Funkenflug vor dem Atomstromgipfel

Funkenflug vor dem Atomstromgipfel
Die Blockadehaltung des Wirtschaftsministers stößt Umweltorganisationen sauer auf. Kanzler Faymann bleibt in Deckung.

Am 11. März dieses Jahres nahm die Unfallserie im AKW Fukushima ihren fatalen Lauf. In unmittelbarer Reaktion darauf beschloss die heimische Regierung nur elf Tage später in einem „Schulterschluss“ den Aktionsplan „Raus aus Atom“. Europa soll atomfrei werden, lautete das Credo. „Wer jetzt noch parteipolitisches Kleingeld machen will, der hat nichts begriffen“, sagte Umweltminister Niki Berlakovich (VP) damals.

Neun Monate später läuft es allerdings genau darauf hinaus. Österreich werde in Sachen Atomstrom-Importverbot keine Vorreiterrolle übernehmen, sagte Reinhold Mitterlehner (VP) vorige Woche. Das Verbot wird von Umweltorganisationen seit Monaten gefordert. Der Wirtschaftsminister griff damit dem für den 16. Jänner geplanten zweiten Atomstromgipfel vor, zu dem Bundeskanzler Werner Faymann (SP) lädt.

Der Koalitionspartner wolle dem Kanzler – der das Thema mit dem ersten Gipfel im Sommer aktiv aufgegriffen hat – diesen Erfolg wohl nicht gönnen, wird in sozialdemokratischen Kreisen gemutmaßt. Faymann selbst hält sich noch bedeckt. Man wolle sich im Vorfeld des Gipfels nicht äußern, sondern mit den Umweltorganisationen erörtern, was möglich sei, sagt Faymann-Sprecher Nedeljko Bilalic.

Vorstoß

Die NGOs ihrerseits fühlen sich vor den Kopf gestoßen. „Mitterlehner spielt nicht mit offenen Karten“, sagt der Global-2000-Energieexperte Reinhard Uhrig. Den Vorstoß des Wirtschaftsministers bezeichnet er als „Unfriendly Act“.

Die Flinte wolle man freilich nicht ins Korn werfen, sondern weiter mit Fakten argumentieren. Beispielsweise habe man zwei unabhängige Rechtsgutachten eingeholt, die die Möglichkeit eines Atomstrom-Importverbotes bestätigen.

Vor einem Komplettverbot bis 2020 drängt Global 2000 in einem ersten Schritt auf ein Verbot des sogenannten „Stroms unbekannter Herkunft“ bis 2015. In diesem über Börsen gehandelten Strom ist derzeit Atomstrom versteckt. Jede Kilowattstunde Strom, die über die Grenze nach Österreich kommt, soll in Zukunft mit Herkunfts-Zertifikaten versehen werden. Die Kosten dafür beziffert Uhrig auf jährlich maximal 28 Millionen Euro. Auf die Endkunden heruntergebrochen seien das lediglich rund zwei Euro pro Jahr.

Es gehe darum, den AKW-Betreibern die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Österreichs Stromkunden finanzieren ungewollt die Atomlobby mit mehreren Hundert Millionen Euro jährlich, sagt Greenpeace-Energiesprecher Jurrien Westerhof. „Alle zehn Jahre finanzieren wir so einen neuen Atomreaktor.“ Allein mit der Ankündigung, Österreich werde bis 2020 keinen Atomstrom mehr importieren, würden sich Atomkonzerne den Bau neuer Reaktoren zwei mal überlegen.

E-Branche

Funkenflug vor dem Atomstromgipfel

Peter Layr, Präsident des Interessenverbandes Österreichs Energie, stellt dies gar nicht in Abrede. „Ein gutes Zertifikate-System hat einen Lenkungseffekt weg von Atomkraft und verschlechtert die Marktchancen von Kernenergie.“ Der Wunsch nach einem generellen Importverbot sei nachvollziehbar, aber nicht der beste Weg. Die Umsetzbarkeit sei im europäischen Markt nicht einfach.

In der E-Branche gibt es noch kritischere Stimmen, wie den Kelag-Chef Hermann Egger. An einem Zertifikate-Kauf aus dem Ausland werde er sich nicht beteiligen, sagte er der Kleinen Zeitung. Auch für Energie-AG-Boss Leo Windtner sei der „Zertifikate-Kauf zu hinterfragen“. Einhellige Meinung der Branche: Mit dem Ausbau der Eigenerzeugung würde man die Notwendigkeit von Importen verringern – und somit den Atomstrom schrittweise reduzieren.

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