6 Thesen, wie man mehr Fachkräfte aus Drittstaaten anlockt
Wirtschaftskammer-Chef Mahrer will jährlich mehr als 10.000 Arbeitskräfte aus Drittländer anwerben und dafür Kräfte bündeln. Dabei gibt es viel zu verbessern.
Als am 1. Juli 2011 die Rot-Weiß-Rot-Karte nach Vorbild Kanadas in Kraft trat, waren die Erwartungen hoch. Bis zu 10.000 Fachkräfte jährlich erhoffte sich die Wirtschaft. Im ersten Jahr waren es dann gerade einmal 1.000, darunter auch etliche Eishockey-Profis.
Zwölf Jahre später ist die Fachkräftekrise größer denn je. Trotz Erleichterungen bei den Zugangshürden kamen im Vorjahr erst 6.182 Arbeitskräfte mittels Rot-Weiß-Rot-Karte. Die meisten davon aus Bosnien und Serbien, nur 480 aus Zentral- und Südamerika. Heuer waren es in den ersten drei Monaten knapp 1.900, um 50 Prozent mehr als im Vorjahr.
Angesichts von 200.000 unbesetzten Stellen noch immer deutlich zu wenig, weshalb Wirtschaftskammer (WKO) und Wirtschaftsministerium jetzt ihre Kräfte bündeln, um bei den Anwerbungen erfolgreicher zu sein. WKO-Präsident Harald Mahrer will die Zahl jährlich „in einen fünfstelligen Bereich“, also mindestens 10.000 bringen. Dafür braucht es vor allem folgende Schritte:
1. Servicestellen
Schon vor vier Jahren wurde die Ansiedelungsagentur Austria Business Agency (ABA) zur Servicestelle für die Abwicklung der Rot-Weiß-Rot-Karte ausgebaut. Das Problem: Die ABA hat dafür viel zu wenig Personal und fühlt sich daher primär nur für den Industrie- und Technologiebereich zuständig, nicht jedoch für den Tourismus oder Pflegebereich. Die Bundesländer wiederum haben eigene Anwerbegesellschaften, hier fehlt es oft an Koordinierung.
2. Behördenwege
Die ABA kann Behördenwege begleiten, sie aber nicht immer beschleunigen. Wichtige Schritte wie die Anerkennung ausländischer Abschlüsse oder das Ersatzkraftverfahren (AMS) werden anderswo abgewickelt. Der gesamte Prozess dauert daher oft länger als in anderen Ländern.
Um Ressourcen gezielt einzusetzen, macht es Sinn, sich auf wenige Länder zu konzentrieren. Die ABA will vermehrt Jobbörsen in Albanien, Kosovo und Mazedonien durchführen. Dort gibt es viele gut ausgebildete Kräfte im IT- und Elektronik-Bereich. Pflegekräfte sollen verstärkt von den Philippinen, Indonesien oder Brasilien kommen. Erleichterungen gibt es für Vertriebene aus der Ukraine, die EU-Bürgern gleichgestellt werden.
4. Fokusberufe
Am größten ist der Personalbedarf in der Pflege, wo aber auch die stärkste Konkurrenz herrscht. Als weitere Schwerpunkte wurden vom Ministerium IT, Handwerk, Elektro und auch der Tourismus gesetzt. Im Tourismus setzt man auf die neue Stammsaisonnier-Regelung, die erste Wirkung zeigt.
5. Qualifikationen
Großes Problem ist die mangelnde Anerkennung von im Ausland erworbener Qualifikationen. Ausländische Fachkräfte werden daher oft nicht ihrer Ausbildung entsprechend eingesetzt, sind häufig überqualifiziert. Österreich hinkt hier anderen EU-Ländern nach und muss nachschärfen.
6. Willkommenskultur
Im Wettbewerb um die besten Köpfe sind Deutschland und die Schweiz die größten Konkurrenten. Die Schweiz hat mit ihrer Internationalität und Willkommenskultur klar die Nase vorn, Deutschland bietet hingegen aufgrund der Größe mehr Perspektiven und hat die Zugangsregeln kürzlich gelockert.
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