Flughafen-Chef Jäger: "Flugzeuge sind besser ausgelastet denn je“
Die Luftfahrtindustrie nimmt wieder Fahrt auf. Trotz hoher Ticketpreise und Diskussionen über die Öko-Bilanz von Flügen im Allgemeinen und dem Sinn von Kurzstreckenflügen im Speziellen, sind die Maschinen so gut gebucht wie selten zuvor. Flughafen-Wien-Vorstand Julian Jäger über 300.000 Passagiere am ersten Ferienwochenende, die Vorteile der Selbstbedienung beim Einchecken und die Bedeutung der Regionalflughäfen.
KURIER: Ostösterreich startet ins zweite Ferienwochenende, Hochbetrieb am Flughafen Schwechat. Wie viele Passagiere werden an so einem Wochenende am Flughafen abgefertigt?
Julian Jäger: Wir hatten am ersten Ferienwochenende, also von Freitag bis Sonntag, 300.000 Passagiere. In den gesamten Sommerferien rechnen wir mit rund sieben Millionen Fluggästen.
Ist damit das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht?
Es fehlen nur noch rund zehn Prozent zum Niveau von 2019, somit liegen wir im europäischen Mittelfeld. Für das Gesamtjahr erwarten wir 27 Millionen Passagiere. Südeuropa übertrifft das Vorkrisenniveau bereits, Deutschland weist dagegen ein Minus von 25 Prozent aus.
Wie das?
Vor allem, weil der innerdeutsche Luftverkehr 30 bis 40 Prozent unter 2019 liegt. Auch, weil fast ein Drittel weniger Geschäftsreisende innerhalb des Landes, also auf der Kurzstrecke, unterwegs sind. Dazu kommt, dass weniger Low-Cost-Carrier deutsche, wie auch schweizer Flughäfen anfliegen.
Apropos Kurzstrecke und die Frage, ob diese aus ökologischer Sicht noch legitim ist. Die Lufthansa hat die Verbindung Graz-München wieder ausgebaut. Macht das noch Sinn?
Natürlich, 80 bis 90 Prozent der Passagiere auf der Kurzstrecke sind Umsteigepassagiere. Das sehen wir etwa bei den Verbindungen nach Prag, Graz oder Salzburg. Auf manchen Verbindungen, wie Wien – Kosice, sind es sogar noch mehr. Weder dem Klima noch dem Wirtschaftsstandort Österreich hilft es, wenn Flüge zwischen Graz und Wien gestrichen werden. Dann fliegen die Menschen eben von Graz über Frankfurt oder München nach New York, was in Sachen CO2-Ausstoß keine Verbesserung bringt.
Braucht das kleine Österreich so viele Regionalflughäfen?
In ihrer Region spielen sie alle eine sehr bedeutende Rolle, deswegen hat jeder Regionalflughafen seine Berechtigung. Denken Sie nur an Innsbruck oder Salzburg und die Bedeutung der Fluganbindungen für die Tourismuswirtschaft. Linz und Graz sind starke Wirtschaftsstandorte, die mit den Hubs in der Welt verbunden sein müssen. Auch Klagenfurt könnte aus meiner Sicht im Tourismus eine bedeutendere Rolle bekommen. Kurz, ich denke, alle Regionalflughäfen sind wichtig.
Video: Das ausführliche Sommergespräch mit Flughafen Wien-Vorstand Julian Jäger
Die Ticketpreise kosten gefühlt so viel wie nie zuvor. Um wie viel sind die Preise gestiegen?
Im Durchschnitt liegen sie um bis zu 30 Prozent über dem Vorjahr. Auf die Nachfrage hatte das jedoch keine negativen Auswirkungen. Die Flugzeuge sind besser ausgelastet denn je. Wer noch verreisen will, sollte also eher früher als später buchen.
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Wie wird es mit den Preisen weitergehen?
Ich schätze, 2024 werden sich die Preise einpendeln.
Fix ist, dass man am Flughafen beim Einchecken immer mehr Arbeiten selbst übernehmen muss. Etwa die Gepäckabgabe beim Self Check-in. Gibt es da viele Beschwerden?
