EU schließt weitere Steuerschlupflöcher für Konzerne

Ziel ist, Gewinnverschiebungen einzudämmen.
Grundsätzliche Einigung. Regelungen sollen ab 2019 gelten.

Die Europäer schließen weitere Steuerschlupflöcher für multinationale Konzerne. Die EU-Finanzminister verständigten sich dazu am Freitag grundsätzlich auf ein neues Gesetz. Ziel ist unter anderem, Gewinnverschiebungen zum Steuersparen einzudämmen.

Wegen letzter Vorbehalte von Belgien und Tschechien läuft noch eine Frist bis Montag Mitternacht (24.00 Uhr) für die endgültige Zustimmung. "In Wahrheit in die Sache verabschiedet", meinte jedoch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Luxemburg. "Es ist ein wichtiger Schritt."

Der EU will in mehreren Ländern tätige Konzerne dazu bringen, ihre Steuern dort zu zahlen, wo Gewinne anfallen. Schäuble erwähnte eine "Zinsschranke": Ein Zinsaufwand kann von Unternehmen nicht mehr unbegrenzt steuerlich geltend gemacht werden. Firmenverlagerungen in Nicht-EU-Staaten sollen besteuert werden. Laut Diplomaten werden die neuen Regeln von 2019 an gelten.

Die EU-Kommission hatte Anfang des Jahres eine Initiative gegen Steuervermeidung vorlegt - öffentlichen Kassen in der EU entgehen deswegen 50 bis 70 Milliarden Euro im Jahr. Belgien brauche noch Zeit, um mit der Regierung abzuklären, ob der EU-Kompromiss mit eigenen Regeln vereinbar sei, so Schäuble. Prag fordert eine nationale Ausnahme für ein weniger betrugsanfälliges Mehrwertsteuersystem - dieses soll nun unter bestimmten Bedingungen gewährt werden.

Falls es in den kommenden Tagen keine Einwände von EU-Staaten mehr gibt, gilt der Kompromiss als endgültig vereinbart. Dieses Verfahren ist in der EU bei komplizierten Themen durchaus üblich.

Multis im Vorteil

Der EU setzt nach eigener Einschätzung Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der G20-Staaten um. "Der Kampf, der auf Ebene der G20 und der OECD geführt wurde, wird in eine europäische Richtlinie übersetzt, (...) um gegen diese unerträgliche Steuer-Optimierung zu kämpfen", bilanzierte der französische Ressortchef Michel Sapin. Diese Optimierung sei schädlich für die Volkswirtschaften und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft. Nach den Enthüllungen über die "Panama-Papers" hatte der internationale Kampf gegen Steueroasen und illegale Finanzströme neuen Auftrieb erhalten.

Nach Erkenntnis der EU-Kommission tragen kleinere Unternehmen, die nicht in mehreren Ländern tätig sind, im Schnitt eine um 30 Prozent höhere Steuerlast als multinationale Konzerne. Die Wettbewerbshüter der Kommission nahmen bereits mehrere Unternehmen wegen möglicher unlauterer Steuervorteile ins Visier, unter anderem die US-Imbisskette McDonald's oder den Kaffeehausbetreiber Starbucks.

Folgen eines möglichen EU-Austritt Großbritanniens standen nicht auf der offiziellen Tagesordnung. EU-Vize-Kommissionschef Valdis Dombrovskis warnte vor einer "Turbulenz", falls die Briten sich für einen Brexit entscheiden sollten. Doch auch nach einem Brexit-Votum würde Großbritannien zunächst weiter in der EU verbleiben. Schäuble sagte: "Wir versuchen, auf jeden Ausgang des Referendums so gut wie möglich vorbereitet zu sein." Er fügte hinzu: "Ich glaube, dass die Nervosität vorher größer ist als hinterher."

Bankenunion

Die Minister berieten zudem über einen Fahrplan für die Bankenunion. Berlin wehrt sich gegen einen raschen Aufbau eines gemeinsamen Topfes, der die Ersparnisse von Kunden im Fall einer Bankenpleite europaweit absichern soll. "Wir werden bei der Stärkung der Bankenunion nicht mit der Einlagensicherung beginnen", sagte Schäuble. "Sondern wir werden damit beginnen, dass wir die im Bankensektor vorhandenen Risiken Schritt für Schritt(...) reduzieren." Laut einer Ministererklärung soll die Arbeit bei der Einlagensicherung fortgesetzt werden; der Text erwähnt auch die Möglichkeit, dass Länder dafür eine besondere zwischenstaatliche Vereinbarung schließen.

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