Forschungsmanagerin Bach: "Mathematik nicht zu beherrschen, muss uncool sein"
Brigitte Bach, Chefin des Industrieforschungsinstituts AIT, erzählt, wie man Begeisterung für Naturwissenschaften weckt und wo uns Künstliche Intelligenz helfen kann
von Martina SalomonDie Physikerin hält Forschung für zukunftsentscheidend und erzählt über ihren eigenen Werdegang.
KURIER: Warum finden die Technologiegespräche nach 30 Jahren erstmals nicht mehr in Alpbach statt?
Brigitte Bach: Das Europäische Forum hat die Struktur der Konferenz verändert – es passt nicht mehr für uns. Wir bringen am 12./13. September 80 internationale, renommierte Sprecher und Sprecherinnen ins Museumsquartier.
Beschreiben Sie bitte die Tätigkeit des Austrian Institute of Technology.
Wir sind eine Brücke zwischen Forschung und Industrie und schauen uns unter anderem an, wie man in der Triple Transition von fossiler Energie wegkommt. Mit Wienerberger entwickeln wir zum Beispiel Hochtemperaturwärmepumpen, die man anstelle von Gas zur Ziegel-Trocknung verwenden kann.
Österreich liegt bei Forschungsausgaben an dritter Stelle in der EU, beim Wirtschaftswachstum am Schluss. Stimmen Input und Output nicht zusammen?
Forschung ist nicht die einzige, aber eine wesentliche Komponente für die Wettbewerbsfähigkeit. Daher fordern wir weiteren Ausbau und Stärkung der Forschung.
Wir sind doch schon Spitze.
Forschung und Technologieentwicklung ist mit Spitzensport vergleichbar. Eine Leistung, die bei den letzten Olympischen Spielen fürs Stockerl gereicht hat, reicht jetzt oft nicht einmal mehr, um unter die ersten zehn zu kommen. Wir befinden uns in einem Marathon im Sprinttempo, um auf dem Stockerl zu bleiben. Es braucht nicht nur höhere Anstrengungen, sondern auch internationale Kooperationen. Forschung ist das zentrale Instrument, die Zukunft zu gestalten.
Müsste man dafür auch national die Kräfte bündeln? Es gibt so viele Forschungsinstitute in Österreich – übrigens mit sperrigen Namen: AIT, IST Austria, FWF, FFG.
Das ist sicher sinnvoll. Das AIT leitet zum Beispiel einen Forschungsverbund, der an Industrieprozessen für Dekarbonisierung arbeitet.
Zum ausführlichen KURIER TV-Gespräch mit Brigitte Bach
Das AIT forscht auch an umweltverträglicher Luftfahrt. Was wird da kommen?
Es geht darum, weniger und erneuerbare Energie zu verbrauchen. Wir forschen an leichteren Bauteilen für die Flug- und Autoindustrie und an Batterien der Zukunft.
Was müssen Ihre Mitarbeiter an Qualifikation mitbringen?
Vor allem naturwissenschaftlich-technische Studien.
Muss sich dafür nicht auch der Schulunterricht ändern? In Wahrheit ist doch fast jeder nach der Matura froh, nichts mehr von Mathematik oder Physik zu hören.
Ja, man muss die Liebe der Kinder zu Naturwissenschaft entwickeln – vor allem der Mädchen. Frauen sind ein nicht ausgeschöpftes Potenzial. Es darf nicht mehr „cool“ sein, Mathematik nicht zu beherrschen. Das ist genauso uncool, wie nicht gut Deutsch zu können.
Was hat Sie selbst dazu gebracht, Physik und Astronomie zu studieren?
Ich wollte den Zusammenhang zwischen der ganz kleinen Seite der Welt – den Materieteilchen – und dem Weltraum verstehen: wohin sich alles entwickelt.
Wer weckte Ihr Feuer dafür?
Mein Vater, der Chemiker war, brachte mir Bücher über Astronomie und Sterne und diskutierte mit mir darüber.
Muss sich auch die Lehrerausbildung wandeln?
Ja. Dabei geht es vor allem um die Fähigkeit, Dinge anschaulich zu erklären, um Begeisterung zu wecken.
Wie war das dann als Physikstudentin an der Uni?
Schwierig, weil ich aus einem neusprachlichen Gymnasium kam, während vor allem die Burschen eine HTL absolviert hatten. Wir waren in der ersten Vorlesung nur vier Frauen. Alle vier haben übrigens das Studium beendet, während von den 100 Studienanfängern nach ein paar Monaten nur noch 60 übrig geblieben waren.
Sie sind dann auch im Management an die Spitze gekommen. Wie hart war es?
Es gibt die gläserne Decke, aber man darf sich nicht abbringen lassen. Das ist auch für die Unternehmen wichtig.
Nach den aufgeflogenen Anschlagsplänen gegen das Taylor-Swift-Konzert in Wien wird noch mehr über Cybersecurity diskutiert. Welchen Beitrag leistet das AIT dazu?
Wir haben zum Beispiel eine Cyber-Range, wo wir Ausbildung für Unternehmen anbieten und Ernstfälle simulieren können. Für die breite Bevölkerung interessant ist unser Fake-Shop-Detector. Über 300.000 Österreicher jährlich erleiden einen finanziellen Schaden durch Fake Shops. Mit einem kostenlosen Browser-Plug-in können Sie dies mit künstlicher Intelligenz enttarnen. Und wir arbeiten an KI, die Fake News und Hate Speech entdeckt.
Der E-Boom – von Solarpaneelen bis E-Autos – findet in China statt. Die USA sind bei digitalen Plattformen und Künstlicher Intelligenz vorne. Wo ist denn die Nische für Europa und Österreich?
Europa war immer in Produktionsprozessen stark. Jetzt geht es darum, Künstliche Intelligenz auch bei Qualitätssicherung einzusetzen, um noch effizienter zu produzieren.
Smart machines?
Zum Beispiel. Wir entwickeln auch Materialien mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz weiter. Da kann Europa wieder auf den Stockerlplatz kommen. Wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit wäre aber, Forschung und Technologie mit Industriepolitik enger abzustimmen und zu überlegen, wo wir künftig industriell stark sein wollen.
Was halten Sie von CO2-Speicherung?
Das ist ein Muss. Müllverbrennung etwa, die in Zusammenhang mit Fernwärme sinnvoll ist, erzeugt CO2-Emissionen. Dieses CO2 kann man in alten Öl- oder Gaslagerstätten speichern.
Tut es Ihnen leid, als Managerin selbst nicht mehr forschen zu können?
Ein bisschen!
Das Institut Das Austrian Institute of Technology (AIT) ist die größte außeruniversitäre angewandte Forschungseinrichtung Österreichs mit über 1.500 Mitarbeitern und 200 Millionen Umsatz. Schwerpunkte: nachhaltige Infrastruktur und digitale Transformation. Am 12. und 13. September veranstaltet das AIT erstmals in Wien seine Technologiegespräche.
Der Vorstand Es gibt einen Dreiervorstand, dessen Vorsitzende die Physikerin und Astronomin Brigitte Bach seit dem Vorjahr ist. Davor war sie Direktorin der Salzburger Energie AG.
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