedes Jahr kräftig und wenn einer von Wien nach Vorarlberg zieht, wird ihm das in der Regel noch vergoldet.“
Das Problem der Branche sei vielmehr, dass in den vergangenen zehn Jahren ein Viertel aller Betriebe die Lehrausbildung aufgegeben habe. Und dass die Einstiegslöhne mit 1500 bis 1600 brutto immer noch viel zu niedrig seien. „Die graben sich selbst das Wasser ab.“ Und weiter: „Deshalb arbeitet die Branche zu mehr als 50 Prozent mit Nicht-Österreichern, weil sie mit dieser Bezahlung und den Rahmenbedingen ja in Wahrheit nur noch Leute findet, die bereit sind, für nichts alles zu tun.“
McDonald’s, provoziert der Gewerkschafter, habe als größter Gastro-Betrieb Österreichs noch nie ein Problem gehabt, genügend und geeignete Leute zu finden. „Die haben einen in vielen Punkten besseren Kollektivvertrag als der Rest der Branche, eine vernünftige Ausbildung und da stimmen auch die Abrechnungen. Leider ist das eher die Ausnahme.“
Anders als man denken könnte, versteht sich der scharfe Kritiker Hebenstreit als „Lobbyist für den Tourismus“. Niemand habe etwas davon, wenn jetzt angesichts einer vierten Infektionswelle auch eine Pleitewelle durchs Land rolle. Aber, er sagt auch: „Die Unternehmer haben jahrelang in ihre Häuser, in Sauna und Wellness investiert und zu wenig in die Mitarbeiter. Es gibt null Gesprächsbereitschaft mit der Gewerkschaft, wie man bei den Themen Urlaubskasse oder Angleichung Arbeiter/Angestellte sieht. Und auch untereinander sind alle spinnefeind. Die Branche ist leider kaum noch zu retten.“
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