Friedensmission beim Handelskrieger

Friedensmission beim Handelskrieger
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck versuchte in den USA gute Stimmung für die EU zu machen.

Gesperrte Straßen, Barrikaden und strenge Zugangskontrollen in den großen Hotels. Der Ausnahmezustand, der in Midtown Manhattan mehr als eine Woche wegen der UNO-Generalversammlung das gewohnte Leben lahmgelegt hat, entlud sich am Wochenende in einer Massenpanik. Bei einem Benefizkonzert im Central Park versetzte das klappernde Geräusch einer umstürzenden Polizeiabsperrung derart in Schrecken, dass viele der 60.000 Besucher aus Angst vor vermeintlichen Schüssen zum Exit rannten.

Der weiträumig gesperrte Gehsteig vor dem güldenen Trump Tower auf der Fifth Avenue ist ab sofort wieder passierbar. Die Karawane der Staatspräsidenten, Premiers und Außenminister, die sich einmal im Jahr als Weltenlenker inszenieren, macht sich gerade auf den Heimweg, als Margarete Schramböck Sonntagnachmittag in New York landet.

24 Stunden New York und 48 Stunden Washington hat die Wirtschaftsministerin auf ihrem Terminkalender, um hier das zu tun, was Politik im Alltag wirklich ist: Das Bohren harter Bretter. Und diese Bretter sind seit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus besonders hart.

Die Ministerin will vor dem heute am Abend in Innsbruck beginnenden informellen EU-Handelsministerrat die Stimmung im von Trump einseitig erklärten Handelskrieg ausloten. Nachdem der US-Präsident jüngst Strafzölle auf Stahl und Aluminium auch aus Europa verhängt hatte, erwiderte die EU mit Einfuhrabgaben auf Jeans, Whiskey und Harley Davidson. Nach einem Blitzbesuch von Jean-Claude Juncker im Juni verhandelt die EU-Kommission ohne laute Nebengeräusche mit den USA neue Spielregeln für den transatlantischen Handel. Zuletzt hielten beide Seiten den Ball auffällig flach. Ein Wunder bei Trump, der bei Politikern nur „fuck you“ oder „love you“ kennt.

Schramböck ist da, um begleitend gute Stimmung zu machen – vor allem in Sachen EU. Denn die Ausläufer des neuen Handelskrieges schlagen hierzulande bei einer Gesamtexportsumme von fast zehn Milliarden Euro mit einigen hundert Millionen Euro in Sachen Alu und Stahl noch nicht auf das Beziehungsklima nachhaltig durch.

Gemeinsam gegen China

Der US-erfahrene heimische Spitzendiplomat in Washington, Wolfgang Waldner, und der neue US-Botschafter in Wien, Trevor Traina, haben Termine mit drei Spitzenvertretern der Trump-Administration arrangiert. Das Treffen mit Handelsminister Wilbur Ross, einem mit allen Wassern gewaschenen Haudegen der Trump-Administration, dauert fast doppelt so lange wie die geplanten 45 Minuten. Zur Sprache kommt alles – von einer WTO-Reform (Schramböck: „Wir beide wollen schnellere Entscheidungen“) bis zum noch überschaubarem Kleinkrieg im Handel (Schramböck: „Beide wollen weniger Zölle und Eskalation vermeiden“).

Schnell einig war man sich bei einem Thema: „Bei China haben wir gemeinsame Interessen“. Schramböck will noch bis Ende des österreichischen EU-Vorsitzes grünes Licht für ein Alarmsystem, das vor dem Ausverkauf kritischer Infrastruktur an EU-Ausländer warnt – im Fokus steht hier China.

Die langjährige IT-Managerin nutzt die Gelegenheit, um bei US-Opinion-Leadern und Firmenvertretern für Österreich als Wirtschaftsstandort Stimmung zu machen. Ganz oben auf ihrer Werbeagenda steht die Arbeitszeitflexibilisierung – vulgo 12-Stunden-Tag –, ein „eigenes Ministerium für Reform und Bürokratieabbau“ und letzthin der Hinweis, dass „Österreich das Land mit der höchsten Lebensqualität“ sei. Wo sie kann, preist sie die 14-prozentige Prämie für Investitionen in Forschung und Entwicklung an.

Permanente Seifenoper

Politik war dieser Tage in Trump-Land nicht nur für Schramböck ein besonders mühseliges Bohren harter Bretter. Demokraten und Republikaner liefern sich vor den Midterm Elections am 6. November einen erbitterten Stellungskrieg. Seit Trumps Einzug ins Weiße Haus ist die Auseinandersetzung über Politik endgültig am Weg zur permanenten Seifenoper. Im Moment steht das Land bei einer Soap-Staffel, in der es erst um College-Alkoholexzesse, versuchte Vergewaltigung, entblößte Körperteile – und im vorläufigen Finale um mutmaßlich nackte Lügen eines Mannes geht, den Trump noch vor einem möglichen Machtwechsel nach der November-Wahl als Höchstrichter auf Lebenszeit durchdrücken will.

Der KURIER war auf Einladung des Wirtschaftsministeriums in den USA.

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