Gerhard Starsich: "Scheitern ist ein Zeichen von Mut"

Gerhard Starsich: "Scheitern ist ein Zeichen von Mut"
Der Präsident des management clubs fordert eine Abkehr vom "Allmachtsstaat".

Österreichs Führungskräfte wollen ein Bekenntnis zu Risiko und Eigenverantwortung – der „Allmachtsstaat“ werfe das Land international zurück, sagt Gerhard Starsich, Präsident des management clubs (mc). Der mc versteht sich als Plattform und Denkfabrik für Führungskräfte und hat jetzt zur Reformdebatte über den Standort Österreich ein neues Forderungspapier erstellt. Das Papier wird in den nächsten Tagen allen Spitzenkandidaten der Nationalratswahl und den Spitzen von Sozialpartnerschaft und Industriellenvereinigung überreicht. Am Rande des Forums Alpbach erläuterte Starsich die zentralen Standpunkte.

Warum gleich 100 Forderungen? Gibt es in Österreich so viele Baustellen?

Gerhard Starsich: So haben wir uns das nicht überlegt. Aber es ist uns sehr viel eingefallen, sodass wir die Ideen auf diese runde Zahl gebracht haben.

Wie ist das Papier zustande gekommen?

Der Vorstand des management clubs hat alle Mitglieder zu Workshops eingeladen. In fünf Themen-Gruppen mit 30 bis 50 Leuten brachten alle ihre Ideen ein, die wir verdichtet haben. Abgeändert wurde wenig, das Ergebnis ist repräsentativ für 150 österreichische Manager.

Zieht sich ein roter Faden durch alle 100 Forderungen?Wir neigen uns einer Gesetzesflut zu, die freies Handeln unterbindet, und werden international an Terrain verlieren. Wenn man sich ansieht, was etwa in Thailand passiert, müssen wir uns anschnallen: Gut ausgebildete, kreative Leute, voller Tatendrang – und nicht behindert durch Hunderte Angst-Regulierungen. Bei jedem Unternehmertum können Fehler passieren. Aber wenn man alles reguliert, gibt es keine Kreativitätspotenziale mehr. Eigeninitiative und Verantwortung müssen möglich sein.

Ist es ein Manko von Österreich oder fortgeschrittenen Volkswirtschaften generell, dass der Ehrgeiz erlahmt?

Das glaube ich nicht. Ich orte bei den jungen Leuten einen intensiven Tatendrang. Unter den Freunden meiner Kinder sind viele Einzelunternehmer, die hohes persönliches Risiko eingehen, um ihre Ideen umzusetzen. Österreich hat ein ausgeprägtes intellektuelles Potenzial.

Wie kann dieses Potenzial freigesetzt werden?

Ein Vorschlag ist der One-Stop-Shop für Verwaltungsverfahren. Die öffentliche Hand soll eine zügige Unternehmensgründung ermöglichen. Ein junger Mensch verliert irgendwann den kreativen Impuls, wenn er acht bis zwölf Monate braucht, um ein behördliches Genehmigungsverfahren auf Gemeinde- und Länderebene zu absolvieren.

Jetzt gibt es die GmbH light, die Unternehmensgründungen rascher und billiger machen soll ...

Das kann nur ein erster Schritt sein. Eine englische PLC kann um 100 Euro innerhalb von drei Stunden im Netz gegründet werden und ihre Geschäftstätigkeit aufnehmen.

Je mehr Neugründungen, umso mehr werden scheitern. Wie soll man damit umgehen?

Scheitern ist kein Zeichen von Versagen. Es zeigt, dass man den Mut hatte, Neuland zu betreten. Österreich braucht ein Bekenntnis zu diesem Risiko, nur so können Start-ups neue Business-Ideen entwickeln. Wenn nicht mindestens 50 Prozent der Start-ups scheitern, hat man zu viel auf Sicherheit gesetzt. Ein starker Anreiz für Investoren wäre, wenn Verluste aus Wagniskapital sofort abgeschrieben werden könnten – und nicht über sieben Jahre.

Stichwort Steuerreform: Was soll umgesetzt werden?

Unsere überhöhte Staatsquote ist bedrohlich: Der Versorgungsstaat hat international eher schlechte Chancen. Der Spitzensteuersatz muss reduziert werden, um Anreize für Leistung zu schaffen.

In der Debatte geht es aber meist um einen niedrigeren Eingangssteuersatz ...

Das ist auch mein Eindruck. Wir müssen aber nicht gewählt werden, sondern zeigen aus Sicht von Österreichs Managern, was gut für das Land wäre. Dass Österreich für Schlechterverdiener ein lebenswertes Land sein muss, bestreitet ja niemand. Aber die, die Leistung bringen, sollen nicht steuerlich bestraft werden.

Gibt es Beispiele, wo die österreichische Verwaltung vorbildlich ist?

Da fällt mir die Elektronisierung der Steuererklärungen ein, eine enorme Erleichterung für Unternehmer, Steuerberater, aber auch private Steuerzahler. Heute kriegen Sie in ein, zwei Wochen den Steuerbescheid. Früher hat das mindestens drei Monate gedauert. Bei eGovernment sind wir generell gut unterwegs. Das muss auch in anderen Bereichen möglich sein.

Die Abschaffung des unterschiedlichen Pensionsantritts­alters für Männer und Frauen ist keine populäre Forderung ...

Alle Frauen, die ich auf die Gleichstellung angesprochen habe, sind dafür. Und das waren nicht nur Frauen in Managementpositionen. Meine Sekretärin habe ich gebeten, nach Möglichkeit bis 65 Jahre zu bleiben; sie hat zugestimmt. Man sollte das Pensionsalter ohne Emotionen angleichen und dann auf 67 Jahre anheben.

Was schwebt Ihnen beim Konfliktherd Bildung vor?

Die Gesamtschuldebatte bringt uns nicht weiter. Stattdessen sollte von der Volksschule bis zu den Universitäten über Leistung, Qualitätsmessung, Autonomie der Bildungseinrichtungen und die Auswahl der Lehrenden diskutiert werden.

Länder, die in der PISA-Studie gut abschneiden, haben aber eine Gesamtschule, argumentieren die Befürworter.

Die Absolventen von Gymnasien schneiden in der PISA-Studie ausgezeichnet ab. Und wir diskutieren, ob wir den einzigen Schultyp, der funktioniert, auflassen: Ist das gescheit? Ein viel größeres Problem sind die Volksschulen. Zu meiner Zeit hat keiner die vierte Klasse absolviert, der nicht lesen, schreiben und rechnen konnte. Das ist nicht mehr garantiert. Das zweite Kernproblem: Die Universitäten produzieren völlig am Markt vorbei. Wir brauchen keine 2000 Publizisten pro Jahr, das ist unverantwortlich gegenüber den Kindern.

Karriere

Der Handelswissenschaftler Gerhard Starsich (52) ist seit 2008 Vorstand bei der Münze Österreich und seit 2011 Generaldirektor. Zuvor hat er bei der AUA, beim Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen und ab 1991 in der OeNB gearbeitet – mit einer Zwischenstation im Controlling der Barmherzigen Schwestern. In der Notenbank war er u.a. mit der Restrukturierung der Austrian Payment Systems Services und Austrian Card Plastikkarten und Ausweissysteme betraut.

Seit Jänner 2012 ist er auch Präsident des management clubs.

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