EU kann die Krise nicht abschütteln

Die Erholung in der Eurozone tritt langsamer ein als erwartet.
"Langsame Rückkehr zu bescheidenem Wachstum" – erst 2016 sieht es wieder besser aus.

Es sind düstere Aussichten, mit denen die EU-Kommission in ihrer am Dienstag veröffentlichten Herbstprognose aufwartet: Im heurigen Jahr attestiert sie der Konjunktur in Europa nur noch eine „langsame Rückkehr zu einem bescheidenen Wirtschaftswachstum“ (siehe Grafik unten). Österreich liegt mit 0,7 Prozent besonders stark unter den Erwartungen – noch vor wenigen Monaten war man von einem Plus von 1,6 Prozent ausgegangen.

Für das kommende Jahr sieht es nicht viel besser aus; im Vergleich zu den Vorhersagen vom Frühjahr wurden die Erwartungen nun deutlich nach unten geschraubt: Die Kommission senkte die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Österreich (1,2 statt 1,8 Prozent), der Eurozone (1,1 statt 1,7) und der gesamten EU (1,5 statt 2) erheblich. Erst 2016 soll das Wirtschaftswachstum dann wieder einigermaßen Fahrt aufnehmen. Für Österreich sind diesmal mehrere Werte beunruhigend: Die Staatsschulden erreichen 2014 mit 87 Prozent des BIP einen neuen Höchstwert; die Arbeitslosigkeit soll 2015 auf 5,4 Prozent (EU-Berechnung) ansteigen.

Schwache Erholung

Die Lage sei bedrohlich, heißt es im Bericht: „Die Erholung der EU scheint besonders schwach, nicht nur im Vergleich zu anderen Ökonomien, sondern auch zu historischen Beispielen von wirtschaftlicher Erholung nach Finanzkrisen, obwohl auch diese langsam und schwach waren.“

Die neuen Kommissare Pierre Moscovici (zuständig für Wirtschaft und Währung) und Jyrki Katainen (Arbeitsplätze und Wachstum) verschreiben eine gemischte Medizin: Sie plädieren für Schuldenabbau – und eine verstärkte Wachstumspolitik. „Es geht nicht um Schwarz-Weiß-Malerei“, sagte Katainen. Weder Spar- noch Investitionspolitik alleine seien derzeit ein probates Mittel für den Aufschwung.

Katainen verwies auch auf das Investitionspaket, das der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigt hat: „Diese 300 Milliarden Euro werden die Welt nicht neu erschaffen, aber sie sind ein wichtiger Beitrag.“

Während es bei Sorgenkindern wie Irland, Griechenland und Spanien Lichtblicke gibt, machen der Kommission die Schwergewichte Sorgen: Frankreich und Italien schwächeln massiv, Konjunkturlokomotive Deutschland bewegt sich am Rande der Rezession. In Brüssel erwartet man sich aus Deutschland jetzt Impulse: „Auch für das deutsche Wirtschaftswachstum der Zukunft macht es Sinn, jetzt zu investieren“, so Katainen.

EU kann die Krise nicht abschütteln

Die wirtschaftliche Erholung hat in Österreich heuer eine Pause eingelegt, die heimische Wirtschaft ist aber immer noch robust genug, um wieder an Fahrt zu gewinnen - so der Kern der EU-Herbstprognose. Bei den meisten Kennzahlen kann Österreich demnach für 2015 und 2016 auf Verbesserung hoffen, wenn auch weniger dynamisch als noch im Frühjahr erwartet.

Österreichs Budgetdefizit wird im laufenden Jahr mit 2,9 Prozent höher ausfallen als noch im Frühjahr mit 2,8 Prozent angenommen. Für 2015 wird trotz sinkender Neuverschuldung eine noch deutlichere Verschlechterung erwartet, von 1,5 Prozent in der Frühjahrsvorausschau auf nunmehr 1,8 Prozent. Für 2016 soll das Defizit auf 1,1 Prozent sinken.

Die Staatsschuld wird heuer den bisherigen Rekordstand von 87 Prozent erreichen, allerdings soll es in den nächsten Jahren besser werden. Für 2015 wird ein Absinken auf 86,1 Prozent prophezeit, für 2016 ein weiterer Rückgang auf 84,0 Prozent.

EU kann die Krise nicht abschütteln
Gemeinsam mit Großbritannien weist Österreich mit 1,5 Prozent die höchsteTeuerungsrate auf. Der EU-Durchschnitt liegt bei 0,6 Prozent, die Eurozone wird mit 0,5 Prozent ausgewiesen. 2015 soll die Inflation in der Eurozone auf 0,8 Prozent steigen, in der EU auf 1 Prozent. Österreichs Teuerung steigt im kommenden Jahr demnach auf 1,7 Prozent an. Für 2016 ist ein weiterer Anstieg prognostiziert.

Und auch bei der Arbeitslosigkeit sieht es schlecht aus: Während sie in der Eurozone und der EU gegenüber den Frühjahrsdaten für das laufende Jahr zurückgeht, wird in Österreich eine deutliche Steigerung von 4,8 Prozent in der Frühjahrsvorausschau gegenüber nunmehr erwarteten 5,3 Prozent ausgewiesen. Die Eurozone kann mit 11,6 statt ursprünglich 11,8 Prozent rechnen, die EU mit 10,5 statt 10,3 Prozent. Für 2015 sagt die am Dienstag präsentierte EU-Herbstprognose für Österreich sogar eine weitere Steigerung auf 5,4 Prozent voraus, ehe 2016 ein Sinken auf 5,0 Prozent zu erwarten ist. Die Entwicklung führte zuletzt auch dazu, dass Österreich seinen Spitzenplatz mit der niedrigsten Arbeitslosenquote an Deutschland abgeben musste (mehr dazu hier).

EU kann die Krise nicht abschütteln
Um die Reindustrialisierung in Europa voranzutreiben, fordert Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, Deregulierung und mehr Freiraum für die Wirtschaft auch auf EU-Ebene. Derzeit versuche die EU, so Kapsch im Klub der Wirtschaftspublizisten, „die Probleme mit wachsender Regulierung zu erschlagen. Europa war noch nie so stark reguliert wie heute“.

Reformen und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sieht der IV-Chef auch in Österreich als einziges Rezept für mehr Wachstum und gegen die drastisch steigende Arbeitslosigkeit. Darunter fallen für ihn vor allem flexiblere Arbeitszeitmodelle und Bürokratisierung. Und bei der Steuerreform müsste ein Drittel der geplanten Entlastung auf die Lohnnebenkosten der Unternehmen entfallen. Allerdings müsse die Steuerreform 15 Milliarden Euro, also das Dreifache des jetzt von der Regierung geplanten Volumens, ausmachen.

Gegen Bonus-Malus

Vom Bonus-Malus-System für Unternehmen, um Ältere länger zu beschäftigen, hält Kapsch nichts. Stattdessen sollte das Problem über eine „echte“ Gleitpensionsregelung – „nicht die Altersteilzeit, bei der der Staat mitzahlt“ – gelöst werden. Allerdings bedürfe es einer Gesetzesänderung, denn derzeit wirkt sich ein Gleiten in die Pension negativ auf die Pensionshöhe aus. Beim Pensionssystem fordert Kapsch „mehr Mut zur Wahrheit“.

Kommentare