Frustration in der US-Schuldenkrise

Keine Lösung im US-Streit um das Schuldenlimit. Starökonom Stiglitz ortet darin den "perversen Niedergang" einer Großmacht.

Den Amerikanern läuft im Schulden-Streit die Zeit davon: Anstatt der erwarteten Bewegung und Kompromissbereitschaft von beiden Seiten endete in der Nacht auf Samstag eine Verhandlungsrunde zwischen Republikanern und Demokraten erneut ohne Einigung auf die Erhöhung der Schuldenobergrenze sowie auf Einsparungen, die das Volk verkraften kann.

Und auch ein von US-Präsident Barack Obama am Samstag im Weißen Haus angesetztes Krisentreffen ist nach weniger als einer Stunde zu Ende gegangen. Nach etwa 50 Minuten gingen der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, die Anführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, John Boehner und der Anführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, auseinander. Ob eine Lösung erzielt wurde, blieb offen - keiner der Teilnehmer gab eine Stellungnahme ab.

Nach Wochen zähen Ringens meldete sich jetzt der US-Starökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz verärgert zu Wort. In einem Interview mit der deutschen WirtschaftsWoche meinte er: "Das Einzige, was wir geschafft haben, ist, Banken zu retten. Da haben wir die Verluste sozialisiert und die Profite privatisiert." Pro Woche würden die Amerikaner Milliarden Dollar in Afghanistan ausgeben, kürzten aber an ihren Schulen die Lehrerstellen. "Das ist der perverse Niedergang einer Großmacht", sagte Stiglitz.

Präsident Barack Obama, der massive Einschnitte bei den Sozialausgaben ablehnt, zeigte sich enttäuscht und verärgert über das Dilemma. Es sei "schwer zu verstehen", weshalb der republikanische Präsident des Repräsentantenhauses, John Boehner, die Gespräche verlassen habe, so der US-Präsident. Knackpunkt ist die von Obama geforderte Anhebung der Steuern für Super-Reiche. Besonders die Anhänger der rechts-populistischen Tea-Party-Bewegung lehnen das kategorisch ab. Sie wollen weniger Zuwendungen für sozial Schwache.

Die Uhr tickt: Sollte bis zum Stichtag 2. August das Schuldenlimit von umgerechnet zehn Billionen Euro nicht angehoben werden, droht den Amerikanern die Zahlungsunfähigkeit.

Zugeständnisse

"Ich habe noch nie so viel Frustration erlebt", so die demokratische Senatorin Dianne Feinstein. Wie sie fürchten viele ihrer Parteifreunde, dass Obama wegen der Krise womöglich doch noch zu für sie untragbaren Zugeständnissen bereit sein könnte. Außerdem wurmen sie die direkten Gespräche zwischen Obama und Boehner. Der Mehrheitsführer der Demokraten, Harry Reid, warnte, Präsident Barack Obama solle bloß "aufpassen", was er mit Boehner vereinbare.

Notfallszenarien

Im Wettlauf mit der Zeit bleiben der Politik in Washington immer weniger Möglichkeiten, eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Vier Szenarien stehen offen:

Die Notlösung: Durch geschicktes Manövrieren zwischen Präsidialamt und Kongress soll das Verschuldungslimit soweit angehoben werden können, dass den USA bis November 2012 nicht das Geld ausgeht. Dann müssen sich Obama und die meisten Abgeordneten zur Wahl stellen. Die beiden Lager trennt vor allem die Steuerfrage, in der vor der Wahl keiner zurückweichen will. Mit dem von einem republikanischen Senator ins Spiel gebrachten Katastrophenplan müssen die Republikaner in der Budgetdebatte erst gar nicht abstimmen und damit auch nicht über die von Obama geforderten und von ihnen vehement abgelehnten Steuererhöhungen entscheiden. Dieser Plan gilt als der wahrscheinlichste Ausweg aus dem Dilemma.

Der Sparplan: Chancen auf eine Verabschiedung im Repräsentantenhaus könnte ein Plan haben, der sich zum Abbau der Staatsschulden nur auf Einsparungen beschränkt. Damit würden die Republikaner in dieser Kongresskammer ihre Position in der umstrittenen Steuerfrage durchsetzen. Obama will den Etat aber eigentlich sowohl durch einen Sanierungskurs als auch durch das Schließen von Steuerschlupflöchern in Ordnung bringen. Ob das Ausklammern von Steuermehreinnahmen in dem von Obamas Demokraten kontrollieren Senat gebilligt wird, gilt deshalb als sehr fraglich.

Wiederaufnahme der Gespräche: Es ist durchaus denkbar, dass Obama und Boehner an den Verhandlungstisch zurückkehren. Nach dem Zusammenbruch der Gespräche haben beide Seiten die Gelegenheit genutzt, werbewirksam dem Konfliktpartner die Schuld zu geben. Doch nachdem einmal reiner Tisch gemacht wurde, könnten die Gespräche weitergehen. Boehner hat bereits eine Einladung Obamas für Samstag akzeptiert. Nach dem Eklat von Freitag sickerte zudem durch, dass Boehner nach wochenlanger Blockade seine strikte Haltung in der Steuerfrage doch aufweichen könnte - und sich das für den Staat lukrative Schließen von Steuerschlupflöcher zumindest schon einmal näher angesehen hat. Möglicherweise war eine Einigung näher als vermutet.

Der Verfassungsschachzug: Der ehemalige Präsident Bill Clinton hat seinem Parteifreund Obama den Rückgriff auf die Verfassung nahegelegt. Obama könne sich auf den 14. Verfassungszusatz berufen, den Kongress umgehen und die Aufnahme weiterer Schulden anordnen. Die Klausel besagt, dass die öffentlichen Schulden der USA nicht infrage gestellt werden dürfen. Clinton sagte, um eine Staatspleite zu verhindern, würde er so die Schuldengrenze faktisch anheben - auch wenn dies die Gerichte in Zugzwang bringen könnte, ihn zu stoppen. Obamas Juristen haben diese Möglichkeit unter die Lupe genommen, sind dem Präsidenten zufolge aber nicht davon überzeugt. Obama selbst hat diesen Kunstgriff aber nicht ausgeschlossen.

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