Nein, praktisch keine. Es sind ja Mitarbeiter vor Ort, die helfen. Ich glaube, wer das Self Check-in einmal ausprobiert hat, schafft es beim zweiten Mal ohne Hilfe eines Mitarbeiters. Der Vorteil davon ist, dass die Wartezeiten beim Einchecken und später bei den Sicherheitskontrollen, reduziert werden, weil der Passagierfluss sich besser verteilt. Wir sehen das gerade auch bei den Low-Cost-Carriern, bei denen wir die Selbstbedienungsterminals erst vor zwei Wochen, also pünktlich zum Ferienstart, eröffnet haben.
Neu am Flughafen Wien ist auch, dass man den Koffer von Zuhause abholen und einchecken lassen kann. Was kostet das?
Der erste Koffer 26 Euro, jeder zusätzliche 5 Euro. Ich glaube, das ist ein kostengünstiges Service, das viel Potenzial hat. Vermutlich die entspannteste Form einen Urlaub zu beginnen.
Geschichten von Flugreisen sind oft Chaos-Geschichten. Streiks, fehlendes Personal, langes Warten bis zum Start ...
In Wien läuft es deutlich besser als auf anderen Flughäfen. Die Prozesse funktionieren besser, wir haben ein gut eingespieltes Team und 300 Mitarbeiter mehr als noch vor einem Jahr. Das heißt leider nicht, dass es bei 700 Abflügen am Tag nie Verspätungen geben wird. Aber wir sind bei den Vergleichen immer unter den pünktlichsten Flughäfen in Europa.
Wo sehen Sie diesen Sommer die größten Probleme?
Der Flugverkehr ist ein komplexes System. Gibt es irgendwo in Europa ein Problem, hat das immer auch auf andere Auswirkungen auf andere Standorte. Wetterkapriolen und die Personalsituation an anderen Flughäfen, sowie ein voller Luftraum wirken sich aus. In Österreich funktioniert die Flugsicherung heuer exzellent, schwieriger ist die Situation in Deutschland und Frankreich. Wenn sie im Flugzeug sitzen, das Gefühl haben, dass alles fertig ist und trotzdem die Maschine nicht abhebt, liegt das mitunter auch daran, dass der Luftraum oder der Zielflughafen überlastet ist. Meiner Meinung nach müsste man die Ausbildung und die Systeme der Flugsicherungen europaweit harmonisieren.
Notwendig ist – auch in Ihrer Branche – die Erreichung von Klimaneutralität. Wie passt so ein Nachhaltigkeitsziel überhaupt mit dem Flughafengeschäft zusammen?
Wir sind als Flughafen seit diesem Jahr CO2-neutral. Von meinem Bürofenster aus sieht man die größte Photovoltaikanlage Österreichs. Wir produzieren hier aktuell 40 Prozent unseres Strombedarfs selbst, werden bald auf eine Quote von rund 50 Prozent kommen. Auch die Fernwärme, der Strom, den wir zukaufen, ist CO2-neutral. Und nur noch wenige unserer Fahrzeuge am Flughafen sind nicht batteriebetrieben – deren CO2-Ausstoß kompensieren wir noch. Aber wir haben die Ambition bis zum Jahr 2033 komplett klimaneutral zu sein.
Gleichzeitig wird der Flughafen ausgebaut – was ist geplant?
Wir starten 2023 mit der Süderweiterung, errichten 70.000 Quadratmeter zusätzliche Terminalfläche. 20207 geht diese mit zusätzlichen Gastro- und Aufenthaltsflächen in Betrieb.
Flughafen Wien
In Wien sind rund 70 Airlines vertreten, die diesen Sommer von Schwechat aus mehr als 190 Ziele anfliegen. Im Gesamtjahr werden 27 Mio. Passagiere erwartet, im Rekordjahr 2019 waren es knapp 32 Mio.
Julian Jäger
Der 51-Jährige ist seit 2011 im Flughafen-Vorstand und seit Anfang Juni 2023 zudem Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Verkehrsflughäfen. Jäger ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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