EU-Parlament beschließt Reduktion von CO2-Werten bei Neuwagen

(Symbolbild)
Reaktionen auf den Beschluss reichen von "ambitioniert" bis "unverantwortlich für die Autoindustrie".

Immer noch greifen die meisten Verbraucher beim Autokauf zu Modellen mit Verbrennungsmotor. Dem Klima zuliebe will die EU das ändern und mehr Fahrzeuge mit niedrigem oder gar keinem CO2-Ausstoß auf die Straßen bringen - also zum Beispiel E-Autos, solar- oder wasserstoffbetriebene Wagen. Ein Weg, dieses Ziel zu erreichen, sind schärfere CO2-Grenzwerte für Neuwagen.

Das EU-Parlament hat am Mittwoch in Straßburg eine CO2-Reduktion von 40 Prozent für Neuwagen und Vans bis 2030 beschlossen. 389 Abgeordnete votierten dafür und 239 dagegen. Allerdings muss der Umweltrat Dienstag nächster Woche ebenfalls zustimmen, danach können die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat starten.

Die Reaktionen auf den Beschluss reichten unter den EU-Parlamentariern zwischen "ambitioniert" und "unverantwortlich für die Autoindustrie". Der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl sprach von "unseriösem Aktionismus statt echter Nachhaltigkeit". Seine Delegationskollegin Claudia Schmidt bedauerte eine "realitätsfremde Entscheidung der Parlamentsmehrheit".

Hocherfreut

Die SPÖ-Europamandatarin Kari Kadenbach zeigte sich hocherfreut, dass das EU-Parlament grünes Licht für den Klimaschutz gegeben habe. Dies sei ein wichtiger Schritt. "Wenn wir die schädlichen Treibhausgas-Emissionen eindämmen wollen, brauchen wir hohe Reduktionsziele".

Der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Ismail Ertug freute sich, dass eine saubere Mobilität unter Sicherung guter Arbeitsplätze Deutschland und Europa stark mache. Es handle sich um einen ausgewogenen Kompromiss. Die EU-Kommission wollte nur 30 Prozent Reduktion, der Umweltausschuss des Europaparlaments hatte minus 45 Prozent gefordert.

Bis 2025 gibt es das Zwischenziel einer Verringerung der CO2-Werte um 20 Prozent. Darüber hinaus sollten die Neuzulassungen für Niedrig- und Nullemissionsfahrzeuge - u.a. auch Hybride und gasbetriebene Autos - 20 Prozent ausmachen und bis 2030 auf 35 Prozent steigen.

Überambitioniert

Die liberale EU-Abgeordnete Gesine Meißner sprach dagegen von "überambitionierten" Zielen. Es werde eine "Utopie-Debatte" geführt. Außerdem nütze es dem Klima nichts, wenn Elektroautos mit Kohlestrom fahren.

Der Konservative EU-Mandatar Boleslaw Piecha kritisierte die 40-Prozent-Reduktion als unverantwortlich für die Autoindustrie. Damit würden auch Arbeitsplätze gefährdet. Jeder sei für weniger Schadstoffautos von Fahrzeugen, doch müsse man realistisch bleiben und nicht unerreichbare Ziele mit Strafmaßnahmen, die nicht durchführbar seien, kombinieren.

Thomas Waitz, Abgeordneter der österreichischen Grünen im EU-Parlament, kritisiert das Abstimmungsverhalten seiner Kollegen von ÖVP und FPÖ.  "Die Abgeordneten der Regierungsparteien betätigen sich als Lobbyisten der Autoindustrie und stimmen im Europaparlament gegen die Zukunft unserer Kinder.“ Waitz gibt die Hoffnung aber nicht auf, dass die österreichische Regierung ihre Ratspräsidentschaft noch dazu benutzt, eine ehrgeizige Klimapolitik voranzutreiben.

Fest steht: Der Verkehr ist ein Klima-Schädling. Rund ein Viertel der gesamten Treibhausgas-Emissionen in der EU stammten zuletzt aus dem Transportsektor. Dabei kommt Autos und Lastwagen die Rolle der wichtigsten Klimasünder zu - weit vor Flugzeugen und Frachtschiffen. Auf den Straßen Europas werden laut der Europäischen Umweltagentur EEA knapp drei Viertel der transportbedingten Treibhausgase in die Luft geblasen.

