Georg Pfeiffer: "Auch mir war zum Heulen zumute"

Georg Pfeiffer ist seit Tagen der Buhmann der Nation.
Seit die Insolvenz der Zielpunkt-Kette bekannt wurde, steht Georg Pfeiffer im Kreuzfeuer der Kritik.

Die Gewerkschaft hat den Klassenkampf gegen Georg Pfeiffer ausgerufen und prüft eine Anzeige. Sozialminister Rudolf Hundstorfer spricht von einer "Sauerei". Der Unternehmer wehrt sich gegen die Vorwürfe.

KURIER: Herr Pfeiffer, Sie werden seit Tagen von der Gewerkschaft, der Politik und dem Boulevard durch den Fleischwolf gedreht. Es wird Ihnen unterstellt, dass Sie mit der Insolvenz große Kasse gemacht hätten. Sie haben offenbar keinen Schaden von der Insolvenz davongetragen …
Georg Pfeiffer:
Es soll mir bitte jemand erklären, wie man als Eigentümer bei einer Insolvenz profitieren kann? Die Pfeiffer-Gruppe hat mehr als 50 Millionen Euro versenkt. Da hat niemand profitiert. Das hat einfach nur viel Geld gekostet.

Einen Immobiliendeal von 37 Millionen konnten Sie sich trotzdem leisten? Diese schiefe Optik empört natürlich die Volksseele …
Wir können uns die Immobilien der Tengelmann Real Estate Austria-Gruppe nur aufgrund des Verkaufs der c+c Pfeiffer-Gruppe in die Schweiz leisten, der bekanntlich erst 2016 erfolgt. Wir wollten damit die Mietkosten für Zielpunkt reduzieren. Im Portfolio sind nur die Verkaufslokale, aber mit hauptsächlich mittelmäßigen und vielen schlechten Standorten. Da zahlen wir nochmals drauf. Wir sitzen jetzt auf 68 Standorten, die wir teilweise nur sehr schwer vermieten können werden.

Wie groß war der Druck von den Banken, hier einen Schlussstrich zu ziehen?
Zielpunkt hat selbst keine Bankenfinanzierung. Die Kette wurde ausschließlich von der Pfeiffer-Handelsgesellschaft finanziert.

Wenn es keinen Druck von den Banken gab, warum wurde dann die Reißleine gezogen?
Ein Unternehmen, das überschuldet ist, braucht eine Fortbestehensprognose. Das Unternehmen muss einen Nachweis erbringen, dass es innerhalb von fünf Jahren in die Gewinnzone kommt. Das ist die Bedingung, dass so ein Unternehmen einen Bestätigungsvermerk vom Wirtschaftsprüfer für eine Bilanz bekommt. Weiter ist es Bedingung, dass eine Muttergesellschaft in so ein Unternehmen investieren darf. So schaut die beinharte Gesetzeslage aus. Die Fortbestehensprognose wurde Juni 2015 mit Ausblick auf eine schwarze Null im Jahr 2018/2019 erstellt. Durch die schlechte Umsatzentwicklung im Herbst hat sich das Bild einfach dramatisch verschlechtert. Die Fortbestehensprognose konnte nicht gehalten werden, und das ist ein zwingender Insolvenzgrund

Was war der Grund für den plötzlichen Einbruch?
Es gab eine allgemeine Branchenschwäche. Der Oktober und der November blieben deutlich unter dem Vorjahr.

Wie weit blieb Zielpunkt unter den Erwartungen?
Wir blieben im November bis zum Stichtag der Insolvenz zehn Prozent unter den geforderten Umsätzen. Das sind im Lebensmittelhandel drei Erdrutsche. Nach diesen Zahlen war Feuer am Dach und wir mussten die Fortbestehensprognose überprüfen. Das Ergebnis war, dass die schwarze Null vom Bildschirm verschwunden war. Damit war der Insolvenzfall gegeben. Der Kapitalbedarf lag bei 60 Millionen Euro. Hätten wir uns auf dieses Risiko eingelassen, wären in zwei bis drei Jahren Unimarkt, der Großhandel Nah und Frisch und die ganze Pfeiffer-Gruppe tot gewesen. Dann hätten wir insgesamt fast 5000 Arbeitslose gehabt. Ich weiß nicht, ob dann die Volksseele zufrieden gewesen wäre.

