Lehre statt Leere

Lehre statt Leere
Die Ausbildung zum Finanzdienstleister wird erstmals auch als Lehrberuf angeboten.

Auf rund achtzig Seiten wird Wertpapierwissen vermittelt. Wie genau funktioniert das mit den Zinsen beim Sparbuch oder Bausparen, wie die Veranlagung in Aktien, Anleihen oder Immobilien? Dazu kommen umfangreiche Informationen in Sachen Volkswirtschaft, aber auch Rechtliches. Insgesamt fast 600 Seiten dick ist das Skriptum, das Lehrlinge im Berufsschul-Fach "Finanzdienstleistungskunde" stucken müssen.

Bisher als Schulversuch ausprobiert, ist die Ausbildung zur/zum Finanzdienstleistungskauffrau/-mann heuer erstmals ein Regellehrberuf – angeboten derzeit von sechs Berufsschulen. Wolfgang Göltl, Obmann des Fachverbandes der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer, hatte sich lange dafür eingesetzt. Zum Start greift der Fachverband daher auch in die Tasche und stellt das oben genannte Skriptum gratis zu Verfügung. Und zwar für heuer und kommendes Jahr. Derzeit gibt es übrigens 38 Lehrlinge, die diese Ausbildung gewählt haben.

"Ziel ist es, für Nachwuchs für die Branche und für schon frühe Qualifizierung zu sorgen", sagt Philipp Bohrn, Geschäftsführer des Fachverbandes. Auch bei Älteren in der Branche ist mehr Qualifizierung derzeit angesagt. Wie berichtet, ist Wertpapierberatung seit 1. September ein gebundenes Gewerbe. Angehende Berater müssen nun pauken und eine mündliche und schriftliche Prüfung ablegen, bevor sie Wertpapiere vermitteln dürfen. Regelmäßige Weiterbildung ist nun obligatorisch.

Assistenten

Bisher reichte es, sich als Finanzdienstleistungsassistent registrieren zu lassen. Dann war Beratung auch ohne viel Vorwissen möglich. Diese Assistenten – derzeit sind es noch rund 3300 – wird es nach einer Übergangsfrist ab Ende August 2014 gar nicht mehr geben. Dann dürfen nur noch geprüfte Wertpapiervermittler tätig sein.

Der Fachverband setzt sich auch dafür ein, dass in den Schulen mehr Finanzwissen vermittelt wird. "Eine Stunde pro Woche in den letzten zwei Schuljahren wäre gut", meint Verbands-Geschäftsführer Bohrn. Wissende Kunden und wissende Berater – so könnte vermieden werden, dass falsche Anlageprodukte gewählt werden.

Auch für Otto Lucius, Chef der Bankwissenschaftlichen Gesellschaft, hängt vieles vom Finanzwissen von Beratern und Konsumenten ab. "Auch Berater müssen mit Wissen aufgerüstet werden." Sonst würden Kunden vermehrt zu Direktbanken flüchten. Berater müssten sich zudem vom reinen Wertpapierverkauf lösen und künftig eine umfassende Finanzplanung anbieten.

Auf der Konsumentenseite ortet Lucius einen "Finanz-Analphabetismus", viele Kunden wären leichte Beute für Scharlatane.

Helfen würde hier auch ein Wechsel von Provisionen hin zur Honorarberatung (siehe dazu Beitrag unten). "Das ist die Zukunft, wir müssen die Kunden davon überzeugen", ist Lucius überzeugt. Für anständige Leistung müsse anständig gezahlt werden. Die Finanzdienstleistungskaufleute, die in die Branche hineinwachsen, werden später vielleicht davon profitieren können.

EU macht sich für Fixhonorare stark

Soll der Kunde für eine Wertpapierberatung ein fixes Stundenhonorar zahlen? Oder sollen nur dann Provisionen anfallen, wenn er sich für ein bestimmtes Produkt entscheidet und einen entsprechenden Vertrag abschließt? Dieses Thema ist schon heftig diskutiert worden. Auch die EU-Kommission hat dazu einen Vorschlag. Geht es nach ihr, sollen all jene Berater, die sich als unabhängig bezeichnen, ausschließlich Fixhonorare verrechnen. Ende des Jahres könnte sich das EU-Parlament mit dem Thema befassen, in Kraft treten könnte das entsprechende Gesetz dann eventuell mit 2015.

Pro Fixhonorar Der Kunde zahlt einen Stundensatz für die unmittelbare Leistung des Beraters. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Kunden ein Produkt "angedreht" wird, das nicht zu ihm passt, ist geringer. Der Berater wiederum steht nicht unter Verkaufsdruck und wird nach seinem tatsächlichen Aufwand bezahlt.

Contra Fixhonorar Der Kunde muss in jedem Fall zahlen, auch wenn er sich für kein Produkt entscheidet. Kunden, die mehr wissen wollen und sich länger beraten lassen, werden "bestraft". Im Verhältnis zum gewählten Produkt kann das Honorar sehr teuer sein. Zahlt der Kunde das Honorar nicht, steht der Berater ohne Einkommen da.

Pro Provision Kommt kein Abschluss zustande, muss der Kunde gar nichts zahlen. Die Provisionssumme steht in direktem Zusammenhang mit der Veranlagungssumme. Für Berater erleichtert die Provision den Einstieg in den Beruf.

Contra Provision Der Berater könnte in einen Interessenskonflikt geraten und dem Kunden jenes Produkt anbieten, bei dem er das meiste verdient. Hohe Abschlusskosten am Anfang bedeuten, dass weniger Geld gleich zur Veranlagung kommt. Ein früher Um- oder Ausstieg aus Veranlagungsprodukten ist relativ teuer.

Bei all diesem Für und Wider setzt sich die Branche dafür ein, dass der Kunde wählen kann – fixer Stundensatz für die Beratung oder eben eine Provision.

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