Firmen-Abverkauf: "Österreichische Interessen wahren"

Ex-Politikerin und Top-Managerin Brigitte Ederer: "Chinesen sind in Europa auf Einkaufstour"
Top-Managerin Brigitte Ederer warnt vor ausländischen Übernahmen von wichtigen heimischen Unternerhmen.

KURIER: Finanzminister Schelling hat Ihnen vorgeworfen, sich in der Diskussion um die Unternehmen mit Staatsbeteiligung wichtig zu machen.

Brigitte Ederer: Dann mache ich mich jetzt wirklich einmal wichtig (lacht).

Sie sorgen sich um Unternehmen, die an ausländische Eigentümern verkauft werden?

Ja. In den nächsten Jahren könnten etliche Unternehmen übernommen werden, die von gesellschaftspolitischer oder volkswirtschaftlicher Bedeutung für Österreich sind. Wir brauchen einen Strukturfonds, der sich gemeinsam mit der Politik überlegt, welche Unternehmen wichtig für Österreich sind.

Warum glauben Sie, dass solche kritischen Übernahmen bevorstehen?

Banken und Versicherungen werden wegen der Eigenkapitalvorschriften in den nächsten Jahren Unternehmensbeteiligungen abstoßen. Leipnik Lundenburger, Agrana und Molkereien beispielsweise sind aber Grundversorger mit Nahrungsmitteln.

Die Industrie-Managerin Brigitte Ederer sorgt sich ausgerechnet um Molkereien?

Dann ist’s nichts mehr mit "natürlich". Milch von holländischen Großmolkereien ist nicht giftig, aber der Zugang dieser Unternehmen ist die industriell produktive Fertigung. Aber wenn man zum Schluss kommt, Molkereien sind nicht im österreichischen Kerninteresse, ist es mir auch recht. Oder denken Sie an die voestalpine. Die Oberbank hält knapp acht Prozent, die Raiffeisenlandesbank OÖ 14 Prozent. Zudem sterben viele Stiftungsgründer langsam weg und es kommt eine Generation, die Geld sehen will.

Die kein Interesse am Unternehmen hat?

Die nächste Generation hat sehr oft einen anderen Zugang und keine emotionale Bindung zum Unternehmen. Da hat die Tochter/der Sohn zum Beispiel Medizin studiert und interessiert sich nicht für den Familienbetrieb.

Welche ausländischen Käufer fürchten Sie?

Die Chinesen sind auf Einkaufstour in Europa.

Wird die chinesische Bedrohung nicht übertrieben?

Keineswegs. In der letzten Zeit haben mir vier mittelständische Unternehmer erzählt, dass sie dauernd von Chinesen kontaktiert werden, ob sie ihr Unternehmen verkaufen wollen. Bevor tatsächlich verkauft wird, könnte sich der Österreich-Fonds einschalten. In den USA gibt es eine Behörde, die prüft, ob Übernahmen ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Sie denken an die vor kurzem gescheiterte Übernahme des amerikanischen Halbleiter-Spezialisten Wolfspeed durch Infineon?

Der Verkauf war schon ausgemacht, aber aus nationalen Sicherheitsgründen gab es Widerspruch. Daraufhin wurde die Übernahme abgesagt. Eine solche Behörde hat Österreich als kleines Land nicht.

Aber wir haben ein Außenwirtschaftsgesetz, das vor mehrheitlichen Übernahmen außerhalb des EU-Raumes schützt.

Es würde formal schützen, kann allerdings durch Konstruktionen umgangen werden. Aber man muss eine Alternative anbieten können. Unternehmen verkaufen ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie Teile nicht mehr benötigen. Oder es geht der Muttergesellschaft schlecht und sie verkauft ein Juwel. In Deutschland wollte Kanzlerin Merkel die Übernahme des Roboterbauers Kuka verhindern, aber es fand sich kein deutsches Unternehmen als Käufer. Nochmals: Es nützt nichts, einen Verkauf nur zu verbieten, man muss eine Alternative anbieten.

Wenn sich der Staat wieder in Unternehmen einkauft, kommt sofort die Kritik an einer Verstaatlichung.

Wenn alle vernünftig bleiben, kann der Staat österreichisches Eigentum absichern. Banken und Versicherungen könnten als Kapitalgeber des Fonds dazu geschaltet werden. Kapital gibt es genug. Das wären dann indirekte Beteiligungen, die nicht diesen strikten Eigenkapitalregeln unterliegen.

Sollte dieser Österreich-Fonds in die derzeitige Staatsholding ÖBIB eingebracht werden?

Wäre eine Möglichkeit. Die ÖBIB hat keine Schulden mehr. Bei der derzeitigen Zinslandschaft könnte die ÖBIB zu sehr günstigen Konditionen erheblich Kapital aufnehmen. Dann kann man immer noch überlegen, die Unternehmen an die Börse zu bringen. Derzeit aber wird einfach verkauft, ohne die österreichischen Interessen zu berücksichtigen. Es dürfen nicht einfach Eigentumsänderungen passieren, über die sich zuvor niemand Gedanken gemacht hat.

Die ÖVP wird Ihnen vorwerfen, Sie wollen das Rad der Zeit zurück drehen und wird mit dem Schreckgespenst der alten verstaatlichten Industrie kommen.

Sollte die ÖVP so argumentieren, dann müsste sie erklären, was sie unter österreichischer Industriepolitik versteht. Ich dachte, es ist Schwerpunkt der ÖVP-Politik, österreichische Interessen in den Vordergrund zu rücken. Man kann natürlich auf dem Standpunkt stehen, wir brauchen keine österreichischen Banken und keine österreichischen Eigentümer mehr. Aber ein heimischer Eigentümer hat ja doch einen Spielraum von fünf bis zehn Prozent, um österreichische Interessen zu berücksichtigen.

Und der parteipolitsche Einfluss? Die Politik kann sich damit eine herrliche Spielwiese schaffen, um ihre Günstlinge wieder fein mit Posten zu versorgen.

Das wäre natürlich schlecht. Aber erinnern Sie sich an die GBI (ehemalige staatliche Pleitenholding, Anm.), die hat gute Arbeit geleistet. Wenn jemand die Qualifikation hat und einen Job kann, dann soll er ihn machen. Egal, welcher Partei er angehört.

Karriere

Die Tochter einer alleinerziehenden Mutter startete nach dem Studium (Volkswirtschaft) bei der Wiener Arbeiterkammer und war für die SPÖ im Parlament. Unter Vranitzky wurde sie Europa-Staatssekretärin, danach Finanz- und Wirtschaftsstadträtin in Wien. 2000 wechselte sie in den Vorstand von Siemens Österreich, 2010 in den Konzernvorstand. Drei Jahre später zog sie sich vorzeitig zurück. Sie ist Aufsichtsrats-
Chefin der ÖBB, von deren Infrastruktur-Tochter sowie der Wien Holding und ist im Aufsichtsrat von Boehringer Ingelheim, Infineon Austria und Schoeller-Bleckmann. Verheiratet mit Hannes Swoboda, langjähriger SPÖ-Abgeordneter im EU-Parlament.

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