Experten: Warum E-Autos der Saft ausgehen könnte
Für die Elektromobilität werden womöglich ausreichende Mengen Strom fehlen. Zumindest wird der Sektor mit anderen Bereichen wie der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) um Elektrizität kämpfen müssen, die weltweit 30 Prozent des Stroms benötige, warnt der Grazer Physiker und Professor Georg Brasseur. Für APG-Vorstandsdirektor Gerhard Christiner werden Speicher das große Thema der Zukunft.
Zwischen IKT und anderen Stromverbrauchssektoren wird es einen "Kampf" um Strom geben, etwa auch mit Wasserstoff-Technologien und E-Autos, prophezeite der Grazer TU-Professor am Mittwochabend bei einem Vortrag des Vereins Weis[s]e Wirtschaft im Presseclub Concordia.
IKT könne nur mit Strom betrieben werden, habe also keine Alternative - der Verkehr schon. Freilich könne man binnen zwei Jahrzehnten von einem vervierfachten IKT-Strombedarf ausgehen.
Drittel des Stroms für Netflix
In den USA gingen bereits 30 Prozent des Stromverbrauchs allein durch den Streamingdienst Netflix auf, meinte Brasseur. "Es ist eigentlich zu wenig Strom für den Verkehr da, daher bleibt als Lösung letztlich nur Energiesparen übrig." Den Stromanteil am gesamten Weltenergieverbrauch bezifferte er mit lediglich 16 Prozent. 60 Prozent der Elektrizität würden fossil erzeugt - schlecht für Umwelt und Klima.
Auch Windkraft und Photovoltaik könnten nur eingeschränkt helfen: In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hätten Windräder in Deutschland nur 15 bis 24 Prozent der Zeit ihre Nennleistung zur Verfügung gestellt (1.200 bis 1.900 Stunden von 8.760 Stunden eines Jahres), PV sogar nur 760 bis 1.020 Stunden im Jahr, was eine Auslastung von nur 10 bis 13 Prozent bedeute. Daher sei es auch eine Illusion, sein Auto am Car-Board einzig mit Strom vom eigenen PV-Dach laden zu wollen, "das würde eine Woche dauern".
Plädoyer für Hybride
Brasseur plädierte auch für Privat-Pkw für eine Hybrid-Technologie, wie sie seit einem Jahrzehnt erfolgreich in der Formel-1 eingesetzt wird - also einen elektrischen Hochleistungs-Antriebsstrang. Ein Hybrid-Konzept könne etwa einen Power Tank mit 80 kW Leistung samt einem Fuel Converter mit 35 kW umfassen, denn jeweils nur kurz eingesetzt belaste ein Kraftstoffwandler nicht die Umwelt, ganz im Gegenteil sinken dabei die Emissionen.
Auch im Weltmaßstab sei das einsetzbar, dort gebe es nämlich im Schnitt noch 518 Gramm CO2-Emissionen pro kWh. Europa könnte zum Marktführer in der E-Mobilität werden, falls man solche Hybrid-Konzepte einsetze - als eine Brücke, bis in 20, 30 oder 40 Jahren genug Strom da sei für die Herstellung von grünem Wasserstoff.
"Das ganz große Thema" in Zukunft würden die Stromspeicher sein, sagte der technische Vorstandsdirektor des Übertragungsnetzbetreibers Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner. Selbst wenn es gelinge, dass Österreichs Strombedarf bis 2030 - bilanziell übers Jahr gerechnet - zu 100 Prozent auf erneuerbar umgestellt sei, werde es im Sommer massive Stromüberschüsse und im Winter einen großen Strommangel geben. Wasserstoff werde dafür eine der Optionen sein, um Strom vom Sommer in den Winter zu bringen, trotz der zweimaligen Wandlungsverluste.
EU-Green Deal stellte Weichen
Wesentlich sei die Vernetzung Österreichs innerhalb Europas, durch die es noch kein Liquiditätsprobleme bei Strom gebe, obwohl durch das vermehrte Aufkommen von Erneuerbaren-Strom Gaskraftwerke in ganz Europa aus dem Markt gedrängt würden, Kohle- und Atomkraftwerke dagegen nicht.
Mit dem Green Deal der EU-Kommission sei aber klar, dass die Weichen in Richtung Dekarbonisierung gestellt seien. "Dass der Weg in Richtung Erneuerbare gehen muss, haben alle verstanden", meinte Christiner. Für Windkraft, PV, den Netzbedarf und Stromspeicher sei aber ein "Generalplan" nötig, appellierte der APG-Vorstand an die neue, auch für Energie zuständige Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen.
Hans-Jürgen Salmhofer von der Stabsstelle Mobilitätswende und Dekarbonisierung im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, meinte mit Blick auf die Energiewende, dass Sparen und Energieeffizienz an Bedeutung gewinnen würden, "weil wir die fossile Welt nicht einfach 1:1 abbilden können". Natürlich wünsche man sich, egal unter welcher Regierung, dass der Öffentliche Verkehr gestärkt werde und mehr Güter auf die Schiene kommen. Dennoch werde es auch künftig immer noch einen signifikant hohen Anteil an Individual- und Lkw-Verkehr auf der Straße geben.
Anteil nur 2,7 Prozent
Helmut-Klaus Schimany von der Plattform e-Mobility Austria bezeichnete es als "katastrophal niedrig", dass voriges Jahr nur 2,7 Prozent der gesamten Autozulassungen in Österreich Elektroautos gewesen seien - in Deutschland sei die Quote mit 2,8 Prozent trotz bis zu 6.000 Euro Zuschuss auch nicht höher gewesen.
Ein Großteil der Autoindustrie habe den E-Mobilitätszielen "etwas gepfiffen", meinte der Cluster-Vertreter bei der Veranstaltung auf Einladung der "Weis(s)en Wirtschaft": "Die Schere klafft auseinander, wenn die Industrie keine entsprechenden Fahrzeuge zu wettbewerbsfähigen Preisen auf den Markt wirft." E-Autos seien einfach weiterhin zu teuer, daher seien sie bis vor kurzem fast nur als Firmenwagen gekauft worden.
2019 ist der E-Auto-Bestand nach jüngsten Statistik-Austria-Daten auf knapp unter 30.000 angestiegen, bei insgesamt 5 Mio. Pkw.
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