Generali-Boss: Umverteilung in Vorsorge

Generali-Boss: Umverteilung in Vorsorge
Damit die staatliche Pension für sozial Schwächere erhalten bleibt, gehören betriebliche und private Altersvorsorge gestärkt, sagt Luciano Cirina.

Ein "faires" Verhältnis liege bei 70 Prozent staatlicher Pension und 30 Prozent betrieblich/privat.

KURIER: Pensionsexperten forderten beim Forum Alpbach eine Reform des staatlichen Systems. Das wäre noch keine Überraschung, aber die Rede war bereits vom Jahr 2016. Glauben Sie auch, dass die Zeit tatsächlich derart drängt?

Luciano Cirina: Dass Reformen notwendig sind, wissen wir seit vielen Jahren. Wir müssen wegkommen von diesem dogmatischen Ansatz, nur der Staat ist gut und alles Private wird verteufelt. Notwendig ist eine intelligente Kombination zwischen der ersten Säule, dem staatlichen System, sowie der zweiten und dritten Säule, der betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Damit die erste Säule mehr Mittel für die sozial Schwachen hat.

Schon klar, dass Sie als Versicherer für den Ausbau der privaten und betrieblichen Vorsorge sind. Aber in Bezug auf einkommensschwache Gruppen ist das doch ein Widerspruch.

Nein, wenn die zweite und dritte Säule stärker forciert werden, kann die staatliche Vorsorge gerechter ausgebaut werden. Gerade wenn die staatlichen Mittel begrenzt sind, könnte man besser austarieren. Nehmen Sie nur als Beispiel die einkommensunabhängige Familienbeihilfe. Ich finde es einen Skandal, dass ich Familienbeihilfe bekomme. Da soll man doch lieber denen mehr geben, die es brauchen.

Aber ist das Zeitfenster für eine Reform wirklich so klein?

Gesünderes, längeres Leben muss finanziert werden. Österreich ist in der EU bei den Ausgaben für die Lebensversicherung mit 2,7 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt mit Griechenland und Spanien das Schlusslicht. Der Durchschnitt in Westeuropa liegt bei 5,26 Prozent. Das zeigt doch auch die Notwendigkeit, etwas zu tun. Ich verstehe nicht, dass in Österreich nicht einmal der Status Quo beibehalten wird, sondern man die Rahmenbedingungen noch weiter verschlechtert.

Sie meinen die Förderung?

Die steuerliche Mindestbindungsfrist für die Einmalerläge (Prämie wird im Vorhinein als Gesamtbetrag veranlagt) wurde von 10 auf 15 Jahre erhöht. Das verschreckt alle Kunden über 50. Die Förderung für die Zukunftsvorsorge wurde halbiert. Zwar wurde der Aktienanteil auf 30 Prozent gesenkt, doch das ist immer noch zu hoch. Stark schwankende Kapitalmärkte werden für die nächsten Jahre ein Dauerzustand sein. Das sind falsche Botschaften. Der Staat signalisiert damit, so wichtig ist die Vorsorge eh nicht. Da muss man vorsichtig sein, hier geht es um Vertrauensfragen.

Warum sollten Kunden angesichts der niedrigen Renditen überhaupt noch Versicherungsprodukte kaufen? Die Prognosen der Vergangenheit waren viel zu optimistisch.

Die Versicherungen hatten ganz andere Erfahrungswerte, die Renditen waren teilweise tatsächlich traumhaft. Dann sind Jahrhundertereignisse passiert, die keiner vorhersehen konnte. Diejenigen, die heute sagen, sie hätten es vorher gewusst, würden den Nobelpreis verdienen.

Jetzt wird der Garantiezins auf 1,75 Prozent gesenkt.

Die klassische Lebensversicherung bietet Garantien wie kein anderes Produkt. Wer sonst garantiert einen Mindestzins? Heute müssen Sie oft froh sein, wenn sie Ihr Kapital überhaupt noch zurückbekommen. Vergleichen Sie doch mit den Pensionskassen. In der klassischen Lebensversicherung passiert es nicht, dass die Pensionen laufend gekürzt werden.

Sie vergleichen mit dem Ende der Fahnenstange. Ein gebundenes Sparbuch ist fast schon attraktiver als eine Lebensversicherung, da zahlt man wenigstens keine Spesen.

Ein Sparbuch ist kein Vorsorgeprodukt, das können Sie nicht verrenten und sich damit nicht gegen Berufsunfähigkeit und Ableben absichern. Was ist denn, wenn das Geld aufgebraucht ist? Salopp formuliert: Noch viel Leben am Ende des Geldes. Liquidität kann die Vorsorge nicht ersetzen und umgekehrt.

Heute setzt sich die Durchschnittsrente in Österreich zu 89,3 Prozent aus der staatlichen Pension, zu 4,1 Prozent aus der betrieblichen und zu 6,6 Prozent aus der privaten Vorsorge zusammen. Wie wäre das ideale Verhältnis?

30 Prozent für die zweite und dritte Säule zusammen wäre mittelfristig realistisch und ein gesunder Wert. Österreich sollte vor allem die zweite Säule ausbauen, so wie Deutschland in den letzten Jahren. Wir haben dafür einen steuerfreien Betrag von 300 Euro im Jahr, wie in den 70er Jahren. 840 Euro wären fair.

Wie verkaufen sich Lebensversicherungen derzeit?

Unsere Prognose ist ein Minus von 4,4 Prozent. Wir hatten im Vorjahr schon minus 7,5 Prozent. Bei Verträgen mit laufender Prämienzahlung ist sicher die Konjunkturlage mit ein Grund.

Die Krise ist bei den meisten Konsumenten doch noch gar nicht angekommen.

Aber sie ist im Kopf. Und wenn die Zukunftsvorsorge nicht mehr gefördert wird, fragen sich die Kunden, was ist denn da los? Bei der Diskussion um die Vorteile der Lebensversicherung müssen wir wegkommen von den reinen Renditevergleichen, wie vor der Krise, sondern viel stärker die Sicherheit betonen.

Die Versicherungen stoßen mit ihren Forderungen seit Jahren bei der Politik auf taube Ohren. Warum eigentlich? Weil in Ihrer Branche die dicken Geldsäcke hocken?

Versicherungen sind die größten institutionellen Investoren in Österreich und unterstützen den Kauf von Staatsanleihen überproportional. Wir haben das auch in der Krise gemacht und die Ausgaben des Staates für das Partizipationskapital der Banken mitfinanziert. Im Gegensatz zu den Banken benötigten wir keine Hilfe.

Eben, und trotzdem werden Ihre Wünsche im Gegensatz zu den Banken politisch permanent ignoriert.

Vielleicht, weil man weiß, dass wir wirtschaftlich gut aufgestellt sind.

Zur Person: Luciano Cirina

Karriere Generali-Boss Cirina ist seit Juli auch Präsident des österreichischen Versicherungsverbandes VVO. Cirina, promovierter Betriebswirt, startete seine Karriere 1989 beim Deutschen Lloyd in München (Gesellschaft der Generali Group). 1996 wechselte er zur Generali Versicherung AG nach Wien. Seit 2006/2007 ist er dort Vorstandschef.

Kommentare