EZB-Chef deutet Kompromiss für Athen an

Illustre Runde zu Griechenland: EZB-Chef Mario Draghi (l.) mit Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Kanzleramt in Berlin.
Geringere Budgetüberschüsse denkbar. Draghi verlangt aber "starkes Abkommen" mit Athen.

Kein Anzeichen für einen frühen QExit, aber auch ein klares Nein zum Grexit. Wer jetzt nur Bahnhof versteht: Das waren die zwei Themen, die die EZB-Experten am Mittwoch am meisten interessierten: Steigt die EZB früher als erwartet aus dem gigantischen Anleihenkaufprogramm aus? (QE: Quantitative Easing). Nein, lautete Draghis Antwort. Es bleibt alles, wie geplant.

Athen muss finanziell tragfähige Lösung vorlegen

Zum Grexit, zum drohenden Rauswurf Griechenlands aus dem Euro, betonte Draghi, die EZB wolle das Land natürlich im Euro halten. Die Verhandlungen liefen aber noch weiter, es sei deshalb sinnlos, diese zu kommentieren, sagte der EZB-Chef am Mittwoch über die Ergebnisse des Gipfeltreffens im Berliner Kanzleramt. Es brauche aber ein "starkes Abkommen". Damit sei eine Vereinbarung gemeint, die "Wachstum erzeugt und sozial ausgewogen ist", so Draghi. Sie müsse aber zugleich finanziell nachhaltig sein und einen stabilen Finanzmarkt ermöglichen. Einige der Vorschläge aus den letzten Wochen wären eindeutig nicht auf Dauer tragfähig gewesen.

Die Wachstumsaussichten für Griechenland hätten sich verschlechtert. Das müsse bei den Budgetüberschüssen, die Athen vorgeschrieben werden, natürlich berücksichtigt werden, betonte Draghi. Der Streit zwischen IWF/EU und der Syriza-Regierung dreht sich nämlich auch um die Frage, wieviel Überschuss Griechenland in den nächsten Jahren (ohne Zinsen) erzielen muss. Die ursprünglichen IWF-Ziele waren von bis zu 4,5 Prozent ausgegangen - das ist völlig unrealistisch, sagen viele Kommentatoren.

Kurzfrist-Kredite

Die EZB hat dem griechischen Staat verboten, mehr als 15 Milliarden Euro an Kurzfristkrediten aufzunehmen. Diese Schwelle werde nicht aufgehoben, bevor es einen Deal mit der griechischen Regierung gebe, sagte Draghi. Selbst dann gebe es keinen Automatismus, aber man werde es erwägen.

Was passieren würde, wenn Griechenland am Freitag die anstehende Zahlung an den IWF nicht leistet, wollte Draghi nicht beantworten: "Wir werden sehen." Er wies aber darauf hin, dass ein IWF-Mitgliedsland in den 1970ern bereits einmal seine Zahlungen gebündelt am Ende des Monats überwiesen habe. Das könnte Athen noch einige Wochen mehr Zeit verschaffen.

Wenn Griechenland seine Schulden nicht mehr bedient, müsste die EZB eine Neubewertung der Qualität von griechischen Staatsanleihen vornehmen, die von den Banken bei der EZB als Sicherheit hinterlegt werden, und womöglich höhere Abschläge einkalkulieren. Zu diesem "Was wäre, wenn" wollte sich Draghi aber keine Aussagen entlocken lassen.

Rettungsleine für Griechenland

Offen blieb vorerst die Frage, wie es mit der Rettungsleine weitergeht. Die EZB muss nämlich die Nothilfen (ELA) genehmigen, die das südeuropäische Land und seine Banken seit Monaten über Wasser halten.

Insidern zufolge soll die EZB weitere Geldspritzen durch die Athener Notenbank abgesegnet haben - die Obergrenze für Liquiditätshilfen sei um 500 Millionen auf inzwischen 80,7 Milliarden Euro erhöht worden.

Zinsen unangetastet

Keine Überraschung bei den Leitzinsen: Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beließ diese nach seiner turnusmäßigen Sitzung am Mittwoch auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent.

Die Wachstumsprognosen der EZB blieben verglichen mit den März-Vorhersagen nahezu unverändert. 2015 soll die Wirtschaftsleistung der Eurozone demnach um 1,5 Prozent zunehmen, 2016 um 1,9 Prozent und 2017 um 2,0 Prozent.

Die Inflationsrate war zwar im Mai mit 0,3 Prozent noch weit von der EZB-Zielmarke von 2,0 Prozent entfernt. Die Richtung stimmt aber - die ärgste Deflationsgefahr (also von dauerhaft fallenden Preisen) scheint aber gebannt. Im Jänner lag die Teuerung schließlich sogar noch im negativen Bereich (-0,6 Prozent), im April betrug sie nur +0,3 Prozent. Die Inflation soll 2016 und 2017 noch stärker anziehen.

Überrascht seien nur die Märkte worden, nicht die EZB selbst. Die Notenbanker sehen sich darin bestätigt, dass ihr Kurs richtig ist.

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