Der Wechselkurs verfällt und Devisen fehlen. Als Folge dessen ist die Inflation rapide gestiegen, von Juni 2021 bis Juni 2022 auf 52 Prozent. „Hinzu kommt die anhaltende Sanktionierung des Landes durch die USA“, sagt Winkler. Viele iranische, aber auch europäische und amerikanische Unternehmen, würden große Hoffnungen auf den Abschluss eines zweiten Nuklearabkommens setzen.
Für österreichische Unternehmen erweist sich der internationale Zahlungsverkehr als größtes Problem. Von europäischen Banken werden nahezu keine Transaktionen mit Iranbezug durchgeführt, erklärt Winkler. Das gelte selbst für Geschäfte, die ausdrücklich von den US-Sanktionen ausgenommen seien.
Eine weitere Herausforderung stellt der Wertverlust des iranischen Rial dar. Der Wechselkurs ist sehr volatil. Aufgrund der positiven Entwicklungen um ein neues Nuklearabkommen kam es zu einem leichten Aufwärtstrend, der jedoch in den vergangenen Tagen wieder eingebrochen ist, so Winkler.
Weiters würde die 2019 eingeführte Importverbotsliste das Wirtschaften mit dem Land erschweren. Die anhaltenden US-Sanktionen sowie der drohende Reputationsverlust, der besteht, wenn ein Unternehmen Geschäfte mit iranischen Partnern macht, würden ihr Übriges tun.
So schlecht wie derzeit war die ökonomische Situation des Iran in den vergangenen fünf Jahrzehnten nicht, berichtet Mahdi Ghodsi, Iran-Experte und Ökonom vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).
„Viele Menschen im Iran sehen wegen der Wirtschaftslage keine Zukunft“, sagt Ghodsi weiter. Seit 2012 sei es mit der Wirtschaft, abgesehen von zwei Jahren, nur bergab gegangen. Auch wenn für 2022 ein Wirtschaftswachstum erwartet werde, könne das die Rückgänge der vergangenen Jahre keinesfalls wettmachen.
Einer der Hauptgründe: Der Iran kann wegen der Sanktionen nur einen geringen Teil seines Öls verkaufen, was das Staatsbudget, das stark vom Öl abhängig ist, in eine ordentliche Schieflage gebracht hat. Die Führung muss sich Geld von der Zentralbank ausleihen oder Geld drucken, so Ghodsi.
Enorme Armut
Die Inflation sei im Juli bereits bei 54 Prozent gelegen, in einzelnen Bereichen sogar noch höher, wie bei Lebensmitteln und Getränken bei 82 Prozent und bei Brot bei 96 Prozent. Die Arbeitslosenrate liegt bei 9,2 Prozent, was im internationalen Vergleich nicht sehr hoch ist, so Ghodsi.
Wenn man aber bedenke, dass nur 27,5 Prozent der Bevölkerung am Arbeitsmarkt aktiv sei, dann sei die Zahl der Menschen ohne Arbeit enorm hoch. Die Armutsrate ist gewaltig, 35 Prozent der Bevölkerung haben nicht genug zu essen, 50 Prozent der Bevölkerung haben gerade einmal ein Heim und Lebensmittel, mehr aber nicht.
Die ökonomische Lage des Iran hat laut Ghodsi deshalb als Katalysator auf die derzeitigen Proteste gewirkt. Die Leute seien frustriert, junge und alte. Es gebe keine Grundrechte, keine Freiheiten, keine Perspektiven, sagt der Iran-Experte. Studenten hätten nicht viele Möglichkeiten. „Sie können nach dem Studium ins Ausland gehen und Arbeit suchen, oder auf die Straße gehen und protestieren.“
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