Die Gewerkschaft hat gegen Sie den Klassenkampf ausgerufen. Hatten Sie sich auf eine solche Reaktion eingestellt?
Ich bin überrascht von der Brutalität dieser Tonlage. Man kann mich gerne kritisieren, denn jeder Unternehmer macht Fehler. Aber der Ton, der hier angeschlagen wurde, ist jenseits jeder Geschmacksgrenze und eine Ungeheuerlichkeit.

Wie heftig war der Shitstorm?
Mit der Kritik in den sozialen Foren habe ich mich nicht befasst. Die Mails an mich persönlich waren allesamt Loyalitätsbekundungen. Dafür bin ich sehr dankbar. Doch über die zentralen Mailserver kamen natürlich alle möglichen Bösartigkeiten hereingeflattert.

In Interviews mit Zielpunkt-Mitarbeitern konnte man hören, dass vielen zum Weinen zumute ist. Setzt Ihnen das zu?
Die Enttäuschung und die Frustration kann ich nachvollziehen. Auch mir war zum Heulen zumute. Der Verlust von Arbeitsplätzen ist das Schlimmste, was einem Unternehmer passieren kann. Die Nahrung für meine Seele waren immer zufriedene Kunden und Mitarbeiter. Was hier passiert ist, ist ein absoluter Albtraum. Aber leider ein alternativloser. Noch im Oktober war ich überzeugt, dass wir es schaffen. Aber wahrscheinlich war Zielpunkt schon mit unserem Einstieg 2012 ein Himmelfahrtskommando. Hätten wir das nicht gemacht, wäre Zielpunkt schon 2012 insolvent gewesen.

Laut dem "Trend"-Ranking gehört die Familie Pfeiffer zu einer der reichsten Familien Österreichs mit 770 Millionen Euro Vermögen. Hätten Sie nicht, um erhobenen Hauptes aus dieser Insolvenz aussteigen zu können, die November-Gehälter aus dem Privateigentum zahlen können?
Noch einmal: Wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, darf nichts mehr bezahlt werden, auch nicht über Umwege. Davon abgesehen: Das könnte ich mir nicht leisten. Das angebliche Vermögen von 770 Millionen ist völlig aus der Luft gegriffen. Die Zahl, die im Trend genannt wurde, entspricht genau unserem Umsatz im Jahr 2013. Und Umsatz ist nicht gleich Privatvermögen – das weiß wohl jeder. Mein Vermögen ist dieses Unternehmen. Ich habe keinen Dagobert-Duck-Geldspeicher. Es gibt kein Penthouse in Wien, keine Yacht, kein Ferienhaus auf Mallorca. Im Lebensmittelhandel hat man eine Rendite von ein bis zwei Prozent.

Georg Pfeiffer: "Auch mir war zum Heulen zumute"
c+c pfeiffer

Wie investieren Sie das verdiente Geld?
Sie werden keinen Luxus finden. Wir haben auch keine Kunstsammlung wie die Familie Essl um 200 Millionen ins Leben gerufen, die letztendlich das Unternehmen bezahlt hat. Mit dem Lebensmittelhandel kann man keinen großen Reichtum anhäufen. Das ist alles in überschaubaren Dimensionen. Wir haben alles in die Pfeiffer-Gruppe investiert. Hätte es große Abschöpfungen gegeben, wäre das Unternehmen schon vor Jahrzehnten vom Markt verschwunden.S

elbst durch den Millionendeal mit der Schweizer coop-Gruppe wäre es Ihnen auch nicht möglich gewesen, die Gehälter zu zahlen ...
Abgesehen davon, dass das Geld für diesen Deal erst 2016 kommt, hätte ich das nicht gedurft! Aber ich bin überzeugt, dass die Mitarbeiter ihre Gehälter rasch vom Insolvenzentgeltfond gezahlt bekommen, der im Übrigen von den Unternehmern gespeist wird.

