EZB-Geldschwemme: Erfolg oder "draghischer" Irrtum?

EZB-Präsident Mario Draghi hat bereits angekündigt, dass die Notenbank die Geldschleusen noch weiter öffnen könnte.
Höhere Dosis der Mega-Geldspritze ab Dezember möglich. EZB-Chef wartet weitere Daten ab.

Die sinkende Teuerungsrate bereitet Europas Währungshütern Sorgen. Wieder einmal. Im September sind die Preise im Euroraum um 0,1 Prozent gefallen. Die Europäische Zentralbank werde ihr Inflationsziel (plus 2 Prozent) für längere Zeit verfehlen, räumte Zentralbankchef Mario Draghi am Donnerstag in Malta ein. Was also tun?

Schon werden Forderungen laut, das gewaltige Kaufprogramm auszuweiten. Zur Erinnerung: Im Jänner 2015 kündigte die EZB an, Monat für Monat Wertpapiere um 60 Milliarden Euro zu kaufen – bis Ende September 2016, vielleicht sogar länger. In Summe sind das unfassbare 1140 Milliarden Euro. Jetzt steht die Tür für eine Erhöhung der Dosis weit offen. Die Notenbank könnte die Geldschleusen noch weiter öffnen: "Wir haben den Willen und die Fähigkeit zu reagieren, falls dies notwendig ist", sagte Draghi. Das Kaufprogramm könne im Umfang ausgedehnt oder zeitlich gestreckt werden. Er wolle er aber noch weitere Wirtschaftsdaten abwarten. Somit könnte es im Dezember so weit sein.

Euro geht auf Sinkflug

Die Märkte gehen offenbar fix davon aus: Der Wechselkurs des Euro gab prompt nach und fiel von 1,1353 auf 1,1177 Dollar. Die Aktien im deutschen Leitindex DAX vollführten einen Freudensprung von 1,5 Prozent.
Aber was hat die gewaltige EZB-Geldspritze denn eigentlich gebracht, abgesehen von jubelnden Investoren?

Im Idealfall kommt das frische Geld über Geschäftsbanken in Form von Krediten bei Unternehmen und Verbrauchern an. Das soll Investitionen und Konsum anschieben und so die Konjunktur in Schwung bringen und die Inflation anheizen. Bis zum 16. Oktober hat die EZB in diesem Rahmen allein Staatsanleihen im Gesamtvolumen von knapp 371 Mrd. Euro erworben.

Nur ein Strohfeuer?

Ein halbes Jahr lang schien alles in Butter. Der Eurokurs fiel, Kredite wurden billiger, die Teuerungsrate stieg flott an. Alles wie gewünscht. Eine gefährliche Deflationsspirale (dauerhaft fallende Preise) schien abgewendet. Noch im Sommer konnten sich die Notenbanker zufrieden auf die Schulter klopfen.

Jetzt werden die Gesichter länger und länger. Irgendwann im Juli scheint der Faden gerissen. Die Inflationsrate fällt und fällt. Die Finanzmarktakteure glauben derzeit nicht einmal, dass die EZB in fünf Jahren ihr Zwei-Prozent-Ziel erreichen wird.

War alles nur ein Strohfeuer? Die EZB hält dagegen, dass es ohne die Geldspritze noch schlimmer gekommen wäre. Zudem fördere der billigere Eurokurs die Exporte. Kredite sind für die Unternehmen ebenfalls billiger geworden und das Volumen der Geld-Ausleihungen schrumpft zumindest nicht mehr.

Das Öl ist schuld

„Der Großteil dieser Effekte hat gar nichts mit dem EZB-Kaufprogramm zu tun“, sagt indes Valentin Hofstätter von Raiffeisen Research. Das seien ganz normale Begleiteffekte der wirtschaftlichen Erholung im Euroraum. Er sieht keinen Grund,warum die EZB stärker aktiv werden sollte. Denn die sinkende Inflationsrate hänge mit dem gefallenen Ölpreis zusammen – ein statistischer Effekt, der sich ab Jahresende von selbst erledigt. Die EZB agiere nach dem Motto: „Hilft’s nichts, so schadet’s nichts.“

Nebenwirkungen

Was sich als Trugschluss erweisen könnte: Das EZB-Kaufprogramm treibt nämlich die Kurse von Vermögenswerten hoch. Somit steigt die Gefahr, dass Finanzblasen platzen. Obendrein wird den Banken die Sanierung erschwert, weil ihre Zinsspanne immer stärker zusammengequetscht wird. Abgesehen davon: Was würde die EZB tun, sollte die Konjunktur tatsächlich einbrechen?

Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny hat sich zuletzt skeptisch zu den Möglichkeiten der Geldpolitik geäußert: Jetzt seien die Staaten an der Reihe, das Wachstum in Gang zu bringen – durch Strukturreformen und expansivere Fiskalpolitik (höhere Ausgaben).

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