EZB berät über Leitzins, Rekordinflation und Konjunktur im Fokus
Die mit Rekordinflation und Rezessionssorgen konfrontierte Europäische Zentralbank (EZB) berät am Vormittag über den Zinskurs. Während die US-Notenbank die Wende schon vollzogen hat und weitere Schritte folgen lassen will, schiebt die EZB die Entscheidung über höhere Zinsen wohl noch auf. Sie plant als Vorstufe einer Zinsanhebung zunächst das Ende ihrer milliardenschweren Anleihenkäufe möglichst noch im Sommer.
Die vergangene Woche positiv auf Corona getestete EZB-Chefin Christine Lagarde lässt den Zeitpunkt der Zinswende bisher offen. Deutsche-Bundesbankchef Joachim Nagel signalisierte hingegen, dass sich Sparer wohl schon bald wieder über höhere Zinsen freuen könnten.
Die führenden deutschen Forschungsinstitute sehen die Währungshüter jedoch in einem Zielkonflikt. Die hohe Inflation erfordere eigentlich höhere Zinsen. Doch die vom Ukraine-Konflikt beförderte Schwäche der Wirtschaft mache eher eine stimulierende Geldpolitik nötig. Unter Börsianern machte sich zuletzt Furcht vor einer konjunkturellen Talfahrt breit: "Bei der Frage, wann in Euroland die Rezession begann, dürften Ökonomen in der Rückschau den Beginn des zweiten Quartals 2022 als Start einer Rezession festlegen", prophezeit Manfred Hübner. Der Geschäftsführer der Investment-Beratungsfirma Sentix fühlt den Börsianern monatlich über einen Stimmungsindikator den Puls. Der russische Krieg gegen die Ukraine ließ deren Konjunkturzuversicht für die Eurozone zuletzt immer weiter einbrechen.
Zugleich sieht sich die EZB mit einer immer weiter steigenden Inflation konfrontiert. Die Teuerung lag zuletzt mit 7,5 Prozent meilenweit über dem Zielwert der Währungshüter von 2,0 Prozent. Der Einlagesatz - eine Art Strafzins für das Horten von Geld bei der EZB - liegt seit Jahren bei minus 0,5 Prozent, während auch der Leitzins auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent verharrt. Der EZB-Rat hält sich die Tür für eine Erhöhung zwar offen. Er will dabei aber nicht auf kurzfristige Ausschläge bei den Verbraucherpreisen reagieren. Die Währungshüter sehen sich vielmehr an ihre strategische Verpflichtung gebunden, die Inflation auf mittlere Sicht bei zwei Prozent zu stabilisieren.
Manche Experten erwarten, dass sie nun mit Blick auf die hohe Inflation einen schärferen Ton anschlagen werden. Womöglich werde ein Ende der Anleihenkäufe noch vor September signalisiert, um das Zeitfenster für eine erste Zinserhöhung zu vergrößern, meint Ökonom Pietro Baffico vom Asset-Manager abrdn.
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