EU-Strommarkt droht an Nationalismen zu scheitern

Deutschland will den freien Stromfluss nach Österreich reduzieren, um die Leitungen zu entlasten.
Österreichs Energieverbraucher müssten 15 Prozent mehr für elektrische Energie zahlen.

Nicht nur in der Frage der Verteilung der Flüchtlinge scheint die EU an nationalen Eigeninteressen zu verzweifeln, auch am europäischen Energiemarkt steigt die Gefahr, dass wieder Grenzen eingezogen werden.

Die europäischen Energieregulatoren veröffentlichten am Mittwoch eine folgenschwere Empfehlung: Deutschland solle den freien Stromfluss an der Grenze zu Österreich unterbrechen. Das wäre deswegen nötig, weil der massenhaft in Norddeutschland produzierte Windstrom ansonsten die Leitungen überlaste.

Der Vorschlag der Regulierer löste in der österreichischen Elektrizitätswirtschaft und in der Großindustrie einen Aufschrei der Empörung aus. "Es kann nicht Sinn der EU sein, Mauern zu errichten", weist Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber die Idee zurück. Für Österreichs Stromkonsumenten würde eine solche Abschottung vom deutschen Markt eine Preiserhöhung um rund 15 Prozent bedeuten. Der Grund: Heimische Stromversorger müssten die Energie, die sie aus Deutschland importieren, an der Grenze ersteigern. Das macht Strom teurer, weil kleinere Mengen durchgelassen würden. Dass die Deutschen ihr eigenes Problem der Überproduktion von Strom im Norden damit auf Österreich abschieben, ist für Anzengruber "nicht einmal eine Denkalternative".

Unter Druck

Für Österreichs Industrie wäre eine Verteuerung des Stroms ein zusätzlicher Wettbewerbsnachteil. Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun zeigte sich bei der Verbund-Energietagung in Fuschl denn auch höchst besorgt. "Letztlich würde das Arbeitsplätze kosten", warnt er. Sowohl die Politik als auch die Elektrizitätsunternehmen versuchen daher, in Brüssel heftig gegen die Teilung des Strommarktes zu argumentieren. Dort hört man die Sorgen wohl. Die deutsche Bundesnetzagentur aber ist wild entschlossen, den Stromverkehr mit Österreich zu rationieren, wie aus den Worten von Netzagentur-Chef Jochen Homann am Dienstag Abend in Wien hervorgeht. Anzengruber will den Deutschen Hilfe bei der Netzstützung anbieten, um den gemeinsamen Markt aufrecht zu erhalten. Diese Hilfe käme nur halb so teuer wie eine Trennung, sagt er.

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