Welche Unterstellung der letzten zehn Tage setzte Ihnen am meisten zu?
Die Unterstellung, die Insolvenz mit einem Masterplan versehen zu haben. Das sind absurde Hirngespinste. Wer baut denn im Oktober noch Filialen um, arbeitet selbst beim Umbau mit, wenn er schon die Insolvenz plant? Inhaltlich hat mich erschüttert, dass die Politiker offenbar die Gesetze, die sie selbst beschlossen haben, nicht kennen. Alle Behauptungen, dass wir über irgendwelche Quellen den Mitarbeitern das Geld hätten geben können, sind falsch. Das ist alles strengstens strafbar, weil es eine Gläubigerbevorzugung wäre. Selbst beim Thema "Gutscheine"– da hatten wir keine Chance, den Kunden die Ware zukommen zu lassen. Ich würde allen Verbalrundumschlägern empfehlen, sich einmal die Gesetze anzuschauen.

Der Mitarbeiterbrief, der Anfang November noch verschickt wurde, sorgte für großen Unmut. Warum hat man den Menschen hier ein falsches Bild vorgegaukelt?
Ich verstehe den Unmut. Es ist aber auch die Pflicht des Unternehmers, den Mitarbeitern Sicherheit zu vermitteln. Nichts ist tödlicher, als Verunsicherung zu vermitteln. Was glauben Sie wäre dann passiert? Dann laufen uns die Mitarbeiter in Scharen davon. Aber eines muss man sagen, die frühere positive Fortbestandsprognose stand immer auf wackeligen Beinen. Da hat es nicht viel Luft gegeben. Aber wir haben daran geglaubt, die schwarze Null zu schaffen. In diesem Punkt lasse ich mir vorwerfen, dass ich ein naiver Optimist war.

Gibt es einen Umstand in der Causa, wo Sie sagen würden: "Das tut mir leid"?
Mir tut es leid, dass die Mitarbeiter offensichtlich vom Blitz getroffen wurden. Das war nicht meine Absicht. Ich denke, viele Mitarbeiter ahnten, dass die wirtschaftliche Lage schlecht war. Gleichzeitig wollten wir sie motivieren und ihnen Sicherheit geben. Vielleicht wäre zwischendurch das Signal gut gewesen: Liebe Mitarbeiter, wir sind auf Kurs, aber wir wackeln auch sehr heftig. Und ich gebe zu, der Zeitpunkt ist wirklich – entschuldigen Sie den Ausdruck – scheiße. Aber ich stelle die Gegenfrage: Wann ist der Zeitpunkt besser? Zu Jahresanfang, vor Ostern oder vor den Sommerferien? Für eine Insolvenz gibt es keinen richtigen Zeitpunkt. Auch mir setzt diese Situation sehr zu.

Was haben Sie aus den letzten Wochen gelernt?
Ich werde mich nie wieder mit einem Sanierungsfall beschäftigen.

Sie verlieren 480 Millionen Umsatz. Schrumpfen Sie sich klein oder gesund?
Es stimmt, wir sind kein nationaler Player mehr. Es schmerzt mich auch, dass wir das Projekt Zielpunkt nicht geschafft haben. Aber ich kann mit der neuen Situation leben. Vielleicht sollte man in unserer wachstumsgetriebenen Welt das Wort gesundschrumpfen in unser Vokabular aufnehmen. Es ist nicht nur gut, wenn Unternehmer nur wachsen, wachsen, wachsen.

Versteckte Bomben für die Pfeiffer-Gruppe gibt es nicht mehr?
Das Geld von 50 Millionen Euro ist weg und in den Bilanzen bereits abgeschrieben – diesen Rückschlag haben wir zum Glück nochmals verkraftet.

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