Weitere Zunahme

Und es wird eher schlimmer: Laut dem Umweltausschuss des EU-Parlaments ist der Transportsektor der einzige Bereich, in dem der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen wie CO2 in der EU weiter wächst - im Gegensatz beispielsweise zur Landwirtschaft oder zur Industrie. Wer also das Klima schützen und die Erderwärmung verlangsamen will, kann demnach bei Autos einen wirksamen Hebel ansetzen.

In der politischen Diskussion sind derzeit neue flottenweite CO2-Grenzwerte für Neuwagen zwischen den Jahren 2021 und 2030. „Flottenweit“ - das bedeutet: Die Grenzwerte legen fest, wie viel CO2 die verkauften Neuwagen eines Autobauers im Schnitt ausstoßen dürfen. Für jeden Hersteller werden dabei individuelle Werte festgelegt. Wer vor allem schwere und große Autos produziert - wie viele deutsche Marken - dessen Flotte darf auch mehr Kohlendioxid ausstoßen. Hauptsache, am Ende wird im Schnitt ein europaweit festgelegter Grenzwert eingehalten.

Die aktuelle Vorgabe bis 2021 liegt bei 95 Gramm pro Kilometer, der europäische Durchschnittswert liegt derzeit bei 118,5 Gramm. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass der Grenzwert bis 2030 weiter gedrückt werden muss. Strittig ist aber, um wie viel.

Die EU-Kommission hatte im November 2017 eine europaweite Senkung um 30 Prozent im Vergleich zu den Grenzwerten von 2021 vorgeschlagen. Die deutsche Bundesregierung ist auf diesen Kurs eingeschwenkt - nachdem sich Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) mit einem ehrgeizigeren Ziel nicht durchsetzen konnte.

Skepsis

Ob Grenzwerte tatsächlich der große Wurf bei der Klimarettung sein können? Umweltschützer sind skeptisch. „Die flottenweiten Grenzwerte haben bisher nicht funktioniert“, sagt Benjamin Stephan von Greenpeace. Zwar steigere sich dadurch möglicherweise die Effizienz von Autos. Aber diese Zugewinne würden an anderen Enden aufgefressen.
In Europa seien immer mehr Autos verkauft worden - und noch dazu immer PS-stärkere und größere, sagt Stephan. Außerdem würden in diesen Autos mehr Kilometer zurückgelegt. Die Folge: Der CO2-Ausstoß in Europa steige - obwohl es Grenzwerte für das Treibhausgas auf EU-Ebene schon seit 2009 gibt. Aus Greenpeace-Sicht wäre ein fixes Enddatum für Verbrennungsmotoren der richtige Weg.

Die Industrie hingegen warnt vor zu strikten CO2-Vorgaben und Arbeitsplatzverlusten. Drastisch niedrigere Grenzwerte könnten nur erreicht werden, wenn wesentlich mehr Autos mit alternativen Antrieben verkauft würden, heißt es in einer Pressemitteilung des europäischen Herstellerverbands Acea. Für deren Herstellung würden aber weniger Arbeitskräfte gebraucht als für Autos mit Verbrennungsmotor.

Außerdem könne nicht allein die Industrie dafür sorgen, dass mehr Autos mit alternativem Antrieb nachgefragt würden: „Um den Verkauf von Elektro-Autos anzukurbeln, braucht es mehr Unterstützung von den nationalen Regierungen“, erklärte Acea-Generalsekretär Erik Jonnaert. Sie müssten Ladeinfrastruktur bereitstellen und Kaufanreize schaffen.
Bislang läuft es eher schleppend mit dem Erreichen des aktuellen Grenzwerts bis 2021. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen in Europa ist laut der Europäischen Umweltagentur EEA im Jahr 2017 sogar leicht gestiegen. Probleme bereitet den Herstellern vor allem, dass Kunden vermehrt dem Diesel den Rücken kehren und auf Benziner mit höherem CO2-Ausstoß umsteigen.

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