Als Airbus kürzlich ein Gespräch mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) platzen ließ, drohte die Politikerin mit einer zusätzlichen zivilrechtlichen Klage. Die Finanzprokurator, die Anwaltskanzlei der Republik, hatte sich klugerweise schon 2017 dem von Doskozil initiierten Strafverfahren mit einer Schadenersatzforderung von mindestens 183,4 Millionen angeschlossen.
Da ginge höchstwahrscheinlich noch wesentlich mehr. Und zwar mit einer Schadenersatzklage in den USA. Deren Erfolgschancen schätzt der Wiener Anwalt Robin Lumsden als gut ein. Hohe Streitwerte sind in den USA üblich, ein Betrag über einer Milliarde Euro wäre durchaus realistisch, meint Lumsden.
Der Wirtschaftsanwalt hat neben der Kanzlei in Wien zwei US-Außenstellen, in New York und im Silicon Valley. Lumsden hat Erfahrung mit dem amerikanischen Justizsystem, er vertrat beispielsweise den Flughafen Wien erfolgreich gegen den früheren Shop-Betreiber Rakesh Sardana, der eine Großpleite hingelegt und den Airport in New York auf 168 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt hatte. Auf der Gegenseite marschierte Alan Dershowitz auf, einer der prominentesten Anwälte der USA, der beispielsweise Präsident Donald Trump im Impeachment-Verfahren zur Seite stand.
Wie laufen solche Verfahren in den USA ab?
Zum Auftakt wird einmal gestritten, welches Gericht überhaupt zuständig ist. Das kann zwei, drei Jahre dauern. Doch bereits in dieser Phase müsste Airbus hohe Rückstellungen bilden, argumentiert Lumsden. In jedem Jahresabschluss, solange das Verfahren läuft.
Hohe Rückstellungen für Schadenersatz vermindern das Ergebnis eines Unternehmens und machen keinen guten Eindruck bei internationalen Ausschreibungen.
Ein schlechteres Ergebnis wirkt sich unmittelbar auf die Boni der Manager aus. Lumsden spricht hier vom „direkten Link zwischen dem Management und dessen Bonuserwartungen. Wenn die Boni in Gefahr sind, wird sich das Management relativ rasch zu Vergleichsgesprächen nach Wien bewegen“. Anzunehmen, dass die Airbus-Manager die resolute Verteidigungsministerin kein zweites Mal versetzen würden. Dazu muss man wissen, dass mehr als 90 Prozent aller Gerichtsverfahren in den USA schon in einer frühen Phase mit einem Vergleich enden.
Kommt es tatsächlich zu einer Klage, würden Airbus noch weitere Unannehmlichkeiten drohen, die sogenannten Depositions. Diese außergerichtlichen Zeugeneinvernahmen durch die gegnerischen Anwälte werden per Video dokumentiert, die Befragten stehen unter Wahrheitspflicht.
„Die Airbus-Manager würden wohl kaum strafrechtliche persönliche Konsequenzen in den USA riskieren und vermutlich lieber einem teuren, schnellen Vergleich zustimmen“, erwartet Lumsden.
Das Kostenrisiko wäre für die Republik überschaubar. In den USA fallen keine Gerichtsgebühren an, die Anwaltshonorare sind nicht vom Streitwert abhängig und fallen nur bei Erfolg an.
Im Verteidigungsministerium heißt es, Ministerin Tanner lasse die Erfolgschancen einer zivilrechtlichen Klage in den USA durch die Finanzprokuratur prüfen. Deren Präsident Wolfgang Peschorn erklärt gegenüber dem KURIER, die zivilrechtlichen Ansprüche der Republik seien durch den Anschluss als Privatbeteiligte im Strafverfahren abgesichert. Zu den aktuellen Ereignissen in den USA meint er: „Wir haben die Entwicklungen zum Anlass genommen, unsere Überlegungen zu überprüfen. Ich bitte um Verständnis, wenn ich unsere strategischen Überlegungen nicht offenlege“.
Nur soviel: Die Finanzprokuratur habe den Sachverhalt bereits 2017 in den USA angezeigt und eine US-Kanzlei an Bord.
Lumsden hat übrigens eine Nahbeziehung zum Bundesheer. Er ist Oberleutnant des Jagdkommandos und half dem Heer schon mit seinem Netzwerk zu Silicon-Valley-Unternehmen aus.
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