Forschungsrat sieht "Optimierungsbedarf in fast allen Bereichen"

Stv. Forschungsrat-Vorsitzende Sabine Herlitschka
Schwächen gibt es vor allem in den Bereichen Bildung, Digitalisierung und Gründungen.

Einen weiter großen Abstand zu den führenden Innovationsnationen sieht der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) in seinem "Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs 2021". Trotz einiger Stärkefelder, wie den für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) zur Verfügung stehenden Gesamtmitteln, gebe es klare Schwächen. So etwa in der Bildung, Digitalisierung, beim Thema Klima und Umwelt sowie bei Firmengründungen.

Die kurz vor Jahreswechsel vorgestellte, bis ins Jahr 2030 reichende neue Forschungsstrategie hat der RFTE mit den aktuellen Stärken und Schwächen im Innovationssystem abgeglichen. Dass die Strategie überhaupt noch auf den Weg gebracht wurde, sei "positiv hervorzuheben". Es brauche nun aber eine "engagierte Umsetzung", betonte die stellvertretende Vorsitzende des Forschungsrates, Sabine Herlitschka, am Donnerstag.

Auch angesichts der Coronakrise sollte weiter ein politischer Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung (F&E) gelegt werden. Im vergangenen Jahr sei "sehr vielen Menschen bewusst geworden, wie wichtig Forschung, Technologie und Innovation sind", etwa bei der Impfstoffentwicklung, so Herlitschka.

Letztlich zeige die umfassende Expertenanalyse "Optimierungsbedarf in fast allen Bereichen", sagte die Infineon Austria-Chefin. Das österreichische FTI-System sei geprägt durch "eine im internationalen Vergleich seit Jahren stabil bleibende, jedoch durchwachsene Performance mit einigen Stärken und deutlichen Schwächen", wobei letztere überwiegen, heißt es in dem Bericht. Insgesamt bleibe "weiterhin ein Abstand zu den führenden europäischen Innovationsnationen Dänemark, Finnland, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden, aber auch der Schweiz. Dieser hat sich in einigen Bereichen auch noch vergrößert".

Lückenschluss nicht erreicht

Zu der Gruppe der führenden Nationen wollte Österreich eigentlich schon im Rahmen der im Vorjahr ausgelaufenen Auflage der FTI-Strategie aufschließen. Über den Vergleichswerten der "Innovationsleader" kommt Österreich dem Papier zufolge nur in den Bereichen FTI-Finanzierung, der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes und bei der Unternehmens-FTI zu liegen. Ebenfalls positiv schneide man bei der internationalen Vernetzung ab.

Dem "in der Breite hohen Niveau" bei der Finanzierung stünden jedoch nicht die entsprechenden Wirkungen gegenüber, wenn man sich etwa die Anzahl der Patenteinreichungen ansehe. Ein entsprechender Output bei hohem Input ist dem Rat daher "schon lange Zeit ein sehr wichtiges Thema", sagte Herlitschka.

Am deutlichsten unter den Werten der Innovationsführer liege Österreich dementsprechend im Bereich der Effizienz. Dazu kommen die Gebiete Umwelt und Klima, Regulierung und Steuern, die Performance der universitären und außeruniversitären Forschung, die Digitalisierung und den technologiebasierten Unternehmensgründungen. Letztere kämen trotz einiger Initiativen weiter nicht vom Fleck. Die in der FTI-Strategie 2030 "intendierte Erweiterung der Venture-Capital-Investitionen auf 0,1 Prozent des BIP ebenso wie die Zielsetzung, zwei österreichische Universitäten unter die Top 100 zu bringen", erscheine daher "überambitioniert".

Defizite bei der Digitalisierung

Dass in der neuen FTI-Strategie die "Grand Challenges" Digitalisierung und Klimawandel hervorgehoben werden, sei positiv. Hier brauche es jedoch rasche Initiativen und eine nachdrückliche Umsetzung. Dazu gehöre u.a. auch der im internationalen Vergleich hinterherhinkende Breitbandausbau oder das Gewährleisten des Zuganges zu Daten für die Forschung. Den angestrebten größeren Sprung im Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) bis 2030 schätzen die Berichtsautoren als eher unrealistisch ein.

Gerade bei der Digitalisierung sei der Abstand zu den führenden Ländern "besonders groß", konstatierte Herlitschka. Angesichts von Mängeln in der Infrastruktur, dem Fachkräftemangel oder der schwachen Erfindungsperformance müsse man sagen: "Wir haben in vielen Bereichen ein schickes Auto gebaut", die Digitalisierung sei aber die Straße, deren Ausbau vernachlässigt wurde.

Geradezu erstaunt zeigte sich Ratsmitglied Jakob Edler vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe, dass die österreichischen F&E-Ausgaben im Bereich Umwelt und Klima eigentlich als "sehr schlecht" zu bewerten seien. Da "es kein eigenes FTI-politisches Ziel im Zusammenhang mit dem Klima- und Umweltschutz gibt", sollte nachgebessert werden, tönt es in dem Bericht: "Zumindest ein Inputziel bzw. eine budgetäre Prioritätensetzung", um die Forschungs- und Entwicklungsgelder in der Energie- und Umweltforschung zu erhöhen, "wäre aus Sicht des Rates angezeigt gewesen".

Augenmerk auf Schulen, Universitäten und Grundlagenforschung

Um die angepeilte Stärkung der wissenschaftlichen Exzellenz voranzubringen sollte laut dem Forschungsrat die Förderung der Grundlagenforschung und der insgesamt im Wettbewerb vergebenen Mittel "zumindest auf das durchschnittliche Niveau der führenden Länder" angehoben werden. In der Schweiz steht für Grundlagenforschung immerhin rund vier Mal so viel Geld wie in Österreich bereit - ein Faktum, auf das der RFTE seit vielen Jahren hinweist.

Dass die Bedeutung und der Ausbau der Hochschulbildung in der Strategie hervorgehoben wird, bewertet das Beratungsgremium der Regierung positiv. Allerdings wurde die Schulbildung "fast vollständig ausgeklammert, was angesichts ihrer fundamentalen Bedeutung für das FTI-System kritisch zu bewerten ist". Viel Luft nach oben sieht der Rat u.a. auch beim Management von Universitäten und beim Schutz von geistigen Eigentumsrechten.

Kommentare