Euro zu hart – sogar für Österreich
Mario Draghi ist nicht zu beneiden. Seit Monaten schlägt sich der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Befürchtungen herum, die Eurozone könnte in eine gefährliche Spirale fallender Preise (Deflation) sinken. Mit 0,5 Prozent war die Inflationsrate im März schon bedrohlich tief. Einen Schuldigen hat Draghi kürzlich identifiziert: den harten Euro. Die hohe Bewertung verglichen mit dem US-Dollar hat zwar den erfreulichen Effekt, dass Importe wie Öl billiger werden. Das heißt aber auch: Ein um zehn Prozent stärkerer Euro reduziert die Inflationsrate um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte, schätzen Experten.
Dabei ist die Kraftmeierei des Euro eigentlich absurd: Die USA stehen viel besser da als Europa. Die EZB muss sich (anders als ihr US-Pendant Fed) noch lange keine Gedanken über steigende Zinsen machen, ganz im Gegenteil. Beides würde für einen stärkeren US-Dollar sprechen. Aber nichts da: Seit sich die Eurokrise entspannt, legt die Gemeinschaftswährung zu – der Euro hält momentan bei 1,38 Dollar.
Jüngste Berechnungen der Investmentbank Morgan Stanley zeigen, wie sehr das zur Zerreißprobe für die Eurozone werden könnte. Für Deutschlands Wirtschaft ist der aktuelle Euro-Kurs sogar noch zu weich: Die Unternehmen kämen dank ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit sogar mit einem Umtausch bei 1,52 Dollar locker zurande. Für Irland und Österreich passt der aktuelle Kurs gerade noch. "Dieser Wechselkurs ist für Österreich neutral", bestätigt Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, im Gespräch mit dem KURIER. Eine weitere Aufwertung wäre aber heikel, die Exporte würden leiden. Wird der Euro um ein Prozent stärker, verringert das Österreichs Exporte um 0,82 Prozent, ergab eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts RWI in Essen – eine Abwertung würde die Ausfuhren im selben Ausmaß erhöhen.
Draghis Dilemma
Was tun? Draghi kann den Euro buchstäblich "schwachreden". Wirksamer wäre es, würde die US-Notenbank höhere Zinsen beschließen und so den Dollar stärken. Aber das hat nicht einmal "Super Mario" Draghi in der Hand.
Fair bewertet: Gespaltene Eurozone
- Deutschland 1,52
- Irland 1,39
- Österreich 1,36
- Finnland 1,27
- Spanien 1,27
- Portugal1,27
- Frankreich1,23
- Niederlande 1,22
- Belgien 1,20
- Italien 1,18
- Griechenland 1,02
Quelle: Morgan Stanley
Man nehme: Eine kräftige Portion Schweiz (57 %), hebe ein gutes Viertel Australien (26 %) unter, mische dazu ein Sechstel Malaysia (16 %). Das Ganze gut durchrühren, mit einer Prise Chile (1 %) würzen – und heraus kommt: Österreich!
Für die Griechen zu früh
Das Ergebnis: Alle Länder haben von der EU profitiert, ausgenommen Griechenland. Unter den reichen Staaten der Erweiterung von 1995 profitierte Österreich am stärksten; die Wirtschaftsleistung ist pro Kopf dank EU um rund 8 Prozent höher. "Zudem gab es besonders in Österreich vor dem EU-Beitritt Vorzieheffekte", erklären die Autoren (auf dem Onlineportal VoxEU.org).
Bei den älteren Beitrittsländern von 1973 haben die Iren (+50 Prozent) massiv gewonnen, doch auch die EU-kritischen Briten sind unter den Profiteuren (+25 Prozent). Große Ausnahme ist Griechenland, das sich seit 1981 um 15 Prozent schlechter als die Vergleichsgruppe entwickelt hat: Der EU-Beitritt sei zu früh gekommen.
Die jüngsten EU-Länder aus Osteuropa haben durchschnittlich um 12 Prozent besser abgeschnitten als ihre Vergleichsgruppen. Großes Aber: Die Studie endet 2008, die Krise ist nur zum Teil berücksichtigt.
Campos/Coricelli/Moretti: Economic Growth and European Integration.
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