Finanzskandal im Vatikan: Kardinal auf der Anklagebank

Finanzskandal im Vatikan: Kardinal auf der Anklagebank
Der Mammutprozess zu dubiosen Immo-Deals hat mit einer Anhörung begonnen. Zum ersten Mal muss sich ein Kardinal verantworten.

Wahrlich historisch ist nicht nur der Prozess, sondern auch der eiligst adaptierte Gerichtssaal: In den vatikanischen Museen wurde ein eigener Raum für das Verfahren rund um den Finanzskandal im Vatikan eingerichtet, das am Dienstag mit einer ersten Anhörung begann. Gleich drei Richter unter der Leitung des vatikanischen Gerichtspräsidenten Giuseppe Pignatone führen den Prozess, der wohl viele Monate dauern dürfte.

Zum ersten Mal in der Geschichte muss sich nämlich ein Kardinal vor dem Gericht des Kirchenstaats verantworten. Dem 73-jährigen Giovanni Angelo Becciu, der bis zu seiner Entlassung im vergangenen September als Äquivalent eines Stabschefs für Papst Franziskus diente, werden Veruntreuung, Korruption, Erpressung, Geldwäsche und diverse andere Delikte vorgeworfen. Neben Becciu sind neun weitere Personen angeklagt, darunter ein römischer Banker, Juristen und der Ex-Direktor der vatikanischen Finanzaufsicht.

Freunderlwirtschaft

Becciu hatte über viele Jahre hinweg eine Schlüsselposition als Substitut im Staatssekretariat des Vatikans inne. Unter ihm investierte die Kurie 2018 und 2019 mehrere hundert Millionen Euro unter anderem in eine Luxusimmobilie im Londoner Stadtteil Chelsea. Am dubiosen Immo-Geschäft verdienten vor allem die Vermittler und das engste Umfeld des Würdenträgers. So erhielt etwa Cecilia Marogna, eine enge Vertraute von Kardinal Becciu, Hunderttausende Euro – angeblich für Wohltätigkeitszwecke.

Allerdings gab Marogna einen Großteil des Geldes für private Luxusgüter aus. Sie sitzt ebenfalls auf der Anklagebank. Ein mitangeklagter Investmentbanker soll mit fiktiven Rechnungen 15 Mio. Euro „verdient“ haben.

Kollekte verzockt

Der Vatikan als Staat blieb auf hohen Verlusten sitzen. Pikant: Auch aus dem sogenannten Peterspfennig, der einmal jährlich weltweit gesammelten Kollekte für den Vatikan, soll für den Immobilien-Deal Geld entnommen worden sein. Der zum Rücktritt gedrängte Kardinal Becciu gab sich in einer öffentlichen Erklärung wortkarg. Er fühle „großes Leid“, sagte er, aber bei Priestern und auch Kardinälen gebe es immer Leid. Er nehme dies als „Prüfung“ - und „hoffe, über kurz oder lang klärt sich alles auf“.

Dass ein Kardinal seiner Rechte und Privilegien entbunden wird, kommt in der katholischen Kirche äußerst selten vor. Zuletzt verloren 2018 der Amerikaner Theodore McCarrick und 2013 der Schotte Keith Patrick O'Brien die Kardinalswürden – beide wegen Sexualdelikten.ast

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