"Katastrophal schlecht bezahlt"

Gericht, Gerichtsakten, Akten, Prozess, Anklage
Ärzte und Psychologen erhalten als Sachverständige ein Mini-Honorar.

Maximal 195,40 Euro zahlt die Staatsanwaltschaft Ärzten, Psychologen oder Psychiatern, wenn in einem Strafverfahren ein medizinisches Gutachten benötigt wird. Geht es aber um Wirtschaftsstrafverfahren, „läuft bei den Gutachtern die Stundenuhr. 300 Euro pro Stunde sind da die Regel“, beklagt Alexander Schmidt vom Hauptverband der Gerichts-Sachverständigen.

Man könne nicht behaupten, dass die Analyse von Aktienverflechtungen oder Kursmanipulationen so viel komplizierter sei als die Erstellung eines neurologischen Gutachtens. Immerhin hätten die medizinischen Sachverständigen häufig mit sehr heiklen Fällen wie Kindesmissbrauch zu tun oder müssten beurteilen, ob eine psychisch kranke Person in eine Anstalt eingewiesen werden müsse oder nicht, betont Schmidt.

Die Bezahlung, die die Mediziner von der Staatsanwaltschaft bekämen, deckten meist nicht einmal die Kosten. Der Grund für die schlechte Honorierung der Mediziner-Gutachten sei das Gebührenanspruchsgesetz aus dem Jahr 1975. Das regle die Tarife für Ärzte, Psychologen, Dentisten und Chemiker im Fall von Labor-Untersuchungen, nicht aber die Tarife für Wirtschaftsfachleute. Expertisen von Aktien- oder Kapitalmarktspezialisten seien damals in Strafverfahren nicht nötig gewesen. Das Gesetz aber sei nie geändert, die Tarife nur geringfügig erhöht worden. Jeder Vorstoß der Gutachter beim Justizministerium, die Bezahlung der medizinischen Gutachter zu erhöhen, sei dort abgeprallt. Das Ministerium sage, es gebe kein Geld dafür. Denn die Gutachten in Strafverfahren müsse der Staat zahlen.

„Damit bleibt die krasse Ungleichbehandlung von ärztlichen Gutachtern im Vergleich zu jenen Sachverständigen, die das Glück haben, dass für ihre Leistungen kein Tarif im Gesetz vorgesehen ist, aufrecht“, ärgert sich Schmidt. Sogar innerhalb der medizinischen Berufe komme es damit zu Ungerechtigkeiten. Erstelle nämlich eine diplomierte Krankenschwester ein Gutachten über einen Pflegemissstand, erhalte sie 31,50 Euro, ein Arzt bekomme dafür den gesetzlich vorgesehenen Höchstsatz von 195,40 Euro.

Qualitätsverlust

Die schlechte Gebührensituation zeitige bereits negative Folgen, sagt Schmidt. Immer mehr Sachverständige kämen zur Einsicht, dass sich ihre Tätigkeit nicht mehr lohne. Sie ließen sich aus der Sachverständigen-Liste der Staatsanwaltschaft streichen.

„Wir haben bereits weiße Flecken auf der Landkarte der Fach-Gutachter“, erläutert Schmidt. So seien etwa im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie nur noch bei den Landesgerichten Feldkirch, Klagenfurt und Linz Sachverständige eingetragen. Im gesamten Sprengel des Oberlandesgerichts Wien gebe dafür keinen einzige sachverständigen Experten mehr.

Der Fall „Meinl European Land“ (MEL) ist für die Gutachter ein finanzielles Eldorado: 700.000 Euro hat der erste von der Staatsanwaltschaft eingesetzte Gutachter, Thomas Havranek, für seinen 23 Seiten starken Befund kassiert. Dann wurde er auf Antrag der Meinl Bank wegen Befangenheit abgesetzt. Auch seinem Nachfolger, Fritz Kleiner, der nach Unstimmigkeiten mit der Staatsanwaltschaft selbst die Reißleine zog, brachte sein Zwischenbericht zur Causa MEL gutes Geld ein: 240.000 Euro betrug der Vorschuss und Forderungen in gleicher Höhe sind noch offen.

Und nun hat der dritte Gutachter der Meinl-Affäre, Martin Geyer, einen 360.000 Euro-Vorschuss beantragt. „Wofür eigentlich? Es gibt kein Gutachten. Für mich ist nicht ersichtlich, was Herr Geyer in dem einen Jahr seit seiner Berufung zum Meinl-Gutachter gemacht hat“, echauffiert sich Peter Weinzierl, Chef der Meinl Bank. Für ihn ist völlig unverständlich, dass die Staatsanwaltschaft „solche Wahnsinnsbeträge vollkommen unbeaufsichtigt ausgeben kann.“

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Es gebe zu wenig Kontrolle, meint Weinzierl. Nur selten werde nachgefragt, ob die angegebene Stundenzahl plausibel sei. „Würde ein Privatunternehmen so wirtschaften, hätte es mit Untreue-Vorwürfen zu rechnen“, sagt Weinzierl. In Zeiten wie diesen sei Banker offenbar der falsche Beruf. „Es wäre wohl besser, wenn ich mich als Gutachter eintragen lasse“, ätzt der Meinl-Bank-Chef.

Zivilklage

Die Bank hat schon vor Monaten eine Zivilklage gegen Gutachter Geyer eingebracht. Denn Geyer habe die Höhe seines Versicherungsschutzes für den Fall Meinl und den Versicherer nicht bekannt gegeben. Meinl droht Geyer im Fall eines fehlerhaften Gutachtens mit hohen Schadenersatzansprüchen. „Wir versuchen Geyer los zu werden. Denn es gibt viele Indizien, dass er nicht unabhängig ist“, sagt Weinzierl. Geyer agiere so, als wäre er Teil der Staatsanwaltschaft.

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